BT-Drucksache 16/4736

Bodenschutzrahmenrichtlinie aktiv mitgestalten - Subsidiarität sichern, Verhältnismäßigkeit wahren

Vom 20. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4736
16. Wahlperiode 20. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut
Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Patrick
Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max
Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Bodenschutzrahmenrichtlinie aktiv mitgestalten – Subsidiarität sichern,
Verhältnismäßigkeit wahren

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Europäische Kommission hat am 22. September 2006 den Vorschlag für
eine Richtlinie zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz vor-
gelegt (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung
der Richtlinie 2004/35/EG; KOM(2006) 232 endg.; Ratsdok. 13388/06).

Der Deutsche Bundestag begrüßt grundsätzlich den Ansatz der Europäischen
Union, den Bodenschutz EU-weit zu stärken und hat zur Kenntnis genommen,
dass sich eine Mehrheit der Mitgliedstaaten in der Orientierungsdebatte des
Rates am 20. Februar 2007 für rechtsverbindliche Vorgaben zum Bodenschutz
unter Wahrung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit auf EU-Ebene aus-
gesprochen hat. Es ist im deutschen Interesse, dass in allen EU-Staaten ein
angemessenes Bodenschutzrecht gilt, damit deutsche Unternehmen im Standort-
wettbewerb keine unbilligen Nachteile erleiden. Eine solche Regelung soll hin-
sichtlich des Bodenschutzes gemeinsame Grundsätze verankern, die vorhande-

nen Lücken im Bereich der EU-Rechtsetzung schließen und die Subsidiarität
beachten. Dazu ist das Instrument einer Rahmenrichtlinie prinzipiell sachge-
recht, weil detaillierte Vorgaben auf EU-Ebene der hohen Bodendiversität sowie
den regional unterschiedlichen Problemlagen in Europa nicht ausreichend Rech-
nung tragen können.

Drucksache 16/4736 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Gegen den Richtlinienvorschlag bestehen erhebliche Bedenken. So hat der
Bundesrat mit Beschluss vom 15. Dezember 2006 (Bundesratsdrucksache 696/
06) sowie neuerlich mit Beschluss vom 16. Februar 2007 dezidiert kritisch ge-
gen den Richtlinienvorschlag Stellung genommen. Die bestehenden Bedenken
und Kritikpunkte konnte auch die Bundesregierung in Beantwortung der Klei-
nen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Gestaltung der EU-Bodenschutz-
rahmenrichtlinie mit Blick auf Bürokratievermeidung“ (Bundestagsdrucksache
16/4336 vom 16. Februar 2007) nicht ausräumen.

Mit Blick auf den vorliegenden Richtlinienentwurf ist hervorzuheben, dass

– in Deutschland durch die bodenschutzrechtlichen Anforderungen und durch
die Verankerung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen bereits ein
hoher Standard im vor- und nachsorgenden Bodenschutz erreicht worden ist
und in weiten Bereichen das Anliegen der Richtlinie materiell bereits erfüllt
ist;

– Regelungen und Anforderungen auf EU-Ebene, welche über die in Deutsch-
land vorhandenen Anforderungen und Vorleistungen des vor- und nachsor-
genden Bodenschutzes hinausgehen, grundsätzlich nicht erforderlich sind;

– der integrative Ansatz in Artikel 3 des Richtlinienvorschlags, welcher eine
Berücksichtigung des Bodenschutzes in anderen Politikbereichen vorsieht, in
Deutschland heute schon u. a. im Immissionsschutzrecht, im Planungsrecht,
im Abfallrecht und Düngemittelrecht sowie in anderweitigen Verpflichtun-
gen, namentlich den Regelungen zu „Cross Compliance“, praktiziert wird;

– die in Artikel 4 des Richtlinienvorschlags geregelte Verpflichtung von Land-
nutzern zu Vorsorgemaßnahmen gegen nachteilige Auswirkungen auf den
Boden in Deutschland bereits u. a. durch die §§ 7 und 17 des Bundesboden-
schutzgesetzes umgesetzt wird. Ein Bedarf an darüber hinausgehenden Rege-
lungen ist nicht ersichtlich;

– die in Kapitel II des Richtlinienvorschlags geforderten Vorsorgeanforderun-
gen für bestimmte Bodengefahren wegen der sehr unterschiedlichen regiona-
len Gegebenheiten besser auf nationaler Ebene zu regeln sind und in
Deutschland bereits durch die Vorgaben der Guten Fachlichen Praxis und die
anderweitigen Verpflichtungen im Rahmen der „Cross Compliance“ erfüllt
werden. EU-weite Vorgaben für die Ausweisung von Risikogebieten sind zur
Abwehr solcher Gefahren nicht erforderlich;

– mit Blick auf Kapitel III „Bodenverunreinigung“ des Richtlinienvorschlags
hervorzuheben ist, dass auf Grund der über zwanzigjährigen Erfahrung im
Umgang mit Bodenverunreinigungen in Deutschland, insbesondere auf
Ebene der Bundesländer, bereits umfangreiche Leistungen erbracht worden
sind. Dies betrifft vor allem Erhebungen von altlastrelevanten Standorten,
Gefährdungsabschätzungen und Sanierungsmaßnahmen sowie Forschungs-
und Entwicklungsvorhaben;

– es nicht sinnvoll ist, Standorte von Anlagen zur integrierten Vermeidung und
Verminderung der Umweltverschmutzung (so genannte IVU-Anlagen) pau-
schal und a priori als potentiell kontaminierte Standorte anzusehen und zu
veröffentlichen;

– die vorgesehene Pflicht zur Erstellung eines Bodenberichts im Grundstück-
verkehr abzulehnen ist. Dies würde bei den Betroffenen zu erheblichen Be-
lastungen führen, ohne den Bodenschutz zu verbessern;

– die vorgesehenen Vorgaben für eine nationale Sanierungsstrategie verzicht-
bar sind. Die mit Blick auf Bodensanierungen in Deutschland geltenden
Regelungen sind bereits ausreichend;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4736

– der Aspekt eines sparsamen und schonenden Umgangs mit der Ressource
Boden bei den weiteren Verhandlungen über die Richtlinie auf EU-Ebene
relevant ist. In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, wie der
besonderen Bedeutung des Flächenrecyclings Rechnung getragen werden
kann;

– national bereits zahlreiche Erfolge bei der Stärkung des Verantwortungsbe-
wusstseins für den Boden in der Öffentlichkeit und bei einem Wissens- und
Erfahrungsaustausch zu verzeichnen sind. Die Bundesregierung wird er-
mutigt, sich für eine weitere Sensibilisierung der Öffentlichkeit gemäß Arti-
kel 15 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags und in geeigneter Form für die Ein-
richtung einer europaweiten Plattform zum Informationsaustausch zwischen
den Mitgliedstaaten einzusetzen, welche den Wissenstransfer fördert und
Synergien erschließt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf darauf hinzu-
wirken, dass

– sich die europäischen Vorgaben im Sinne der vorstehenden Kritikpunkte auf
das notwendige Mindestmaß beschränken;

– die Subsidiarität und der Erhalt des in Deutschland erreichten Bodenschutz-
standards gewahrt bleiben;

– das Verhältnis zu anderen einschlägigen EU-Rechtsakten, wie dem Umwelt-
schadenshaftungsrecht, dem Umweltinformationsrecht oder anderweitigen
Verpflichtungen im Rahmen der „Cross Compliance“ klar abgegrenzt wird
und keine widersprüchlichen Mehrfachregelungen erfolgen;

– Standards und Berichtspflichten im Verhältnis zu nationalen Rechtssetzun-
gen so geregelt werden, dass unverhältnismäßig hohe Kosten dadurch nicht
entstehen;

– ausschließlich Tätigkeiten, nicht aber Anlagentypen als potentielle Bodenge-
fährdungen benannt werden;

– auch bergbauliche Bodennutzungen, die mit einer Beeinträchtigung der
natürlichen Bodenfunktion einhergehen, dann zu ermöglichen sind, wenn
Rückstellungen für eine nachsorgende Wiederherstellung der Bodenfunktion
gebildet werden;

– durch eine Erweiterung der Definitionen um die verwendeten Grundbegriffe
(wie z. B. Erosion, Versalzung etc.) überhaupt eine Vergleichbarkeit der
Rechtslage in den EU-Mitgliedstaaten erreicht wird;

– der mit der Umsetzung der Richtlinie verbundene und bei den Betroffenen
entstehende bürokratische Aufwand auf das unerlässliche Maß beschränkt
wird;

– sich auf Basis der in Deutschland gewonnenen Erfahrungen konstruktiv in
den weiteren Verhandlungsprozess einzubringen und den Deutschen Bundes-
tag über den Fortgang der Beratungen zeitnah zu unterrichten.

Berlin, den 20. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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