BT-Drucksache 16/4484

Geplante Einführung eines Freiwilligendienstes in Entwicklungsländern

Vom 1. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4484
16. Wahlperiode 01. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel
Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Michael Link (Heilbronn), Markus Löning, Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Geplante Einführung eines Freiwilligendienstes in Entwicklungsländern

Am 5. Januar 2007 verkündete die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul:

… „das Bundesentwicklungsministerium (wird) einen neuen aus öffentlichen
Mitteln geförderten Freiwilligendienst in Entwicklungsländern einführen. Die
Laufzeit wird flexibel von 3 bis 24 Monaten sein. Der Freiwilligendienst wird
fachlich und pädagogisch begleitet werden und soll sich an junge Erwachsene
mit Abitur oder vergleichbarem Abschluss zwischen 18 und 28 richten.

Ein Zuschuss für Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld, fachliche und pädago-
gische Betreuung sowie Versicherungen soll sich auf 580 Euro pro Person und
Monat belaufen. Hinzu kommt der Betrag für die Krankenversicherung. Das
mittelfristig vorgesehene Volumen soll 10 000 Plätze (= 70 Millionen Euro) um-
fassen.

Die Abwicklung erfolgt über die bewährten Förderverfahren des BMZ über pri-
vate Träger und Nichtregierungsorganisationen. Zunächst ist eine dreijährige
Pilotphase geplant.

Deutschland verfügt im Unterschied zu anderen Ländern (unter anderem USA

und Großbritannien) bisher nicht über einen entwicklungspolitischen Freiwilli-
gendienst. Die von privaten Trägern aus Eigenmitteln angebotenen Freiwilligen-
dienste sind häufig mit sehr hohen Kosten für die Bewerberinnen und Bewerber
verbunden.

Wir wollen, dass auch einkommensschwächere Jugendliche sich international
engagieren können. Insbesondere sollen auch junge Frauen angesprochen wer-
den, für die keine Fördermöglichkeiten nach dem Zivildienstgesetz bestehen.

Drucksache 16/4484 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bis Mitte 2007 werden die genauen Bedingungen, Verfahren und Ansprechpart-
ner festgelegt, so dass der entwicklungspolitische Freiwilligendienst mit Beginn
des Jahres 2008 seine Arbeit aufnehmen kann.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit dem Einsatz eines entwick-
lungspolitischen Freiwilligendienstes für junge Erwachsene?

2. Wann soll 2008 mit wie vielen Teilnehmern der Freiwilligendienst in Ent-
wicklungsländern starten?

3. Wann soll ein entsprechender Referentenentwurf für das geplante Gesetz
vorliegen, und wann plant die Bundesregierung, ein entsprechendes Gesetz
im Deutschen Bundestag zu behandeln?

4. Welcher Haushaltsansatz dürfte schätzungsweise für den Bundeshaushalt
2008 für diesen neuen Freiwilligendienst veranschlagt werden?

5. Werden die für den Freiwilligendienst zur Verfügung gestellten Mittel auf
die ODA-Quote (ODA = Official Development Assistence) angerechnet?

6. Strebt das Bundesministerium eine Vollfinanzierung des Freiwilligendiens-
tes an oder stellt der Mittelansatz eine Teilfinanzierung dar, der durch Eigen-
mittel der Träger bzw. der Freiwilligen ergänzt werden muss?

Wenn der Betrag eine Teilfinanzierung sein sollte, wie hoch wird schät-
zungsweise der Eigenanteil der Träger dieses Freiwilligendienstes sein?

7. Darf der Träger einen möglichen Eigenanteil an der Finanzierung des Frei-
willigendienstes auf den Freiwilligen umlegen?

8. In welchen Sozialversicherungssystemen soll der Freiwillige versichert
werden, und aus welchen Gründen soll er gegebenenfalls in bestimmten
Systemen nicht versichert werden?

9. Wie errechnet das Bundesministerium die geplante Förderung von 580 Euro
monatlich für jeden Freiwilligen?

Welcher Ansatz ist jeweils für Taschengeld, Verpflegung, Unterkunft,
pädagogische Begleitung, Krankenversicherung etc. veranschlagt?

10. Wer soll für die Reisekosten in das entsprechende Entwicklungsland auf-
kommen?

11. Was versteht die Bundesregierung unter pädagogische Begleitung, soll
diese als laufender Prozess in dem Entwicklungsland organisiert werden
oder ist damit z. B. eine pädagogische Vor- und Nachbereitung des Einsat-
zes gemeint, der gegebenenfalls in Deutschland organisiert wird?

12. Soll die pädagogische Begleitung zentral seitens des Ministeriums (z. B.
analog den Zivildienstschulen) oder soll diese Maßnahme seitens des
Trägers organisiert werden?

Wer soll die Kosten hierfür tragen?

Mit welchen Kosten der pädagogischen Begleitung rechnet die Bundes-
regierung monatlich pro Teilnehmer?

13. Ist eine Verknüpfung dieses neuen Freiwilligendienstes mit den Bestim-
mungen der bereits vorhandenen Freiwilligendienste (z. B. Freiwilliges
Soziales und Ökologisches Jahr) geplant?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4484

14. Soll dieser Freiwilligendienst analog den Bestimmungen aus den §§ 14a,
14b des Zivildienstgesetzes (ZDG) einen Grund zur Nichtheranziehung
zum Zivildienst darstellen, z. B. wenn der Dienst mindestens eine Dauer
von 9 Monaten hat?

Wenn nein, warum nicht?

Welche Änderungen sind im ZDG vorgesehen?

Soll es insbesondere bei der Mindestdauer von 2 Jahren Entwicklungsdienst
bleiben, um die Pflicht zur Ableistung des Zivildienstes gemäß § 14a Abs. 3
ZDG erlöschen zu lassen?

Falls nein, plant die Bundesregierung einen abschnittsweisen Entwick-
lungsdienst analog § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Wehrpflichtgesetzes?

Wenn nein, warum nicht?

15. Welche Gespräche wurden bereits mit dem Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, welches für die Jugendfreiwilligendienste,
den anderen Dienst im Ausland, die Modellprojekte für die Generationen-
übergreifenden Freiwilligendienste sowie den Zivildienst zuständig ist, mit
dem Ziel geführt, die Jugendfreiwilligendienste möglichst einheitlich zu ge-
stalten bzw. von den Erfahrungen des Bundesministeriums zu profitieren?

Zu welchem Ergebnis bzw. Zwischenergebnis kamen diese Gespräche?

16. Mit welchen potentiellen Trägerorganisationen wurde bereits über diesen
Freiwilligendienst gesprochen, und zu welchem Ergebnis kamen diese
Gespräche?

17. Welche Qualifikationen werden von den Freiwilligen erwartet, um an dem
Programm teilnehmen zu können?

18. Welche Standards müssen die Trägerorganisationen erfüllen, um diesen
Freiwilligendienst anbieten zu können, und wie soll die Einhaltung dieser
Standards gewährleistet werden?

19. Welche Vorbereitung sollen die Freiwilligen auf diesen Dienst bekommen,
und welcher Zeitrahmen wird hierfür für notwendig erachtet?

20. Aus welchen Gründen soll dieser Freiwilligendienst ausschließlich von
Abiturienten bzw. Jugendlichen mit vergleichbaren Abschlüssen wahrge-
nommen werden?

Was sind in diesem Zusammenhang vergleichbare Abschlüsse?

21. Wieso hält die Bundesregierung z. B. Jugendliche mit Migrationshinter-
grund, die aus dem Kulturkreis des Entwicklungslandes stammen und die
Landessprache beherrschen, allerdings nicht über ein Abitur verfügen, für
ungeeignet, einen Entwicklungsdienst im Herkunftsland ihrer Familie zu
leisten?

22. Welchen entwicklungspolitischen Beitrag erwartet die Bundesregierung
von dem Einsatz der Freiwilligen?

23. Mit welchem Gegenwert der erbrachten Leistungen der Freiwilligen rechnet
die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass die UN bei ihrem Frei-
willigenprogramm, an dem jährlich ca. 8 500 Personen teilnehmen (UNV –
United Nations Volunteers), im Jahr 2005 von einem Gegenwert der
erbrachten Leistungen in den Entwicklungsländern in Höhe von 169 Mio.
US-Dollar ausgeht?

24. Welche anderen Staaten haben einen vergleichbaren Freiwilligendienst ein-
geführt, und welche Erfahrungsberichte und Bewertungen liegen hierüber

vor?

Drucksache 16/4484 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
25. Gab es seitens des Bundesministeriums bereits Kontakt zu den potentiellen
Staaten, in denen ein solcher Dienst angeboten werden soll, und wie wird
dort dieses Vorhaben bewertet?

Mit welchen staatlichen Organisationen welcher Entwicklungsländer hat
das Bundesministerium bereits Gespräche geführt, und zu welchem Ergeb-
nis kamen diese?

26. In welchen Entwicklungsländern sollen die Freiwilligen eingesetzt werden?

27. Welche Tätigkeitsfelder kommen für die Freiwilligen in Betracht bzw. nicht
in Betracht?

28. Wie stellt die Bundesregierung eine laufende fachkundige Betreuung der
Freiwilligen in den Entwicklungsländern sicher?

29. Teilt die Bundesregierung eine einzelne vom Deutschen Entwicklungs-
dienst geäußerte Ansicht, dass der Einsatz nicht qualifizierter Freiwilliger
das Ansehen deutscher personeller Entwicklungshilfe in den Entwicklungs-
ländern maßgeblich beeinträchtigen wird?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen von Freiwilligen-
diensten auf die nationalen Arbeitsmärkte in Anbetracht der Vielzahl bereits
bestehender entwicklungspolitischer Freiwilligendienste anderer Staaten
und der UN?

31. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um möglichen negativen
Auswirkungen auf die nationalen Arbeitsmärkte in den Entwicklungslän-
dern durch den Einsatz der Freiwilligen entgegenzuwirken?

32. Erfolgt eine Evaluierung des Einsatzes der Freiwilligen?

Von wem wird diese gegebenenfalls durchgeführt?

Berlin, den 28. Februar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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