BT-Drucksache 16/4452

Rechtssicherheit schaffen - Musterwiderrufsbelehrung für Verbraucherverträge überarbeiten

Vom 28. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4452
16. Wahlperiode 28. 02. 2007

Antrag
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Rechtssicherheit schaffen – Musterwiderrufsbelehrung für Verbraucherverträge
überarbeiten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Artikel 245 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)
ermächtigt das Bundesministerium der Justiz, Inhalt und Gestaltung der gesetz-
lich vorgesehenen Belehrung der Verbraucher über deren Widerrufs- und Rück-
gaberecht bei Verbraucherverträgen festzulegen. Auf diese Weise soll insbeson-
dere für den Verwender einer solchen Belehrung Rechtssicherheit geschaffen
und verhindert werden, dass durch eine nicht ordnungsgemäße Belehrung dem
Verbraucher gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
ein zeitlich unbegrenztes Widerrufsrecht zusteht. Das Bundesministerium der
Justiz hat von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht und die Ver-
ordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht
(BGB-InfoV) mit u. a. einem Muster für die Widerrufsbelehrung (Anlage 2
BGB-InfoV) und einem Muster für eine Rückgabebelehrung (Anlage 3 BGB-
InfoV) erlassen.

§ 14 Abs. 1 BGB-InfoV fingiert dabei eine dem Muster entsprechende Be-
lehrung als ordnungsgemäß. Die Rechtsprechung sieht dies teilweise anders.

Sowohl das Landgericht Halle (Urteil vom 13. Mai 2005, 1 S 28/05) als auch das
Landgericht Koblenz (Urteil vom 20. Dezember 2006, 12 S 128/06) hielten das
Muster der Anlage 2 BGB-InfoV für unwirksam. Das Landgericht Halle bean-
standete, dass das Muster den Verbraucher über den Beginn der Widerrufsfrist
im Unklaren lasse. In dem Muster heißt es, die Frist beginne „frühestens mit
Erhalt dieser Belehrung“, wohingegen gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 187
Abs. 1 BGB die Frist frühestens mit dem auf die Belehrung folgenden Tag

Drucksache 16/4452 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

beginne. Das Landgericht Koblenz nahm die Unwirksamkeit des Musters der
Anlage 2 BGB-InfoV an, da das Muster eine Verkürzung der Belehrung um die
Folgen des Widerrufs zulässt, wenn die Ware nach Ablauf der Widerrufsrist ge-
liefert werde. Das Gesetz (§ 312 Abs. 2 BGB) kennt aber eine solche Verkürzung
nicht, sondern verlangt stets eine Belehrung auch über die Folgen eines Wider-
rufs.

Kritik kommt auch aus der Literatur. Dort wird angeführt, dass das Muster der
Anlage 2 BGB-InfoV den Verbraucher auch über die mögliche Wertersatzpflicht
nach einem erklärten Widerruf im Unklaren lasse (vgl. Föhlisch, MMR 3/2007;
Masuch, BB 2005, 344 (345)). Denn das Muster sieht keinen Gestaltungshin-
weis für den Fall vor, dass die Belehrung erst nach Vertragsschluss erfolgt. In
diesem Fall besteht aber gemäß § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB überhaupt kein Wert-
ersatzanspruch des Unternehmers, da die Belehrung nicht vor Vertragsschluss
erfolgte. Zudem sei die Angabe des Fristbeginns unpräzise, da die zusätzlichen
Erfordernisse bei Fernabsatzverträgen (§ 312d Abs. 2 Satz 1 BGB: Erhalt der
Ware und Information nach § 312c Abs. 2 BGB) bzw. im elektronischen Ge-
schäftsverkehr (§ 312e Abs. 3 Satz 2 BGB: Information gemäß § 312e BGB) in
dem Muster bzw. den Gestaltungshinweisen nicht berücksichtigt würden (vgl.
Föhlisch, MMR 3/2007; Masuch, BB 2005, 344 (345)). Es wird weiterhin an-
geführt, dass das Muster den Verbraucher bei Haustürgeschäften über den Frist-
beginn im Unklaren lasse. So suggeriere das Muster, dass der Verbraucher auch
durch Rücksendung der Ware widerrufen könne, auch wenn er ordnungsgemäß
belehrt wurde und die Widerrufsfrist vor Erhalt der Ware abgelaufen ist (vgl.
Faustmann, VuR 2006, 384 (385)).

Die bestehende Rechtsunsicherheit, an der sich auch durch die Änderung der
BGB-InfoV durch Artikel 3 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über
Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I
S. 3103) nichts geändert hat, nahm die Fraktion der FDP zum Anlass, die Bun-
desregierung in einer Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/3387) zur
Wirksamkeit der Anlage 2 BGB-InfoV und zu ihren Änderungsplänen bezüglich
der BGB-InfoV zu befragen. Die Antwort der Bundesregierung (Bundestags-
drucksache 16/3595) vermag die bestehende Rechtsunsicherheit nicht zu be-
seitigen. Denn die von den Gerichten beanstandeten Passagen zum Beginn der
Widerspruchsfrist bzw. zu den Widerrufsfolgen sind trotz Neufassung der
Anlage 2 BGB-InfoV unverändert geblieben, sodass bei Verwendung der Mus-
terwiderrufsbelehrung dem Verbraucher weiterhin nicht klar vor Augen geführt
wird, wann die Widerrufsfrist beginnt, bzw. welche Folgen der Widerspruch hat.
Da die Bundesregierung ausweislich ihrer Antwort (Bundestagsdrucksache
16/3595, Fragen 6, 7 und 10) eine Änderung der Musterwiderrufsbelehrung vor-
erst nicht plant, besteht für den Verwender der Musterwiderrufsbelehrung unver-
ändert die Gefahr, dass die Belehrung von Gerichten als nicht ordnungsgemäß
angesehen wird. Dies führte dann abhängig von der Auffassung des erkennen-
den Gerichts zum Verhältnis des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV zu den Regelungen des
BGB u. U. zu der Konsequenz, dass gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB das Wider-
rufsrecht unbegrenzt gelten würde. Insoweit ist zu beachten, dass die BGB-
InfoV trotz der Änderung durch den Gesetzgeber gemäß Artikel 8 des Gesetzes
zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistun-
gen vom 2. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3103) unverändert eine Verordnung ist,
sodass es bei der von den Landgerichten Halle und Koblenz angenommenen Un-
wirksamkeit der Anlage 2 BGB-InfoV aufgrund Verstoßes gegen höherrangiges
Recht bleibt. Weitere Konsequenz der Unwirksamkeit der Musterbelehrung ist
dann möglicherweise ein Amtshaftungsanspruch des Verwenders gegen die
Bundesrepublik Deutschland (vgl. Föhlisch, MMR 3/2007; Faustmann, VuR
2006 , 384 (389)). Das gleiche Problem stellt sich auch bei der Musterrückgabe-

belehrung (Anlage 3 BGB-InfoV).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4452

Hinzu kommt, dass nach der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom
5. Dezember 2006, 5 W 295/06, das zur Verfügung stellen der Musterwider-
rufsbelehrung der Anlage 2 BGB-InfoV auf der Internetseite nicht für die Erfül-
lung der vorvertraglichen Informationspflichten des § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB,
Artikel 240 EGBGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV geeignet sei, sodass eine
dennoch erfolgte Verwendung ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellt.

Auch wenn die Muster anders als eine Rechtsmittelbelehrung nur zur Verdeut-
lichung der Rechte dienen, sollte ein Muster dennoch fehlerfrei sein. Was der
Gesetzgeber von den Rechtsanwendern verlangt, muss erst recht für den Verord-
nungsgeber gelten. Dieser ist trotz der zwischenzeitlichen Änderung durch den
Gesetzgeber auch weiterhin zuständig, da es sich bei der BGB-InfoV aus den
vorgenannten Gründen unverändert um eine Verordnung handelt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die Musterbelehrungen der Anlagen zur BGB-InfoV unter Berücksichtigung der
Kritik in Rechtsprechung und Literatur so zu ändern und den gesetzlichen An-
forderungen dergestalt anzupassen, dass diese mit den gesetzlichen Regelungen
übereinstimmen und der Zustand der Rechtsunsicherheit beendet wird.

Berlin, den 28. Februar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.