BT-Drucksache 16/4539

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Pressefreiheit

Vom 6. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4539
16. Wahlperiode 06. 03. 2007

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Wolfgang Neskovic, Sevim Dag˘delen, Dr. Lothar Bisky, Ulla
Jelpke, Jan Korte, Kersten Naumann, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Pressefreiheit

A. Problem

Trotz des für das demokratische Gemeinwesen konstituierenden Schutzes der
Pressefreiheit kommt es immer wieder zu zweifelhaften Ermittlungsmaßnah-
men gegenüber Journalistinnen und Journalisten. Die Sachverhalte, auf die sich
die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dabei stützen, betreffen Kerntätigkei-
ten journalistischer Tätigkeit, namentlich die Recherche und Veröffentlichung
von für die Öffentlichkeit bedeutsamen Nachrichten.

In einer Studie des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) sind 164 Fälle aus
den Jahren 1987 bis 2000 erfasst, in welchen gegenüber Medienangehörigen
Durchsuchungen und Beschlagnahmen erfolgten.

Eine zentrale Rolle bei diesen Eingriffen in die Pressefreiheit kommt dem
Straftatbestand des Geheimnisverrats nach § 353b des Strafgesetzbuches
(StGB) in Verbindung mit der Beteiligungsform der Beihilfe zu.

Obwohl auch in den diesen Straftatbestand betreffenden Fällen massiv Ge-
brauch von den staatsanwaltlichen Eingriffsbefugnissen gemacht wurde, kam es
letztlich zu keiner Verurteilung eines Medienangehörigen wegen einer Teilnah-
me an einem Geheimnisverrat.

So wurden im Fall „Cicero“ die Redaktionsräume des Magazins und die Wohn-
räume des Autors deshalb durchsucht, weil dieser in einem Beitrag Inhalte eines
als „Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften Papiers des Bun-
deskriminalamtes zitierte.

Die Ermittlungsbehörden beschlagnahmten im Zuge des Verfahrens wegen Bei-
hilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses durch einen unbekannten Haupt-
täter 15 Kisten mit Recherchematerial sowie Festplatten bei dem Journalisten
bzw. in dessen Redaktion. Sämtliches Material stand in keinerlei Zusammen-
hang mit dem Fall, vielmehr wurden die Kisten als so genannte Zufallsfunde be-
schlagnahmt.

Das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden zeigt deutlich eine nicht hinnehm-

bare Lücke im Schutz der freien Presse.

Medienangehörigen steht zwar nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 der Strafprozessordnung
(StPO) ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zu, mit welchem nach § 97
Abs. 5 StPO ein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot korrespondiert. Letz-
teres entfällt aber gemäß § 97 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 StPO unter
anderem dann, wenn sich der Medienangehörige der Teilnahme an einer Straftat
verdächtig gemacht hat.

Drucksache 16/4539 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dadurch, dass die Veröffentlichung von als geheim eingestuften Dokumenten
durch Ermittlungsbehörden und Gerichte als Beihilfe zum Geheimnisverrat ge-
wertet wird, obwohl die Haupttat des Geheimnisverrats schon vollendet ist, wird
nicht nur der Beschlagnahmeschutz im gesamten Bereich des Geheimnisverrats
unter einfachen Voraussetzungen umgangen. Vielmehr kann sich letztlich jede
Journalistin und jeder Journalist, die oder der Dienstgeheimnisse veröffentlicht,
strafbar machen, obwohl sie oder er selbst keiner Geheimhaltungspflicht unter-
liegt.

Eigentliches Ziel der Ermittlungsmaßnahmen ist in vielen dieser Fälle jedoch
gar nicht die Strafverfolgung der Journalistinnen und Journalisten, denn es liegt
in der Natur der Pressetätigkeit, dass deren Beihilfehandlung in der Regel mit
der Veröffentlichung bereits bewiesen ist. Vielmehr dient die Konstruktion der
nachträglichen Beihilfe zum Geheimnisverrat vor allem dazu, die Geheimnis-
verräterin bzw. den Geheimnisverräter zu ermitteln. Gerade die erzwungene
Preisgabe der Identität der Informantin oder des Informanten soll aber durch
§ 97 Abs. 5, § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO verhindert werden.

Dadurch, dass die Exekutive einerseits als Herrin des Ermittlungsverfahrens
agiert und es ihr andererseits auch möglich ist, eine Information der Öffentlich-
keit zu entziehen, indem sie diese als geheim einstuft, besteht die Gefahr der
Aushöhlung der Pressefreiheit.

In diesen Fällen droht das Straf- und Strafprozessrecht zu einem Werkzeug zu
werden, welches den für die Demokratie charakteristischen Kontrollanspruch
der Öffentlichkeit gegenüber der staatlichen Gewalt massiv einschränkt.

Auch in anderer Hinsicht weist der Schutz von Medienangehörigen Mängel auf,
die geeignet sind, die Pressefreiheit zu beeinträchtigen.

Die Beschlagnahme in Redaktionsräumen darf nach bisheriger Rechtslage nur
durch eine Richterin oder einen Richter angeordnet werden. Dahingegen ist die
Beschlagnahme in den Privaträumen von Journalistinnen und Journalisten nach
den allgemeinen Regeln bei Gefahr in Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft
und deren Hilfsbeamte anordbar. Diese Differenzierung wird der Medienrealität
nicht gerecht, da sie ohne sachlichen Grund freie Journalistinnen und Journalis-
ten gegenüber den fest in einer Redaktion angestellten benachteiligt.

Medienangehörigen wird auch kein hinreichender Schutz gegenüber Maßnah-
men nach § 100h StPO zuteil. Während § 100h Abs. 2 Satz 1 StPO die Erteilung
einer Auskunft über Telekommunikationsverbindungen, die von oder zu Geist-
lichen, Verteidigern und Mitgliedern des Deutschen Bundestages oder eines
Landtages hergestellt wurden, untersagt, besteht ein solches Verbot bezüglich
der Verbindungen von Journalistinnen und Journalisten nicht.

Der von der Pressefreiheit umfasste Schutz vor der Preisgabe der Identität von
Informantinnen und Informanten bedarf jedoch ersichtlich auch in dem für die
journalistische Recherche zentralen Bereich der Telekommunikation eines wirk-
samen Ausdrucks.

B. Lösung

Ein durch die Pressefreiheit geschütztes Verhalten, welches sich nach allgemei-
nen Regeln als Anstiftung oder Beihilfe qualifizieren ließe, ist im Anwendungs-
bereich des § 353b StGB nicht rechtswidrig. Auf diese Weise wird die journalis-
tische Tätigkeit, die sich auf ein Geheimnis bezieht, von dem Unwerturteil des
Strafrechts befreit. Dadurch wird auch sichergestellt, dass das staatsanwaltliche

Eingriffsinstrumentarium nicht an die bloße Veröffentlichung von Inhalten, die
als geheim eingestuft werden, anknüpfen kann.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4539

In § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO wird ein dringender Tatverdacht der subjektiven
Strafverstrickung vorausgesetzt, um das Beschlagnahmeverbot bei dem zeug-
nisverweigerungsberechtigten Berufsgeheimnisträger entfallen zu lassen.

Durch die Ergänzung des § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO wird der Richtervorbehalt
zwingend für alle Anordnungen der Beschlagnahme bei Journalistinnen und
Journalisten eingeführt.

§ 98 Abs. 2 StPO schreibt für alle Beschlagnahmeanordnungen durch eine Rich-
terin oder einen Richter vor, dass diese schriftlich und unter Angabe ihrer tra-
genden Gründe zu ergehen haben.

Die Änderung des § 100h Abs. 2 Satz 1 StPO bewirkt die grundsätzliche Unzu-
lässigkeit des Verlangens einer Auskunft über Telekommunikationsdaten von
Medienangehörigen.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Berlin, den 6. März 2007
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert
durch Artikel 22 des Gesetzes vom 22. Dezember 2006
(BGBl. I S. 3416), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 353b Abs. 4 wird der folgende Absatz 5 einge-
fügt:

„(5) Wer bei der Vorbereitung, Herstellung oder Ver-
breitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Film-
berichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung
dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten
mitwirkt und dabei zu der Tat anstiftet oder Hilfe leistet,
handelt nicht rechtswidrig.“

2. § 353d Nr. 3 wird gestrichen.

Artikel 2

Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I
S. 3416) m. W. v. 31. Dezember 2006, wird wie folgt geän-
dert:

1. § 97 Abs. 2 Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht,
wenn die zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigten
einer Teilnahme oder einer Begünstigung, Strafvereitelung
oder Hehlerei dringend verdächtig sind oder wenn es sich
um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervor-
gebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder
bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.“

2. § 98 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in den
Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Dru-
ckerei, einer Rundfunkanstalt oder einer Wohnung
oder anderer Räume von Personen, denen ein Zeug-
nisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
zusteht, darf nur durch die Richterin oder den Richter
angeordnet werden.“

b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:

„(2) Die Anordnung der Beschlagnahme durch die
Richterin oder den Richter erfolgt schriftlich. In ihrer

Begründung sind einzelfallbezogen die Straftaten, auf
Grund derer die Maßnahme angeordnet wird, die kon-
kreten Anhaltspunkte, die den diesbezüglichen Tat-
verdacht ergeben und die wesentlichen Erwägungen
zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Be-
schlagnahme darzulegen.“

c) Die bisherigen Absätze 2, 3 und 4 werden die Absätze
3, 4 und 5.

3. § 100h wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt neu gefasst:

„Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht in den Fällen
des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 reicht, ist das
Verlangen einer Auskunft über Telekommunikations-
verbindungen, die von dem oder zu dem zur Verwei-
gerung des Zeugnisses Berechtigten hergestellt wur-
den, unzulässig; eine dennoch erlangte Auskunft darf
nicht verwertet werden.“

b) In Absatz 2 Satz 2 wird nach dem Wort „Hehlerei“ das
Wort „dringend“ eingefügt.

c) Nach Absatz 2 Satz 2 wird folgender Satz 3 eingefügt:

„Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53
Abs. 1 Nr. 5 genannten Personen reicht, gilt für das
Verlangen einer Auskunft über Telekommunikations-
verbindungen, die von dem oder zu dem zur Verwei-
gerung des Zeugnisses Berechtigten hergestellt wur-
den, § 97 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 entsprechend.“

4. § 105 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1 Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt:

„§ 98 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt entsprechend.“

b) Der bisherige Satz 2 Absatz 1 wird Satz 3.

5. § 108 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 einge-
fügt:

„§ 97 gilt entsprechend.“

b) Die bisherigen Sätze 2 und 3 des Absatzes 1 werden
die Sätze 3 und 4.

c) In § 108 Abs. 1 Satz 3 wird das Wort „hiervon“ durch
die Wörter „von einstweiligen Beschlagnahmen nach
Satz 1“ ersetzt.

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.
Drucksache 16/4539 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Pressefreiheit
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

ner Abwägung, ob und inwieweit die Erfüllung der publizis- Gerechtfertigt sind in Zukunft sowohl die Anstiftung als
tischen Aufgaben einen Vorrang der Medienfreiheit gegen-
über dem Interesse an einer rechtsstaatlich geordneten
Rechtspflege rechtfertigt und inwieweit die Presse- und die

auch die Beihilfe zum Geheimnisverrat, sofern sie im Zu-
sammenhang mit der journalistischen Tätigkeit erfolgen.

Ein gesetzgeberisches Handeln ist insoweit auch deshalb
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4539

Begründung

A. Allgemeines
Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind von besonde-
rer Bedeutung für den freiheitlichen Staat (vgl. BVerfGE 20,
162, 174). Dementsprechend gewährleistet Artikel 5 Abs. 1
Satz 2 des Grundgesetzes (GG) den im Bereich von Presse
und Rundfunk tätigen Personen und Organisationen subjek-
tive Freiheitsrechte und schützt darüber hinaus in seiner ob-
jektiv-rechtlichen Bedeutung auch die institutionelle Eigen-
ständigkeit der Presse und des Rundfunks – von der
Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nach-
richten und Meinungen (vgl. BVerfGE 10, 118, 121).

Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und der Rundfunk-
freiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfs-
tätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion
nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt
sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen
und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse bzw. Rund-
funk und den Informantinnen und Informanten (vgl.
BVerfGE 100, 313, 365).

Staatlichen Stellen ist es darüber hinaus grundsätzlich ver-
wehrt, sich Einblick in die Vorgänge zu verschaffen, die zur
Entstehung von Nachrichten oder Beiträgen führen, die in
der Presse gedruckt oder im Rundfunk gesendet werden (vgl.
BVerfGE 66, 116, 133 ff.). Deshalb besteht auch ein schutz-
würdiges Interesse der Medien an der Geheimhaltung sol-
cher Unterlagen, die das Ergebnis eigener Beobachtungen
und Ermittlungen sind (vgl. BVerfGE 77, 65, 75). Geschützt
ist auch der Kontakt zu Personen, die selbst Gegenstand der
Berichterstattung sind (NJW 2003, 1787, 1793).

Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet es jedoch nicht, Journa-
listinnen und Journalisten generell von strafprozessualen
Maßnahmen auszunehmen. Presse- und Rundfunkfreiheit
sind nicht unbegrenzt gewährleistet.

Auch die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden liegt im
öffentlichen Interesse und hat in einem Rechtsstaat hohe
Bedeutung (NJW 2003, 1787, 1794). Die grundsätzliche
Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs als Ausfluss
seines Gewaltmonopols ist notwendig zur Wahrung des
Rechtsfriedens.

Demgemäß finden die Rechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG
nach Artikel 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften
der allgemeinen Gesetze, zu denen die StPO und die sie er-
gänzenden Vorschriften zählen, mit ihrer prinzipiellen Ver-
pflichtung für jede Staatsbürgerin und jeden Staatsbürger zur
Wahrheitsermittlung im Strafverfahren beizutragen und die
im Gesetz vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen zu dulden
(NJW 2003, 1787, 1794).

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, das Spannungsverhältnis
zwischen den Grundrechten aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG
und den Erfordernissen einer wirksamen Strafrechtspflege
auszutarieren (BVerfGE 107, 299, 333). Es bedarf daher sei-

Der Gesetzgeber hat für das Strafverfahren besondere Rege-
lungen zum Schutz der publizistischen Betätigung geschaf-
fen. Dabei hat er hinsichtlich des Zeugnisverweigerungs-
rechts und anderer Sonderregelungen für Journalistinnen
und Journalisten zwischen verschiedenen Ermittlungsmaß-
nahmen differenziert. So ist eine Journalistin bzw. ein Jour-
nalist nach § 53 Abs.1 Nr. 5 StPO vollständig von der Zeug-
nispflicht entbunden, soweit die Person oder der Inhalt einer
Mitteilung einer Informantin oder eines Informanten betrof-
fen ist. Geht es um Schriftstücke oder Ähnliches, korrespon-
diert mit dem Zeugnisverweigerungsrecht ein Beschlagnah-
meverbot gemäß § 97 Abs. 5 StPO, wenn und soweit sich die
Unterlagen im Gewahrsam des zur Verweigerung des Zeug-
nisses Berechtigten befinden (NJW 2003, 1787, 1794).

Außerdem hat der Deutsche Bundestag in der 8. Legislatur-
periode durch die Abschaffung des § 353c Abs. 1 StGB a. F.
zum Ausdruck gebracht, dass er die öffentliche Bekanntma-
chung von Dienstgeheimnissen durch Nichtgeheimnisträger
nicht als strafwürdiges Unrecht ansieht.

Diese Entscheidungen des Gesetzgebers werden unter ande-
rem durch die Konstruktion der nachträglichen Beihilfe zum
Geheimnisverrat durch die Veröffentlichung des Geheimnis-
ses in der Praxis unterlaufen. Ihnen ist daher durch eine klar-
stellende Gesetzeslage und die Schließung verbleibender
Lücken bei dem Schutz der Pressefreiheit auf materieller wie
prozessualer Ebene Ausdruck zu verleihen.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Zu Nummer 1

In § 353b StGB wird ein neuer Absatz 5 eingefügt, der be-
stimmt, dass Anstiftung und Beihilfe zum Geheimnisverrat
nicht rechtswidrig sind, sofern sie in unmittelbarem Zusam-
menhang mit einer nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG ge-
schützten Tätigkeit erfolgen.

Dieser neue Rechtfertigungsgrund beschränkt sich nicht auf
den Personenkreis, dem das Zeugnisverweigerungsrecht
nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zusteht. Die Freiheiten des
Artikels 5 Abs. 1 Satz 2 GG differenzieren nicht danach, ob
eine ihrem Schutzbereich unterfallende Handlung berufs-
mäßig erfolgt oder nicht. Dem folgend ist auch nach dem
Entwurf ausschließlich das auf öffentliche Kommunikation
gerichtete Element, welches sich durch die Mitwirkung an
dem jeweiligen Erzeugnis ausdrückt, maßgeblich.

Durch die Entkriminalisierung wird sichergestellt, dass
gegenüber Medienangehörigen wegen der Veröffentlichung
eines Geheimnisses keinerlei Ermittlungsmaßnahmen erge-
hen können.
Rundfunkfreiheit ihrerseits an diesem Interesse ihre Grenzen
finden (vgl. BVerfGE 77, 65, 77).

notwendig, weil die Rechtsprechung entgegen weiten Teilen
der Literatur die Möglichkeit der Beihilfe zu einer Haupttat

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annimmt, die zwar bereits vollendet aber noch nicht beendet
ist (Tröndle/Fischer, StGB, § 353b Rn. 14; BGHSt 3, 40, 43).
Diese Auslegung des § 27 StGB begegnet über den hier zu
regelnden Bereich hinaus tiefgreifenden Bedenken. So liegt
ein Verstoß dieser Praxis gegen das Bestimmtheitsgebot aus
Artikel 103 Abs. 2 GG deshalb nahe, weil die Rechtsfigur
der Beendigung im positiven Recht keine Erwähnung findet,
die Strafbarkeit des Verhaltens also nicht gesetzlich be-
stimmt ist. Zudem erscheint es fragwürdig, ein Hilfeleisten
zu einer Tat anzunehmen, deren Tatbestandsmerkmale be-
reits vollständig erfüllt sind.

Zugleich wird durch den Entwurf der gesetzgeberischen Ent-
scheidung, den Geheimnisverrat durch Nichtamtsträger
straflos zu stellen, Wirkung verliehen.

Daher beschränkt sich der Entwurf nicht allein auf die Recht-
fertigung der nachträglichen Beihilfe. Andernfalls bestünde
angesichts der Schwierigkeit der genauen Bestimmung des
Tatzeitpunkts und der oftmals im Ermittlungsverfahren nicht
trennscharf möglichen Abgrenzung von Anstiftung und Bei-
hilfe auch eine bei dem Schutz der Pressefreiheit nicht hin-
nehmbare Lücke. So ist angesichts der Weite des Tatbestands
der Anstiftung und der Rechtsfigur der psychischen Beihilfe
die Gefahr, dass ein möglicher Kontakt der oder des Medien-
angehörigen zu dem Amtsträger im Vorfeld des Geheim-
nisverrats zur Umgehung der Entkriminalisierung und zur
Eröffnung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsinstru-
mentariums führen würde, durchaus nahe liegend. Ein straf-
würdiges Verhalten ist aber auch dann nur bei dem Amtsträ-
ger ersichtlich.

Zu Nummer 2

Aufgrund von § 353d Nr. 3 StGB kann bislang bestraft wer-
den, wer vorsätzlich den Wortlaut einer Anklageschrift oder
anderer amtlicher Schriftstücke eines Straf-, Bußgeld- oder
Disziplinarverfahrens ganz oder in wesentlichen Teilen
öffentlich mitteilt, bevor eine Hauptverhandlung stattgefun-
den hat oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Nicht erfasst wird hingegen die sinngemäße Wiedergabe des
Inhalts der Schriftstücke. Deshalb ist auch das Bundesver-
fassungsgericht der Auffassung, die Vorschrift gewährleiste
den Schutz der Betroffenen nur in sehr begrenztem Umfang
(BVerfGE 71, 206, 213). Schutzzweck der Norm ist neben
der Gewährleistung der Unbefangenheit der Verfahrens-
beteiligten auch die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der
Betroffenen (Tröndle/Fischer, StGB, § 353d Rn. 1). Beide
Rechtsgüter werden durch eine erlaubte sinngemäße Darstel-
lung des Inhalts der Schriftstücke ebenso tangiert wie durch
das wörtliche Zitat. Die Strafvorschrift ist mangels Geeignet-
heit zur Erreichung ihres Zwecks auch deshalb zu streichen,
weil sie mit dem Auftrag der Medien, die Öffentlichkeit
wahrheitsgemäß zu unterrichten, kollidiert.

Zu Artikel 2

Zu Nummer 1

Nach der geltenden Fassung des § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO
genügt der einfache Tatverdacht der Beteiligung des Zeug-
nisverweigerungsberechtigten an einer Straftat, um das zu
seinen Gunsten bestehende Beschlagnahmeverbot entfallen

lichkeit einer Straftat hindeuten, aus. Diese niedrigen Vor-
aussetzungen führen dazu, dass schwerwiegende Eingriffe in
das geschützte Vertrauensverhältnis ohne eine verlässliche
Tatsachengrundlage möglich sind. Hierdurch wird auch die
spätere gerichtliche Überprüfung von Ermittlungsmaßnah-
men erschwert, da die Annahme eines einfachen Tatver-
dachts nur schwer zu widerlegen ist. Ohne die Erhöhung der
Voraussetzungen der Beschlagnahme bestünde zudem die
Gefahr, dass die materiellrechtliche Entkriminalisierung im
Rahmen des § 353b Abs. 5 StGB hinsichtlich ihrer prozessu-
alen Folgewirkungen leer liefe, weil sich ansonsten aus der
zur Begründung eines einfachen Tatverdachts ausreichenden
Tatsachenbasis Umgehungen dieser gesetzgeberischen Ent-
scheidung konstruieren ließen. So könnte leicht der Verdacht
der Beteiligung an einem Verrat von Privat- oder Geschäfts-
geheimnissen i. S. d. § 203 StGB entstehen, wenn von dem
Themenkomplex, auf den sich die Ermittlungen beziehen,
nicht – wie in den seltensten Fällen – ausschließlich öffent-
liche Interessen berührt werden. Zudem ließe sich über die
Annahme eines Tatverdachts wegen Hehlerei gegen die
Journalistin oder den Journalisten vorgehen, wenn ihr bzw.
ihm eine Behördenakte oder auch nur ein Datenträger aus
Behördenbeständen zugesteckt würde (vgl. Tröndle/Fischer,
StGB, § 259 Rn. 5).

Angesichts der hierdurch drohenden Gefahren für die Pres-
se- und Rundfunkfreiheit ist diesen Umgehungsmöglichkei-
ten auf prozessualem Wege durch das Erfordernis der Ermitt-
lung einer aussagekräftigen Tatsachenbasis zu begegnen.

Von dieser verfahrensrechtlichen Änderung profitieren nicht
nur die Medienangehörigen, sondern alle Zeugnisverweige-
rungsberechtigten, die dem Schutz des § 97 StPO unter-
fallen. Der Gesetzgeber hat durch die ihnen zustehenden
Zeugnisverweigerungsrechte und entsprechenden Beschlag-
nahmeverbote den Schutz bestimmter zur Grundrechtsaus-
übung notwendiger Vertrauensbeziehungen zum Ausdruck
gebracht. Diese Entscheidung kann nicht nur im Bereich der
Medien leicht unterlaufen werden, das Genügen eines einfa-
chen Verdachts der Beteiligung an einer Straftat führt viel-
mehr zu Lücken beim Schutz aller privilegierten Vertrauens-
beziehungen. Dies zeigt auch die mehrmalige Befassung des
Bundesverfassungsgerichts mit rechtswidrigen Durchsuchun-
gen und Beschlagnahmen bei Rechtsanwälten (zuletzt Urteil
vom 7. September 2006, 2 BvR 1141/05).

Zu Nummer 2

Für die Beschlagnahme bei freien Journalistinnen und Jour-
nalisten, die ihrer Arbeit nicht in den Räumen einer Redak-
tion nachgehen, galt bisher die allgemeine Anordnungskom-
petenz nach § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO, wohingegen die
Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 StPO in den Räu-
men einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder
einer Rundfunkanstalt gemäß der Sonderregelung des § 98
Abs. 1 Satz 2 StPO nur durch die Richterin oder den Richter
angeordnet werden durfte. Diese Ungleichbehandlung ist
aufzuheben, weil sie unter Verkennung der Medienrealität zu
Lücken in der grundrechtssichernden Ausgestaltung des Be-
schlagnahmeverfahrens führt.

Zugleich werden in dem neu eingefügten Absatz 2 allge-
meingültig die formellen und inhaltlichen Anforderungen an
zu lassen. Zur Annahme eines einfachen Tatverdachts rei-
chen bereits tatsächliche Anhaltspunkte, die auf die Mög-

einen richterlichen Beschlagnahmebeschluss festgeschrie-
ben. Dieser hat zwingend schriftlich und unter Angabe der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4539

ihn tragenden Gründe zu erfolgen. Die Kodifizierung der
inhaltlichen Anforderungen dient dazu, überprüfbar zu
gewährleisten, ob die Voraussetzungen der Beschlagnahme
zum Zeitpunkt ihres Erlasses vorlagen. Insgesamt wird so
lediglich die geltende Rechtslage nach § 34 StPO verdeut-
licht. Neu ist demgegenüber, dass die Anordnung durch die
Richterin oder den Richter zwingend schriftlich zu erfolgen
hat. Allerdings ergehen richterliche Beschlagnahmeanord-
nungen in der Praxis bereits jetzt nahezu ausnahmslos in
Schriftform und auch die Literatur geht davon aus, dass die
richterliche Anordnung der Beschlagnahme in der Regel
schriftlich erfolgt (Meyer-Goßner, StPO, § 98 Rn. 8). Es
steht also nicht zu befürchten, dass der Zugewinn an Trans-
parenz durch nennenswerten Mehraufwand der Justiz er-
kauft wird.

Zu Nummer 3

Die vorgeschlagene Änderung des § 100h Abs. 2 Satz 1 StPO
stellt die nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO zeugnisverwei-
gerungsberechtigten Personen den in § 53 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, 2 und 4 StPO genannten gleich. Dadurch wird auch die
Anordnung der Erteilung einer Auskunft über Telekommu-
nikationsverbindungsdaten von oder zu Medienangehörigen
unzulässig, soweit deren Zeugnisverweigerungsrecht reicht.

§ 97 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Absatz 2 Satz 3 StPO entspre-
chend entfällt der Schutz vor der Anordnung der Erteilung
der Auskunft jedoch dann, wenn der Medienangehörige

einer Teilnahme, einer Begünstigung, Strafvereitelung oder
Hehlerei dringend verdächtig ist.

Durch die Neufassung wird auch im Bereich des § 100h
StPO das Schutzniveau zu Gunsten aller betroffenen Berufs-
geheimnisträger gesteigert.

Durch den neuen Satz 3 erfolgt eine Harmonisierung mit
§ 97 Abs. 5 Satz 2 StPO, indem die besondere Bedeutung
der Freiheiten des Artikels 5 Abs. 1 Satz 2 GG hervorgeho-
ben wird.

Zu Nummer 4

Der Verweis auf § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO gilt der Klarstel-
lung, dass auch die Durchsuchung von Redaktionsräumen
oder Wohnungen von Medienangehörigen nur durch die
Richterin oder den Richter angeordnet werden darf. Der Ver-
weis auf § 98 Abs. 2 StPO soll die Erfüllung gleichwertiger
inhaltlicher und formeller Anforderungen wie bei der Be-
schlagnahmeanordnung auch für die Anordnung der Durch-
suchung sicherstellen.

Zu Nummer 5

Die Änderung des § 108 StPO schreibt die geltende Rechts-
lage fest und dient daher ausschließlich der Klarstellung
(vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 108 Rn. 4).

Zu Artikel 3

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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