BT-Drucksache 16/4855

Unternehmensteuerreform für Investitionen und Arbeitsplätze

Vom 28. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4855
16. Wahlperiode 28. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae,
Birgitt Bender, Alexander Bonde, Dr. Thea Dückert und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unternehmensteuerreform für Investitionen und Arbeitsplätze

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Beschluss des Kabinetts zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 war
von vielstimmiger Kritik aus den Koalitionsfraktionen aber auch von Regie-
rungsmitgliedern und von Seiten der Bundeskanzlerin begleitet. Ganz offen-
sichtlich ist die Koalition aus CDU, CSU und SPD von ihren eigenen Vorschlä-
gen nicht überzeugt und zweifelt, ob die gewünschten Wirkungen für mehr
Investitionen und Arbeitsplätze auch tatsächlich erzielt werden können.

So fordert der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, in
einer Protokollnotiz zum Kabinettbeschluss, die Mittelstandslücke der Reform
zu schließen (Financial Times Deutschland, 14. März 2007). Die Bundeskanzle-
rin, Dr. Angela Merkel, forderte, dass „im Gesetzgebungsverfahren noch Ver-
besserungen erreicht werden müssen, was Forschung und Entwicklung angeht“
(AFP, 13. März 2007). Teile der SPD-Bundestagsfraktion fordern, dass der
„Körperschaftsteuersatz von 25 nur auf 19 und nicht auf 15 Prozent sinken“ soll,
um die Steuerausfälle zu begrenzen (TAZ, 21. März 2007).

Darüber hinaus wird das Steuerrecht mit der Unternehmensteuerreform deutlich
komplizierter und bürokratischer. Der Normenkontrollrat beklagt, es gäbe bei
der drastischen Kürzung der Sofortabschreibungen für geringwertige Wirt-
schaftsgüter ein „deutliches Missverhältnis“ zwischen den dauerhaften bürokra-
tischen Belastungen für drei Millionen kleine und kleinste Unternehmen sowie
Selbständige und der einmaligen Mehreinnahme für den Fiskus (Handelsblatt,
26. März 2007).

Trotz der monatelangen intensiven Diskussion haben die Koalitionsfraktionen
offensichtlich keine Fortschritte bei der Klärung ihrer strittigen Punkte gemacht
und die Probleme und Widersprüche nicht lösen können.

Damit sind die Koalitionsfraktionen an ihren selbst gesetzten steuerpolitischen
Zielen auf ganzer Linie gescheitert. Das betrifft vor allem die folgenden Punkte:

● Statt einer „nachhaltigen Sicherung der deutschen Steuerbasis“ (Koalitions-

vertrag vom 11. November 2005, S. 69) verursacht die Steuerreform milliar-
denschwere Steuerausfälle und damit Risiken für die öffentlichen Haushalte.

● Statt „weitgehender Rechtsform- und Finanzierungsneutralität“ (Koalitions-
vertrag vom 11. November 2005, S. 69) führt die Art und Weise, wie die
Abgeltungssteuer ausgestaltet ist, zu einer eklatanten Benachteiligung von
Eigenkapital. Die Mittelstandkomponente läuft weitgehend ins Leere.

Drucksache 16/4855 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Statt einer „Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Eu-
ropatauglichkeit“ (Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, S. 69) werden
die steuerlichen Bedingungen für Realinvestitionen in Deutschland ver-
schlechtert und durch die angedrohte Besteuerung des Gewinnpotentials bei
Funktionsverlagerungen neue europarechtliche Risiken aufgebaut.

● Statt einer „Entlastung der Bürger und der Wirtschaft von Bürokratiekosten“
(Koalitionsvertrag vom 11. November 2005, S. 62) wird die Unternehmen-
steuerreform das Steuerrecht deutlich komplizieren und den Unternehmen
neue Bürokratielasten aufbürden.

Statt einer „Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten“ (Koalitionsvertrag
vom 11. November 2005, S. 69) werden mit hoch komplizierten Instrumenten
wie der „Zinsschranke“ neue Felder der Steuergestaltung eröffnet und anstatt der
zugesagten „steuerlich attraktiven Rahmenbedingungen“ für Innovationen (Ko-
alitionsvertrag vom 11. November 2005, S. 16) werden innovativen Unterneh-
men mit verschärften „Verlustwegfallklauseln“ neue Steine in den Weg gelegt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

eine aufkommensneutrale Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform
vorzulegen, die von den Unternehmen finanziert wird, die von der Absenkung
der Unternehmensteuersätze profitieren und dabei folgende gesetzliche Rege-
lungsvorschläge zu berücksichtigen:

● Die Steuersatzsenkung soll durch die Einschränkung von Gestaltungsmög-
lichkeiten aufkommensneutral im Unternehmensbereich gegenfinanziert
werden. Unter anderem sind dazu die steuerlichen Subventionen für Arbeits-
platzverlagerungen abzubauen.

● Die Reform muss eine wirksame und unbürokratische Mittelstandkompo-
nente erhalten, die an der Sicherung von Beschäftigung und der Neuschaf-
fung von Arbeitsplätzen orientiert ist. Für jeden sozialversicherungspflichti-
gen Arbeitnehmer sollen pro Jahr 10 000 Euro steuerfrei in eine Gewinnrück-
lage eingestellt werden können. Die maximale Höhe der Rücklage soll
250 000 Euro betragen.

● Sollte eine Abgeltungssteuer eingeführt werden, dann muss diese so ausge-
staltet sein, dass keine weitere Benachteiligung der Eigenkapitalfinanzierung
gegenüber der Fremdkapitalfinanzierung entsteht und dass es nicht zu Nach-
teilen für die private Altersvorsorge kommt.

● Die drastische Einschränkung der Sofortabschreibungen für geringwertige
Wirtschaftsgüter auf 100 Euro und die Abschaffung der degressiven Ab-
schreibungen soll gestrichen werden. Die Befristung der höheren degressiven
Abschreibungen auf Ausrüstungsgüter ist zur Stärkung der Investitionsdy-
namik aufzuheben.

● Die Unternehmensteuerreform darf nicht zu unverhältnismäßigen bürokrati-
schen Mehrbelastungen der Wirtschaft führen. Die Empfehlungen des Nor-
menkontrollrates sollen bei den Maßnahmen zur Verbreiterung der Bemes-
sungsgrundlage der Unternehmensteuern berücksichtigt werden.

● Zu einer Benachteiligung von innovativen Unternehmen darf es nicht kom-
men, denn dies schadet der Innovationsfähigkeit und der Wachstumsdynamik
der Wirtschaft insgesamt. So sollen für innovative Unternehmen bei Übertra-
gung und Verkauf von Anteilen und Neuinvestition von Kapital die Verlust-
vorträge voll erhalten bleiben. Die beschränkenden Regelungen beim Man-
telkauf sollen für diese Unternehmen nicht greifen.

Berlin, den 27. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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