BT-Drucksache 16/4490

Keine Unterstützung von Militäreinsätzen aus dem Europäischen Entwicklungsfonds

Vom 1. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4490
16. Wahlperiode 01. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Alexander Ulrich, Monika Knoche, Hüseyin-
Kenan Aydin, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Dr. Hakki Keskin,
Katrin Kunert, Michael Leutert, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln),
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Keine Unterstützung von Militäreinsätzen aus dem Europäischen
Entwicklungsfonds

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf Beschluss vom 11. Dezember 2003 des AKP-EG-Ministerrats wurde 2004
die so genannte Afrikanische Friedensfazilität (AFF) eingerichtet und für die
Laufzeit von 2004 bis 2007 mit 250 Mio. Euro ausgestattet. Die Mittel werden
dem 9. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) entnommen; sie sind damit
nicht Bestandteil des EU-Haushalts und werden weitgehend ohne parlamen-
tarische Kontrolle beschlossen. Etwas mehr als die Hälfte der AFF-Mittel wird
dabei von den AKP-Staaten (Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik) aus
dem ihnen zugewiesenen Finanzrahmen aufgebracht (entspricht 1,5 Prozent der
zugewiesenen Mittel), die andere, knappe Hälfte entstammt den Reserven aus
den nicht zugewiesenen Mitteln des EEF. Die Friedensfazilität unterstützt den
Aufbau einer Afrikanischen Eingreiftruppe und die Durchführung friedens-
erhaltender Maßnahmen der Afrikanischen Union (AU). In diesem Rahmen
finanziert die Fazilität nichtmilitärische Mehrkosten, also etwa für logistische
Leistungen wie die Beförderung der Truppen, Aufenthaltskosten für die Solda-
ten, Kapazitätsausbau etc., die bei militärischen Einsätzen der AU anfallen. Der
größte Teil der Mittel wurde bislang für die Unterstützung der AU-Mission in
Darfur/Sudan (AMIS) ausgezahlt.

Der bundesdeutsche Entwicklungshaushalt ist über die Zuweisungen aus dem
Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (BMZ) an den EEF mit rund 60 Mio. Euro an der Finanzierung der Frie-
densfazilität beteiligt. Nach den Kriterien der Organisation für Wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kann dieser Teil des EEF nicht auf
die ODA-Quote (Anteil der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttonational-
einkommen) angerechnet werden. Überlegungen, wie sie zuletzt an die Öffent-
lichkeit kamen, die Richtlinien so zu verändern, dass eine Anrechnungsfähigkeit

hergestellt wird, sind zurückzuweisen.

Im April 2006 verabredete der Rat der Europäischen Union die Aufstockung der
Fazilität um weitere 50 Mio. Euro und Einstellung von 300 Mio. Euro zur wei-
teren Finanzierung der Afrikanischen Friedensfazilität für den Zeitraum 2008
bis 2010 im Rahmen des 10. Europäischen Entwicklungsfonds. Zugleich kün-
digte der Rat an, dass im Jahr 2010 eine Bewertung der Afrikanischen Friedens-
fazilität durchgeführt und dabei auch alternative künftige Finanzierungsmög-

Drucksache 16/4490 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

lichkeiten geprüft werden sollten. Die Finanzierung der Friedensfazilität aus
dem Europäischen Entwicklungsfonds stellt eine Zweckentfremdung von Mit-
teln dar, die dringend für zivile Programme benötigt werden. Der Bundestag ist
deshalb der Ansicht, dass bereits von Beginn seiner Laufzeit an der 10. EEF
nicht als Finanzierungsquelle der Friedensfazilität herangezogen werden darf
und die veranschlagten Mittel stattdessen in die Stärkung ziviler Krisenpräven-
tion investiert werden sollten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. grundsätzlich keine Ausgaben, die im Zusammenhang mit Militäreinsätzen
getätigt werden, aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung zu bestreiten und derartige Ausgaben
auch nicht als Bestandteil der ODA auszuweisen,

2. sich in Konsequenz dessen im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsident-
schaft und darüber hinaus dafür einzusetzen, dass

– die Afrikanische Friedensfazilität bereits ab 2008 nicht mehr aus dem
Europäischen Entwicklungsfonds finanziert wird;

– die dadurch frei werdenden Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen der
nichtmilitärischen, politischen Konfliktbearbeitung und zum Auf- und
Ausbau von Instrumenten der zivilen Konfliktprävention umgewidmet
werden;

– in diesem Rahmen eine Initiative zur Einrichtung eines Afrikanischen Zi-
vilen Friedensdiensts angeregt wird und Wege zur konkreten Umsetzung
geprüft werden;

– zusätzlich eine Initiative zur Einrichtung eines Europäischen Zivilen Frie-
densdiensts ergriffen wird;

– die Finanzierung der Afrikanischen Friedensfazilität künftig in den EU-
Haushalt integriert und damit parlamentarischer Kontrolle unterworfen
wird.

Berlin, den 28. Februar 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die weltweiten Militärausgaben beliefen sich 2005 auf über 1,1 Billionen US-
Dollar und damit auf das Zehnfache der weltweit geleisteten Ausgaben für Ent-
wicklungshilfe. Auch im Bundeshaushalt stehen sich die Etats für Verteidigung
und Entwicklungszusammenarbeit im Verhältnis von 7:1 gegenüber. Vor diesem
Hintergrund ist die Finanzierung der Afrikanischen Friedensfazilität aus dem
Europäischen Entwicklungsfonds und damit letztlich aus den nationalen Ent-
wicklungsetats der EU-Staaten nicht akzeptabel. Auch das BMZ hatte sich zu-
nächst gegen eine Finanzierung der Friedensfazilität aus dem EEF ausgespro-
chen. Die Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul betonte noch im No-
vember 2003: „Die Grenze zwischen militärischen und entwicklungspolitischen
Aufgaben muss klar sein – auch hinsichtlich der Finanzierung […] Die Verstär-
kung der Mittel für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sollte nicht

zu Lasten der Entwicklungszusammenarbeit gehen!“ (Rede am 4. November

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4490

2003 anlässlich des Entwicklungspolitischen Forums zu Globalen Öffentlichen
Gütern).

Die von der Bundesministerin geforderte klare Grenze zwischen militärischen
und entwicklungspolitischen Aufgaben wird immer durchlässiger. Die Belas-
tung des Europäischen Entwicklungsfonds durch die Unterstützung von Militär-
missionen der AU steht in diesem Zusammenhang. Dies ist kein Ausdruck von
Kohärenz, sondern führt zu einer strukturellen Dominanz militärischer Strate-
gien und zur Unterordnung entwicklungspolitischer unter sicherheitspolitische
Belange. Die Entwicklung ziviler, präventiver Strategien für die Menschen in
Krisenregionen ist dagegen noch zu wenig fortgeschritten. Der Zivile Friedens-
dienst in Deutschland wird im Bundeshaushalt mit lediglich 17 Mio. Euro
ausgestattet. Dabei hätte dieses Instrument das Potenzial, alternative Wege der
zivilen Konfliktlösung zu befördern. Sinnvoll wäre, ihn durch einen Zivilen
Friedensdienst auf europäischer Ebene zu ergänzen und eine entsprechende Ini-
tiative auch für die afrikanischen Staaten anzuregen. Die in der Unterstützung
der Friedensfazilität gebundenen EEF-Mittel wären dafür besser angelegt.

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