BT-Drucksache 16/428

Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Rahmen des Sicherheitskonzeptes zur Fußballweltmeisterschaft 2006

Vom 23. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/428
16. Wahlperiode 23. 01. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zuverlässigkeitsüberprüfungen im Rahmen des Sicherheitskonzeptes zur
Fußballweltmeisterschaft 2006

Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2006 (Fußball-WM 2006) werden Per-
sonengruppen, wie Journalisten, Betreuer, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen
und Sanitätsdiensten und andere Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen
Tätigkeit Zugang zu den Stadien erhalten, einer Zuverlässigkeitsüberprüfung
durch die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern unterzogen. Betroffen
sind über 250 000 Personen, die ohne Ticket Zugang zu den Stadien erhalten.
Im Rahmen eines besonderen „Akkreditierungsverfahrens“ gibt das Bundesamt
für Verfassungsschutz ein „empfehlendes Votum“ ab, das beim Bundeskriminal-
amt (BKA) in ein „sicherheitsbehördliches Gesamtvotum“ aller beteiligten Über-
prüfungsstellen einfließt. Dieses Gesamtvotum übermittelt das BKA als „sicher-
heitsbehördliche Empfehlung“ an das Organisationskomitee Deutschland der
FIFA Fußball-WM 2006 (OK). Die Entscheidung über den Zugang trifft zwar
das Organisationskomitee. Es wird sich aber in der Praxis an die Empfehlung
der Sicherheitsbehörden halten.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält Sicherheitsüberprüfungen im Rahmen der
Fußball-WM 2006 für eine erforderliche Maßnahme. Sie dürfen jedoch nur auf
einer klaren gesetzlichen Grundlage durchgeführt werden. Die zur Fußball-WM
2006 durchgeführten Akkreditierungsverfahren mit besonderer Zuverlässigkeits-
überprüfung sind ein erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen,
insbesondere in ihr verfassungsmäßiges Recht auf informationelle Selbstbestim-
mung. Der Eingriff kann bei einer Übermittlung fehlerhafter Informationen so-
gar zu einem Arbeitsplatzverlust der Betroffenen führen, was einen erheblichen
Eingriff in die geschützte Berufsfreiheit bedeutet. Bei derartigen Informationen
über Journalisten kann in einem solchen Fall auch die Presse- und Rundfunk-
freiheit beeinträchtigt sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher Rechtsgrundlage werden die Zuverlässigkeitsüberprüfungen im

Rahmen des „Akkreditierungsverfahrens“ durchgeführt?

Trifft es zu, dass die Zulässigkeitsüberprüfung einzig auf Grundlage der Ein-
willigung der Betroffenen erfolgt?

2. Wie begründet die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Verhält-
nismäßigkeit und der Effizienz der Arbeit der Sicherheitsbehörden die unter-
schiedslose Gleichbehandlung aller „Akkreditierungsfälle“?

Drucksache 16/428 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Hält es die Bundesregierung für erforderlich, auch die Personen einer derart
umfassenden Überprüfung zu unterziehen, die zum Teil seit Jahren auch bei
sportlichen Großveranstaltungen in Fußballstadien ohne jede Beanstandung
tätig sind?

3. Besteht eine entsprechende Regelung für die Verarbeitung, Speicherung und
den späteren Umgang mit diesen Daten?

Wenn nein, gibt es Pläne eine solche Regelung zum Schutz der Betroffenen
einzuführen?

4. Werden auch die – laut FIFA mehreren Tausend in 80 Bereichen eingesetzten
– Ehrenamtlichen (Volunteers) der Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen?

Wenn ja, werden diese Personen nach den für die übrigen Personengruppen
geltenden Verfahrensregelungen und inhaltlichen Kriterien beurteilt?

Wenn nicht, wie wird die unterschiedlich Behandlung begründet?

5. Auf Grund welcher Kriterien bewerten Polizei- und Verfassungsschutzbe-
hörden die Zuverlässigkeit der Betroffenen?

Welche Informationen von welchen Behörden fließen in das „sicherheitsbe-
hördliche Gesamtvotum“ des BKA ein, und in welcher Form und zu wel-
chem Zeitpunkt haben die Betroffenen die Möglichkeit, als Verfahrensbetei-
ligte ihre Rechte geltend zu machen?

6. Trifft es zu, dass

a) die Ergebnisse der Zuverlässigkeitsüberprüfung dem Organisationskomi-
tee übermittelt werden, und das OK den Arbeitgebern lediglich mitteilt,
ob eine „Akkreditierung“ erteilt oder verweigert wird,

b) von den Betroffenen zwar eine „Einwilligungserklärung“ verlangt wird,
ihnen das Ergebnis der Überprüfung aber nicht unmittelbar mitgeteilt
wird,

und wenn ja, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen wird so
verfahren?

7. Welche Stelle gewährt den Betroffenen Einblick in das „sicherheitsbehörd-
liche Gesamtvotum“ bzw. die ihm zugrunde liegenden Tatsachen, und welche
Rechtsschutzmöglichkeiten haben die Betroffenen?

8. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass durch ein negatives Votum die
Betroffenen auch über den verweigerten Zugang zu den Sportstätten hinaus
weitere berufliche und wirtschaftliche Nachteile erleiden können?

Wenn nein, warum nicht?

9. Welche Stelle haftet, wenn sich das Negativvotum auf Fehlinformationen
oder Anhaltspunkte stützt, die nicht haltbar sind?

Berlin, den 23. Januar 2006

Silke Stokar von Neuforn
Wolfgang Wieland
Monika Lazar
Jerzy Montag
Irmingard Schewe-Gerigk
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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