BT-Drucksache 16/4183

Gesundheitsschutz durch Schädlingsbekämpfung mit Chemikalien erhalten - Biozid-Richtlinie bürokratievermeidend überarbeiten

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4183
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Michael Kauch, Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst,
Horst Meierhofer, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel
Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth),
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn),
Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Gesundheitsschutz durch Schädlingsbekämpfung mit Chemikalien erhalten –
Biozid-Richtlinie bürokratievermeidend überarbeiten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als Biozide werden chemische Substanzen bezeichnet, die gegen Organismen
wirken, die für die Gesundheit, insbesondere für die menschliche Gesundheit,
schädlich sind. Zu denken ist beispielsweise an die Bekämpfung bestimmter
Bakterien, Pilze, Algen oder Viren, gewisser Insekten (z. B. Mücken, Flöhe,
Zecken, Schaben, Stallfliegen) oder Nagetiere, insbesondere Ratten. Neben
dem Schutz vor gefährlichen Krankheiten werden Biozide zum Beispiel auch
zum Haltbarmachen wasserbasierter Farben und zum Schutz vor Verderb leicht
bioabbaubarer Bestandteile in industriellen Verfahren eingesetzt, ferner bei der
Papierherstellung oder für Reinigungsbäder in Ressourcen sparenden Kreis-
laufverfahren. Biozide sind demnach für einen hohen Umwelt-, Gesundheits-
und Hygienestandard unverzichtbar und sichern bzw. verbessern den Ge-
brauchswert von Produkten und industriellen Prozessen. Den rechtlichen Rah-
men für die Herstellung sowie für den Vertrieb und den Einsatz von Bioziden
regelt innerhalb der Europäischen Union vor allem die Richtlinie 98/8/EG des

Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das In-
verkehrbringen von Biozid-Produkten (Biozid-Richtlinie). Diese wurde insbe-
sondere durch das Biozid-Gesetz sowie durch eine Reihe von Rechtsverord-
nungen in deutsches Recht umgesetzt.

Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland war seitens des Deut-
schen Bundestages ein regelmäßiger Bericht der Bundesregierung eingefordert
worden, um auf mögliche Fehlentwicklungen rechtzeitig reagieren zu können.

Drucksache 16/4183 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung vor einigen Monaten den
Zweiten Bericht über den aktuellen Sachstand zur Umsetzung der Biozid-
Richtlinie vorgelegt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/2909 vom 9. Oktober
2006). Der Bericht weist zwar auf bestimmte Probleme und Fehlentwicklungen
hin, ist jedoch im Hinblick auf einige wesentliche Probleme und Auswirkun-
gen, die mit der Umsetzung der EU-Biozid-Produkte-Richtlinie verbunden
sind, ergänzungsbedürftig. Auch werden keine konkreten Maßnahmen für eine
Verbesserung der rechtlichen Situation und damit für eine Verbesserung der
rechtlichen Grundlagen für einen wirksamen Gesundheitsschutz in Deutsch-
land und Europa avisiert (siehe dazu im Einzelnen die Kleine Anfrage der Frak-
tion der FDP vom 29. November 2006 – Bundestagsdrucksache 16/3683).

Die Antwort der Bundesregierung auf die vorgenannte Kleine Anfrage der
Fraktion der FDP (Bundestagsdrucksache 16/3909 vom 18. Dezember 2006)
vermag berechtigte Sorgen um einen weiterhin wirksamen Gesundheitsschutz
in Deutschland und Europa nicht hinreichend zu zerstreuen.

Konkret besteht auch im Lichte der Antwort der Bundesregierung weiterhin
Anlass zu kritischer Aufmerksamkeit vor allem wegen

– der möglichen negativen Auswirkungen des Biozidgesetzes bzw. seiner
europarechtlichen Grundlagen auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung
durch den Verlust bewährter Wirkstoffe und Biozid-Produkte, die zur Be-
kämpfung von Krankheitserregern bzw. Schädlingen, die diese übertragen,
wirksam sind.

– der wirtschaftlich hoch problematischen Auswirkungen dieser Vorschriften
durch den kostengetriebenen Wegfall vieler Wirkstoffe und Produkte, wo-
von insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen betroffen sind.

Bisherige Beobachtungen zeigen, dass bewährte Wirkstoffe und Produkte, ins-
besondere solche mit geringem Produktionsvolumen, in relevanter Größenord-
nung vom Markt verschwinden. Ursächlich hierfür können im Wesentlichen die
hohen Kosten und der bürokratische Aufwand für die Wirkstoffüberprüfung
und Produktzulassung im Rahmen der Biozidprodukte-Richtlinie und der damit
in Verbindung stehenden Vorschriften sein. Nach Angaben von Experten ver-
schiedener Bundesoberbehörden im Rahmen einer Fachtagung des Umwelt-
bundesamtes (UBA) mit dem Titel „Gesundheitsschutz durch Schädlingsbe-
kämpfung – weiterhin möglich? Wie viel Biozid braucht der Mensch?“ besteht
insbesondere beim Seuchenschutz die Sorge, dass zukünftig nicht mehr genü-
gend Wirkstoffe zur Verfügung stehen werden (siehe dazu im Einzelnen die
vorgenannte Kleine Anfrage der Fraktion der FDP).

Der Reduzierung der Wirkstoff- und Produktpalette und den damit verbunde-
nen Auswirkungen auf den Gesundheitsschutz muss entgegengewirkt werden.
Hier sind insbesondere die Bundesregierung sowie die mit der Umsetzung be-
fassten Bundesoberbehörden gefordert. Dies betrifft auch die kompetente und
verantwortungsbewusste Einflussnahme auf europäischer Ebene, da die betref-
fenden Regelungen für Deutschland als herausragender europäischer Chemie-
standort von besonderer Bedeutung sind.

Ein geeigneter Ansatzpunkt, um die rechtlichen Voraussetzungen für einen
wirksamen Gesundheitsschutz in Europa zu erhalten und die Biozid-Richtlinie
verantwortlich und sachgerecht zu novellieren, bietet sich vor allem bei der Ab-
fassung des anstehenden Berichts der EU-Kommission zur Umsetzung der Bio-
zid-Richtlinie und sowie hieran anschließend im Rahmen der Novellierung der
Richtlinie. Im Vorfeld dazu wird die EU-Kommission von einem Ständigen
Ausschuss für Biozid-Produkte unterstützt. Außerdem hat die Kommission eine
feste Arbeitsgruppe eingerichtet, in der die Mitgliedstaaten auf Behördenebene

vertreten sind. Zu deren Aufgaben gehören auch vorbereitende Arbeiten im
Vorfeld einer eventuellen Revision der Biozid-Richtlinie.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4183

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– im Hinblick auf die anstehende Novellierung der europäischen Biozid-
Richtlinie einen Maßnahmenkatalog mit Verbesserungsvorschlägen zu erar-
beiten und diesen zügig dem Deutschen Bundestag vorzulegen,

– über die in der genannten Arbeitsgruppe vertretenen Behördenvertreter die
beschriebenen Sachverhalte sowie insbesondere auch die Ergebnisse der ge-
nannten Fachtagung des UBA in den Bericht an die Kommission einfließen
zu lassen und

– in diesem Sinne auf eine sachgerechte Novellierung der Biozid-Richtlinie
hinzuwirken, um auf europäischer Ebene die Voraussetzungen für einen
wirksamen Gesundheitsschutz in Europa sowie für eine weiterhin erfolgrei-
che Marktteilnahme deutscher Unternehmen in der betreffenden Brache zu
erhalten.

Berlin, den 30. Januar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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