BT-Drucksache 16/4996

Verwaltungsgerichtsurteil zu Rundfunkgebühren beim Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Vom 11. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4996
16. Wahlperiode 11. 04. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte,
Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saarbrücken), Katja Kipping, Elke Reinke,
Karin Binder, Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Jörn Wunderlich und der Fraktion
DIE LINKE.

Verwaltungsgerichtsurteil zu Rundfunkgebühren beim Bezug von Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Der „Berliner Zeitung“ vom 29. März 2007 war zu entnehmen, dass Hartz-IV-
Empfängerinnen und -empfänger, also Bezieher von Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), auch dann keine Rundfunkgebühren
zahlen müssen, wenn sie zuvor Arbeitslosengeld I bezogen haben und deshalb
nun einen Zuschlag erhalten. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin am
28. März 2007 entschieden. Es erklärte die Klagen von zwei Erwerbslosen für
rechtmäßig. Die Richter äußerten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die
Auffassung, mit der die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) und der Rundfunk Ber-
lin-Brandenburg (RBB) die beiden Bürger zur Zahlung veranlassen wollten.

Erwerbslose, die nach Bezug von Arbeitslosengeld I Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch beantragen, haben zwei Jahre lang Anspruch
auf Zuschläge von bis zu 160 Euro pro Monat zusätzlich zur Regelleistung von
345 Euro. Die GEZ und der RBB vertreten die Ansicht, dass in diesem Fall
Rundfunkgebühren gezahlt werden müssten – unabhängig davon, in welcher
Höhe die Zuschläge gezahlt werden.

Die Kläger Olga S. und Thomas M. hatten einige Monate lang zur Regelleistung
mit zwölf beziehungsweise sieben Euro monatlich kleinere Zuschläge erhalten.
Trotzdem sollten sie Rundfunkgebühren in Höhe von 17,03 Euro pro Monat ent-
richten. Beziehende von Leistungen nach SGB II, die keinen Zuschlag erhalten,
sind davon befreit.

„Der Zuschuss liegt deutlich unter der Gebühr, damit liegen Härtefälle vor“,
sagte der Anwalt der Kläger, Florian G., laut „Berliner Zeitung“ vom 29. März
2007. Der Anwalt der Gegenseite verwies dagegen für den RBB auf den Staats-
vertrag mit dem Land Berlin, wonach die Höhe des Zuschlags „unerheblich“ sei
und Ausnahmen laut Gesetz ausgeschlossen seien. Doch Richter Reinhard N.
erklärte, dass die Kläger gezwungen sein würden, ihre Grundleistungen anzu-
tasten: „Zehn Euro sind in solchen Bereichen viel Geld.“, beschied der Richter.

Auch würden die Betroffenen schlechter behandelt als andere Bezieher von
Leistungen nach dem SGB II. Dies verletze das Gleichheitsgebot. Der Richter
nannte die harte Auslegung „verfassungsrechtlich bedenklich“.

Der RBB kann in Berufung gehen. Dessen Anwalt gestand auch ein, dass
„irgendwann“ die verfassungsrechtliche Grenze bei der Auslegung der Sozial-
gesetze erreicht sei. Er schloss einen Kompromiss auf Bundesebene nicht aus,
hieß es in dem Artikel der „Berliner Zeitung“.

Drucksache 16/4996 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Handlungsbedarf leitet die Bundesregierung aus diesem Urteil für
sich ab?

2. Wird die Bundesregierung im Vorfeld der Verhandlungen zum nächsten
Rundfunkstaatsvertrag politisch initiativ werden, um den Prozess zu beför-
dern, den Staatsvertrag der aktuellen Rechtsprechung anzupassen?

Wenn ja, in welcher Weise?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 11. April 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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