BT-Drucksache 16/4889

Epigenetische Effekte in der Pflanzenzüchtung

Vom 28. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4889
16. Wahlperiode 28. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Edmund Peter Geisen, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich
(Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Michael Link (Heilbronn), Burkhardt Müller-Sönksen, Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Epigenetische Effekte in der Pflanzenzüchtung

Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz wurde vom Öko-Institut e. V. das
Gutachten „Epigenetische Effekte bei transgenen Pflanzen: Auswirkungen auf
die Risikobewertung“ erstellt. Das Gutachten ist als BfN-Skript 187 im vergan-
genen Jahr veröffentlicht worden.

Epigenetik bedeutet übersetzt „jenseits konventioneller Genetik“. Eine der ers-
ten Definitionen für Epigenetik stammt von Conrad Hal Waddington, einem
britischen Embryologen, der in der Mitte des letzten Jahrhunderts arbeitete. Die
Epigenetik befasst sich mit der Genregulation. Diese hat einen Einfluss darauf,
ob und wie die im Gen kodierte Information realisiert wird. Als epigenetische
Effekte werden erbliche Veränderungen der Genomfunktion bezeichnet, bei de-
nen keine Änderung der Sequenz der Nucleinsäuren erfolgt. Sie werden durch
biologischen Stress wie Trockenheit oder Hitze hervorgerufen. Ein bekanntes
Beispiel für das Auftreten eines epigenetischen Effektes war die Änderung der
Blütenfarbe bei dem 1990 vom Max-Planck-Institut in Köln durchgeführten
Freisetzungsversuch mit transgenen Petunien. Nach einer Hitzeperiode änderte
die Mehrzahl der lachsroten Petunien die Blütenfarbe. Epigenetische Effekte
werden in allen Organismengruppen beobachtet: Tieren, Pflanzen, Bakterien.
Sie sind nicht auf transgene Organismen beschränkt. Bestimmte epigenetische
Effekte haben bei Pflanzen u. a. die Funktion der Virusabwehr. In der Medizin
gewinnt die Beobachtung und Analyse epigenetischer Effekte an Bedeutung. Im
vergangenen Jahr wurde der Nobelpreis der Medizin an die amerikanischen

Wissenschaftler Andrew Z. Fire und Craig C. Mello verliehen, die die Gen-
Inaktivierung durch Doppelstrang-RNS nachgewiesen und damit eine weitere
Ursache für epigenetische Effekte aufgezeigt haben.

Im Gutachten wird herausgestellt, dass insbesondere Zellkulturen „genetische
Veränderungen und epigenetische Effekte auslösen können“ (S. 55), und deshalb
die Forderung aufgestellt, dass bei der Züchtung transgener Pflanzen keine Zell-
kulturen verwendet werden sollten. Das Arbeiten mit Zellkulturen (Gewebekul-

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turen) ist seit Jahrzehnten eine Standardtechnik der Pflanzenzüchtung und
Grundlage für verschiedene Züchtungstechniken. Das Auftreten dieser soma-
klonalen Variationen in den in Zellkulturen regenerierten Pflanzen wird bei der
Züchtung steriler Pflanzen wie zum Beispiel Bananen gezielt genutzt. Durch die
Technik der Zellkultur ist es möglich, Pflanzen aus Protoplastenfusionen einzel-
ner Zellen zu ziehen. Die Protoplastenfusion bietet die Möglichkeit, Pflanzen-
arten zu kreuzen, die auf herkömmlichem Weg nicht kreuzbar sind. Zum Bei-
spiel ist Triticale, eine wichtige Futterpflanze, eine Kreuzung von Weizen und
Roggen, durch somatische Hybridisierung entstanden. Zellkulturen werden wei-
terhin beim Erhalt von Sorten eingesetzt. Die Forderung im Gutachten nach der
Vermeidung von Zellkulturen bei der Züchtung transgener Pflanzen ist daher auf
Grund der langen Züchtungserfahrung mit der Anwendung von Zellkulturen
rational nicht begründbar.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welcher Begründung ist das Öko-Institut als Auftragnehmer für das
Gutachten „Epigenetische Effekte bei transgenen Pflanzen: Auswirkungen
auf die Risikobewertung“ ausgewählt worden?

2. Hat es zuvor eine Ausschreibung gegeben und wenn ja, welche Institutionen
haben sich für die Erstellung des Gutachtens beworben?

3. Mit welcher Begründung ist der Gutachterauftrag an ein Institut gegeben
worden, das selbst keine Arbeiten mit gentechnisch veränderten Pflanzen
durchführt?

4. Mit welcher Begründung ist der Gutachterauftrag nicht an Ressortfor-
schungseinrichtungen aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für
Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz, in denen gentechnische
Arbeiten durchgeführt werden, oder an andere Institute, in denen Züchtungs-
forschung betrieben wird, wie zum Beispiel das Max-Planck-Institut für
Züchtungsforschung in Köln oder das Max-Planck-Institut für molekulare
Pflanzenphysiologie in Golm vergeben worden?

5. Trifft es zu, dass die Leiterin der Abteilung Agro-Gentechnik im Bundesamt
für Naturschutz vor ihrem Eintritt in das Bundesamt Mitarbeiterin dieses
Instituts gewesen ist?

6. Wenn ja, hat diese Tatsache die Auswahl des Öko-Instituts als Auftrag-
nehmer des Gutachtens beeinflusst?

7. Wann wurde der Auftrag für das Gutachten erteilt, und was hat es gekostet?

8. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über das Auftreten epigene-
tischer Effekte bei zugelassenen transgenen und nicht-transgenen Sorten?

9. Welche Forschungsarbeiten gibt es an den Ressortforschungseinrichtungen
aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, die sich mit epigenetischen Effekten bei transgenen
und nichttransgenen Sorten beschäftigen?

10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass – entgegen allgemeinen
Aussagen im Gutachten (S. 52) – die Sicherheit der in der EU für Anbau und
Import zugelassenen transgenen Sorten gegeben ist und wenn nein, warum
nicht?

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis von konkreten Erfahrungen beim An-
bau zugelassener transgener Sorten sowie der Nutzung importierter Pro-
dukte von transgenen Pflanzen, die nach Auffassung der Bundesregierung
eine Änderung der Zulassungsverfahren für transgene Sorten erforderlich

machen und wenn ja, welche konkreten Erfahrungen sind dies?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4889

12. Ist die Verwendung einer bestimmten Zuchtmethode Garantie dafür, dass
die gezüchteten Sorten sicher sind, das heißt keine negativen Auswirkungen
auf die Umwelt haben und insbesondere der Verzehr nicht gesundheitsge-
fährdend ist?

13. Weshalb ist die Zulassung der herkömmlich gezüchteten Kartoffelsorte
Lenape zurückgezogen worden?

14. Wie bewertet die Bundesregierung im Hinblick auf die weite Anwendung
von Zellkulturen in der gesamten Pflanzenzüchtung einschließlich der Er-
haltungszüchtung den Vorschlag im Gutachten, speziell bei der Züchtung
transgener Pflanzen auf Zellkulturen zu verzichten?

15. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung, Sorten, die unter Verwendung
von Zellkulturen gezüchtet wurden, weniger sicher als andere, und welche
Beispiele gibt es?

16. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Gutachten?

Berlin, den 28. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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