BT-Drucksache 16/4737

Chancen für Frauen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt verbessern

Vom 20. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4737
16. Wahlperiode 20. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Patrick
Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit
Homburger, Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Harald
Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg
Rohde, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Chancen für Frauen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Europäische Rat hatte bei seiner Tagung im März 2000 neue Ziele mit Blick
auf eine wirtschaftliche, soziale und ökologische Erneuerung in der Europäi-
schen Union festgelegt, um Europa zum dynamischsten und wettbewerbsfähigs-
ten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen, der fähig ist, ein
dauerhaftes Wirtschaftswachstum, sozialen Zusammenhalt und die Verringe-
rung der Armut zu erzielen. Ein wichtiger Faktor hierbei ist die Beschäftigungs-
quote von Frauen. Obwohl das Bildungsniveau von Frauen mit 59 Prozent der
Hochschulabsolventen in zunehmendem Maße über dem der Männer liegt, be-
trägt das durchschnittliche Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in der er-
weiterten Europäischen Union 15 Prozent (vgl. den Bericht der Kommission an
den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozial-
ausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Gleichstellung von Frauen und
Männern – 2007 (KOM(2007)49 endgültig). In der Bundesrepublik Deutsch-
land liegt der Verdienstabstand zwischen angestellten Frauen und Männern im
Produzierenden Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe in den
einzelnen Leistungsgruppen zwischen 11 und 22 Prozent (Statistisches Bundes-
amt, Im Blickpunkt, Frauen in Deutschland 2006, Wiesbaden 2006, S. 51). Eu-

ropaweit beträgt der Anteil von Frauen innerhalb der selbstständig Tätigen
28 Prozent; nur 2,5 Prozent der Unternehmerinnen – im Gegensatz zu 8 Prozent
der Unternehmer – beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch im Mit-
telstand ist der Frauenanteil im internationalen Vergleich mit 12 Prozent inner-
halb der Führungskräfte gering (Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12. März
2007, S. 13 m. w. N.; vgl. im Übrigen auch die 2. Bilanz Chancengleichheit,
Frauen in Führungspositionen vom Februar 2006). In den Vorständen der DAX-

Drucksache 16/4737 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Unternehmen findet sich kein einziges weibliches Vorstandsmitglied. Der Fahr-
plan für die Gleichstellung von Frauen und Männern für 2006 – 2010 der Euro-
päischen Kommission (KOM (2006) 92 endg.) und der Europäische Pakt für die
Gleichstellung der Geschlechter vom März 2006 (Schlussfolgerungen des Vor-
sitzes, 7775/1/06/REV 1) zeigen die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten, sich
für Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung von Frauen einzusetzen und
eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu gewährleisten.
Gleichstellungsgesetze tragen nicht zur Verbesserung der Situation bei. So zeigt
der Erste Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundesgleichstellungs-
gesetz gemäß § 25 BGleiG (Berichtszeitraum 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2004),
dass der Frauenanteil in den Dienststellen der Bundesverwaltung bei rund
45 Prozent liegt, sich Frauen nach wie vor häufiger in Beschäftigungsverhältnis-
sen mit geringem Einkommen und schlechteren Karrieremöglichkeiten finden.
Zwar konnte der Anteil der Abteilungsleitungen in den obersten Bundesbehör-
den von 9 Prozent auf 15 Prozent gesteigert werden, doch wird das Angebot der
Teilzeitbeschäftigung fast ausschließlich von Frauen in Anspruch genommen.
Der öffentliche Dienst hat daher trotz des Bundesgleichstellungsgesetzes seine
Potenziale, frauen- und familienfreundlicher zu werden, noch nicht voll ausge-
schöpft. Gender Mainstreaming muss im öffentlichen Dienst, dem insoweit eine
Vorreiter- und Vorbildfunktion zukommt, konsequent umgesetzt werden.

Der Schlüssel zur Steigerung der Beschäftigungsquote und der Minimierung der
Einkommensunterschiede von Frauen liegt in der besseren Vereinbarkeit von
Familie und Beruf. Arbeitszeiten müssen den Lebens- und Familienphasen von
Frauen und Männern gleichermaßen besser angepasst werden. Lebensarbeits-
zeitmodelle einschließlich der Ermöglichung von Sabbaticals und der Möglich-
keit des Ansparens von Arbeitszeiten für Familienphasen müssen ausgebaut
werden. Besondere Unterstützung müssen junge Mütter mit Blick auf eine Aus-
bildung und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erfahren. Nach § 8
Abs. 1 des zum 1. Januar 2005 geänderten Berufsbildungsgesetzes hat die zu-
ständige Stelle auf gemeinsamen Antrag des oder der Auszubildenden die Aus-
bildungszeit zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der
gekürzten Zeit erreicht wird; bei berechtigtem Interesse kann sich der Antrag
auch auf die Verkürzung der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit rich-
ten (Teilzeitberufsausbildung). Ein solches berechtigtes Interesse wird in der
Praxis etwa bei Auszubildenden bejaht, die ein eigenes Kind oder einen pflege-
bedürftigen nahen Angehörigen zu betreuen haben.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. darauf hinzuwirken, dass gerade im Europäischen Jahr der Chancengleich-
heit für alle (2007) und vor dem Hintergrund der Unterzeichnung der Charta
„Diversity als Chance – Die Charta der Vielfalt der Unternehmen in Deutsch-
land“ am 13. Dezember 2006 insbesondere die Gleichberechtigung von
Frauen am Arbeitsmarkt gefördert wird;

2. Frauen als Unternehmerinnen bei der Existenzgründung zu fördern und zu
unterstützen und darauf hinzuwirken, dass Angebote in Schulen, Hochschu-
len und in der beruflichen Bildung Frauen frühzeitig für eine berufliche
Selbstständigkeit sensibilisieren, und die beim Elterngeld enthaltene Diskri-
minierung der Selbstständigen abzubauen;

3. im Rahmen des lebenslangen Lernens auf eine modularisierte Aus-, Fort- und
Weiterbildung hinzuwirken, damit Frauen ihre Lebensverlaufsmodelle frei
wählen und sich nach Familienphasen weiter qualifizieren können;

4. an die Tarifparteien zu appelieren, sich für flexible Arbeitszeiten einzusetzen,
damit Familien- und Erwerbsphasen besser vereinbar werden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4737

5. umfassende Erhebungen zur Einkommensungleichheit zwischen Frauen
und Männern vorzulegen, um auf dieser Basis an die Tarifpartner zu appel-
lieren, Strategien zur Überwindung dieser Lohnungleichheiten vorzulegen
und umzusetzen;

6. für eine Teilzeitausbildung und -umschulung von jungen Müttern zu werben
und erfolgreiche Projekte öffentlich bekannt zu machen und zu unterstützen,
damit gerade jungen Frauen die eigene Existenzsicherung ermöglicht wird;

7. als Sofortmaßnahme im Rahmen der bestehenden Ausbildungsförderung
für junge Menschen ein Baby-BAFöG einzuführen, wonach jeder Mutter,
die BAFöG bezieht, die Möglichkeit eingeräumt wird, anstelle des jetzt vor-
gesehenen Darlehensteilerlasses nach Abschluss des Studiums für die
Dauer ihres BAFöG-Bezugs eine Zulage von 280 Euro im Monat zu bezie-
hen, und sich bei den Hochschulen, Ländern und Gemeinden für einen qua-
litativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung an Hochschulen
bzw. an Hochschulstandorten einzusetzen;

8. sich gemeinsam mit Ländern und Kommunen und Unternehmen für innova-
tive, flexible und qualitativ hochwertige Angebote der Kinderbetreuung ein-
zusetzen;

9. im Rahmen der Berufsberatung gemeinsam mit den Ländern darauf hinzu-
wirken, dass Mädchen und junge Frauen auf Wirtschafts- und Ausbildungs-
zweige hingewiesen werden, in denen bislang vor allem Männer tätig sind;

10. Geschlechtergerechtigkeit zu einem Leitprinzip bei der anstehenden Struk-
turreform des öffentlichen Dienstrechts zu machen, um diskriminierungs-
freie und familiengerechte Verhältnisse auch bei der Bezahlung und der
Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst zu ermög-
lichen und Programme zu entwickeln, damit die Teilzeitbeschäftigung von
Frauen eine andere Gewichtung erfährt.

Berlin, den 20. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.