BT-Drucksache 16/4605

Mehr Anreize beim Bürokratieabbau - Für eine Kostenerstattung staatlicher Pflichtdienste

Vom 7. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4605
16. Wahlperiode 07. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Birgit Homburger, Martin Zeil, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Horst
Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam
Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Michael
Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia
Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Mehr Anreize beim Bürokratieabbau – Für eine Kostenerstattung staatlicher
Pflichtdienste

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Staat überwälzt eine fast unüberschaubare Zahl administrativer Pflichten auf die
Unternehmen. Das reicht vom Berechnen, Verwalten und Abführen von Steuern und
Abgaben, über das Ausfüllen von amtlichen Formularen und Statistiken bis hin zu
diversen Aufzeichnungs-, Auskunfts- und Dokumentationspflichten. Während die
öffentliche Verwaltung sich in der Regel jeden Handschlag mit entsprechenden Ge-
bühren bezahlen lässt, sind die Unternehmen gesetzlich verpflichtet, diese Dienste
gratis zu erbringen. Insgesamt fallen in Deutschland jährlich rund 46 Mrd. Euro
Bürokratiekosten in der Wirtschaft an.

Der Mittelstand leidet besonders unter den zunehmenden Bürokratiebelastungen.
Trotz der Möglichkeit, Bürokratiekosten als Betriebsausgaben abzuziehen, ist die
Belastung gerade für die Unternehmen des Mittelstands unzumutbar. Nach Zahlen
des Instituts für Mittelstandsforschung entfallen 84 Prozent der Bürokratiekosten auf
kleine und mittlere Unternehmen. Die durchschnittliche Belastung eines Arbeitsplat-
zes in Kleinunternehmen liegt bei 4 361 Euro pro Jahr, während Großunternehmen

mit mehr als 500 Beschäftigten im Durchschnitt nur noch 354 Euro im Jahr für den
einzelnen Arbeitsplatz schultern müssen. Diese Regressivwirkung der Belastungen
belegt, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen sich zu Recht über den Büro-
kratiewust in Deutschland beklagen. So werden Handlungs- und Entscheidungsfrei-
heiten eingeschränkt, Existenzgründungen behindert und letztlich sogar Existenzen
gefährdet. Die stärkere Belastung kleiner Unternehmen bedeutet außerdem, dass die

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bürokratischen Lasten ein Einstellungshemmnis erster Güte sind. Denn gerade der
Mittelstand als Job-Motor wird überproportional mit Pflichtdiensten belastet.

Dieser Trend muss umgekehrt werden. Die Bundesregierung hat einige sinnvolle
Schritte unternommen, bürokratische Hemmnisse zu reduzieren. Dazu gehört sicher-
lich die Einrichtung des Normenkontrollrates. Doch dessen Befugnisse sind zu eng
begrenzt. Dass lediglich Informationspflichten überprüft werden können entspricht
nicht dem Ziel, Bürokratielasten umfassend und systematisch abzubauen.

Die Bundesregierung verzichtet weiterhin auf monetäre Anreize zum Abbau über-
flüssiger Bürokratie. Im Gegenteil: Die staatliche Verwaltung profitiert vielfach von
der kostenlosen Zuarbeit der Unternehmen. Gerade in neuen Gesetzgebungsverfah-
ren ist die Verführung groß, der Privatwirtschaft weitere bürokratische Lasten aufzu-
bürden, damit in Zeiten knapper Kassen der Bundeshaushalt geschont wird. Büro-
kratiekosten sind aber ein Wachstums- und Beschäftigungshemmnis. Es bleibt
abzuwarten, ob die Empfehlungen des Normenkontrollrates zu einem nachhaltigen
Abbau der Bürokratie führen. Da seine Ratschläge Empfehlungscharakter haben und
nicht bindend sind, ist der Anreiz für jede Regierung groß, sich darüber hinwegzu-
setzen.

Wenn die Regierung nicht in der Lage ist, die bürokratischen Lasten der Wirtschaft
zu reduzieren, dann müssen materielle Anreize zum Bürokratieabbau eingeführt
werden. Die administrativen Pflichtdienste sind eine Dienstleistung der Unterneh-
men gegenüber dem Staat. Deshalb ist es legitim darüber nachzudenken, dass der
Staat diese Dienste bezahlen muss. Erst wenn der Gesetzgeber spürt, welche Kosten
er auf die Unternehmen überwälzt, ist er möglicherweise bereit, in neuen Regelun-
gen weitere Belastungen zu vermeiden und Bürokratie gezielt abzubauen. Die Kos-
ten spürt er nur dann, wenn er sie – zumindest teilweise – übernehmen muss.

Für einen Teil dieser Pflichtdienste gibt es übrigens sogar Preise. Denn die Unter-
nehmen lassen vielfach die vom Staat auferlegten Bürokratiedienste von Steuer-
beratern erledigen. Und diese werden nach der Steuerberatergebührenverordnung
entlohnt, in der konkrete Preisvorgaben zum Beispiel für alle Arbeitsschritte im
Zusammenhang mit dem Lohnsteuerabzugsverfahren gemacht werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. ein konkretes Netto-Reduktionsziel für den Bürokratieabbau vorzugeben. Damit
soll sichergestellt werden, dass nicht an anderer Stelle Bürokratie aufgebaut wird
und das von der Bundesregierung geplante 25-Prozent-Ziel in Wirklichkeit ein
Nullsummenspiel ist;

2. den Normenkontrollrat zu ermächtigen, sämtliche Bürokratiekosten transparent zu
machen, indem die Beschränkung auf Informationspflichten aufgehoben wird;

3. über eine Bürokratiekostenerstattung für die Wirtschaft einen Anreizmechanis-
mus in der öffentlichen Verwaltung zu schaffen, über den eine ständige Verringe-
rung der Bürokratielasten erreicht werden kann;

4. zu prüfen, inwieweit die Steuerberatergebührenverordnung als Anhaltspunkt zur
realitätsnahen Vergütung der Bürokratiekosten der Unternehmen herangezogen
werden kann, und ob die dort festgeschriebenen Spannen sich zur größenspezifi-
schen Unterscheidung der Vergütung eignen.

Berlin, den 7. März 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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