BT-Drucksache 16/4207

Deutsche Unternehmen vor chinesischer Produktpiraterie und Diskriminierung schützen

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4207
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Harald Leibrecht, Gudrun Kopp, Jens Ackermann, Christian
Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion
der FDP

Deutsche Unternehmen vor chinesischer Produktpiraterie
und Diskriminierung schützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Fraktion der FDP hat im November 2006 eine Kleine Anfrage zum Thema
„Auswirkungen chinesischer Produktpiraterie für deutsche Unternehmen“
(Bundestagsdrucksache 16/3388) gestellt. Aus den von der Bundesregierung
formulierten Antworten wird schnell deutlich, dass ein effektiver Schutz für
deutsche Unternehmen vor chinesischer Produktpiraterie kaum vorhanden ist.
Seit mehr als fünf Jahren ist China nun Mitglied der WTO. Doch die Durchset-
zung der von chinesischer Seite ratifizierten internationalen Übereinkommen
zum Schutz geistigen Eigentums ist mehr als mangelhaft.

EU-Handelskommissar Peter Mandelson hatte China Ende letzten Jahres öffent-
lich kritisiert und erkannt, dass speziell die chinesische Produktpiraterie einen
großen Aderlass für die europäische Wirtschaft bedeute. Inzwischen stellt sie
das größte wirtschaftliche Problem für europäische Unternehmen dar. Die Hälfte
der an Europas Grenzen sichergestellten Raubkopien stammt aus China. Dies
zeigt deutlich, dass die Bemühungen der chinesischen Seite nicht ausreichend

sind. Auch wenn die EU von einer Klage vor der WTO, wie die USA sie anstre-
ben, absehen möchte, muss die zukünftige europäische Kooperation in diesem
Bereich über den Dialog mit der VR China hinausgehen.

Neben den großen wirtschaftlichen Verlusten sind die kopierten Produkte zum
Teil eine erhebliche Gefahr für die Verbraucher. Als Beispiele seien hier quali-

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tativ minderwertige Autoscheiben oder gesundheitsschädliche billig produzierte
Medikamente (z. B. Anti-Baby-Pillen) genannt.

Die Bundesregierung verlässt sich seit Jahren auf die Maxime „Kooperation
statt Konfrontation“. Diese führt augenscheinlich nicht zum Erfolg, was die
hohen Verluste, die deutsche Unternehmen jährlich aufgrund chinesischer Pro-
duktpiraterie erleiden, verdeutlichen. Es werden Dialoge geführt und Abkom-
men unterzeichnet, aber der konkrete Schutz geistigen Eigentums muss von den
betroffenen Unternehmen selbst bewerkstelligt werden. Dies ist zum einen
natürlich richtig, andererseits müssen sich die Unternehmen aber auch auf
bestimmte Rechtsstandards verlassen können. Und die Durchsetzung dieser
Rechtsstandards einzufordern ist Aufgabe der Bundesregierung.

Laut einer Jahresumfrage der Pekinger EU-Handelskammer aus dem Jahr 2006
meinen nur 9 Prozent der befragten Unternehmen mit Copyrightverletzungen
keine Probleme zu haben. Dagegen finden zwei Drittel die Abwehr- und Straf-
maßnahmen Pekings unzureichend, jeder siebte völlig mangelhaft. Vor dem
letztjährigen China-EU-Gipfel in Helsinki standen verschiedene Klagen gegen
die chinesischen Wirtschaftspraktiken auf der Tagesordnung: geistiger Dieb-
stahl von Technologien, Missachtung von Patenten, mangelnde Vergütung von
Lizenzen.

In der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP vom November 2006 wurden Bei-
spiele aus dem Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2005 für offene
und verdeckte Informationsgewinnung durch chinesische Firmen, Journalisten,
Praktikanten, Stundenten und Wissenschaftler genannt. Die Bundesregierung
hat nach eigenen Angaben keine Kenntnis von derlei Vorkommnissen.

Teilweise werden die als Informanten benutzten Chinesen unter Druck gesetzt,
was sich durch Probleme bei der Passverlängerung oder Repressalien gegen An-
gehörige in der VR China äußert. Die so genannte Informationsgewinnung wird
auch von staatlicher chinesischer Seite betrieben und unterstützt. Als Instrument
hierbei dient die so genannte Pflichtlizensierung. Bei der seit dem 1. August
2003 gültigen „China Compulsory Certification“ handelt es sich um ein Lizen-
sierungsverfahren, bei dem das die Lizenz beantragende Unternehmen den chi-
nesischen Behörden interne Akten und Mustergeräte zur Überprüfung vorlegen
muss. Die Lizensierung ist in der Regel nach einem halben Jahr abgeschlossen.
In einigen Fällen tauchten wenig später auf Fachmessen exakte Kopien der zu
lizensierenden Produkte auf. Diese Beispiele belegen, dass hier offensichtlich
von staatlicher Seite versucht wird an fremdes „Know-how“ zu gelangen. Au-
ßerdem sind die Kontaktaufnahmen zu anderen Tagungs- und Messebesuchern
eine weitere Methode, bei der langfristig auf die Beschaffung von Informationen
abgezielt wird. Durch unverfängliche Gespräche und darauf folgende Einladun-
gen nach China werden Beziehungen etabliert, um später an nützliche Informa-
tionen zu gelangen.

Inzwischen werden längst nicht mehr nur Konsumgüter selbst kopiert, sondern
zum Leidwesen deutscher Maschinenbauer gleich auch die Anlagen zu ihrer Fer-
tigung. Zum Teil werden ganze Textilmaschinen, ganze Werkzeugmaschinen
oder die Kernstücke von 30 Meter langen Großanlagen nachgebaut. Selbst Bedie-
nungsanleitungen, Verpackungen und Werbeprospekte werden eins zu eins
kopiert. Unternehmen, die in China produzieren und verkaufen wollen, werden
immer häufiger von der chinesischen Regierung gezwungen, einen Teil ihrer For-
schungs- und Entwicklungsabteilungen in das Land zu verlegen. Auf diese Weise
werden die Vorlagen zum Abkupfern frei Haus mitgeliefert. Deutsche Firmen
berichten vermehrt davon, dass bei Eingabe des eigenen Firmennamens im Inter-
net z. T. chinesische Internetseiten angezeigt werden, auf denen Kopien der deut-
schen Produkte angeboten werden. Auch hier kommt es für die deutschen und

europäischen Unternehmen neben den wirtschaftlichen Einbußen zu erheblichen
Imageverlusten aufgrund der schlechten Qualität der angebotenen Kopien.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4207

Ausländische Unternehmen genießen de facto zunächst keinen Rechtsschutz in
China. Es werden zahlreiche Formulare und Beglaubigungen gefordert, so dass
der Prozess bis zur Erlangung eines Rechtsschutzes in der VR China sehr lange
dauert.

Die Eigeninitiativen von einigen deutschen Unternehmen sind zu begrüßen,
allerdings muss die Bundesregierung diese Bestrebungen von Firmen verstärkt
fördern und besser publizieren. Im Kampf gegen Plagiatoren reichen reaktive
juristische Maßnahmen in Europa nicht aus. Sie wirken nur punktuell und laufen
der Entwicklung hinterher. Es gibt verschiedene Beispiele von unternehme-
rischen Initiativen, die durch präventives Handeln auf einen besseren Schutz
gegen Produktpiraterie abzielen. Ein Paket von Maßnahmen erschwert den Fäl-
schern nicht nur präventiv den Zugang zum Markt, es bekämpft auch ihre bereits
laufenden Aktivitäten.

In letzter Zeit wurde außerdem vermehrt über eine zunehmende Diskriminie-
rung ausländischer Firmen in China berichtet. Laut einem Artikel in der „FAZ“
vom 16. Januar 2007 haben sich zahlreiche in China tätige Firmen über eine
Ungleichbehandlung beklagt. Dagegen haben deutsche Tochtergesellschaften
chinesischer Firmen in Deutschland die gleichen Rechte wie ein deutsches
Unternehmen.

Der Kreis der G8-Staaten sollte versuchen, die zivilrechtliche Durchsetzung von
Rechten des geistigen Eigentums zu stärken. Auf internationaler Ebene muss
neben dem Zivilrecht die internationale Kooperation zwischen den Strafverfol-
gungsbehörden weiter ausgebaut werden.

Alle Aktivitäten, die laut der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der
FDP von der Bundesregierung unternommen worden sind, beschränken sich auf
Dialoginitiativen. Es muss aber umgehend eine zielstrebigere Strategie etabliert
werden, die eine reale Verbesserung im Kampf gegen Produktpiraterie ver-
spricht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei den europäischen Partnern darauf zu drängen, auch Klagen vor der WTO
bei eindeutigen Fällen von Produktpiraterie in Erwägung zu ziehen,

2. nicht allein auf das bisher erfolglose Konzept „Kooperation statt Konfron-
tation“ zu setzen, da dies die erheblichen Verluste deutscher und europäischer
Unternehmen in den letzten Jahren nicht verhindern konnte,

3. Projekte zu fördern, die Unternehmen für die Entwicklung von Präventivstra-
tegien gegen internationale Produktpiraterie entwickeln,

4. die im Grünbuch zur EU-Ratspräsidentschaft genannten Forderungen nach
kontinuierlicher Verfolgung des Ziels der geographischen Ursprungsbezeich-
nungen aktiv wahrzunehmen,

5. gegenüber der chinesischen Regierung unmissverständlich deutlich zu ma-
chen, dass eine Diskriminierung deutscher Firmen in China nicht akzeptabel
ist,

6. die Berichte über aktive illegale Informationsgewinnung auf deutschem
Boden genauestens zu prüfen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen ein-
zuleiten.

Berlin, den 30. Januar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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