BT-Drucksache 16/4182

Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4182
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck (Köln), Undine Kurth
(Quedlinburg), Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Anja Hajduk, Peter Hettlich,
Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Dr. Reinhard Loske und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einführung einer Klimaschutzabgabe bei Flugreisen

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Bei allen Flugreisen von Mitgliedern des Bundestages und von Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern des Deutschen Bundestages wird entsprechend der
Regularien des Unternehmens atmosfair gGmbH eine Abgabe für die durch
die jeweiligen Flugreisen verursachten Treibhausgase geleistet.

2. Die Verwaltung des Deutschen Bundestages schafft die Voraussetzungen für
die Umsetzung dieses Beschlusses.

Berlin, den 31. Januar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Der Flugverkehr spielt beim Klimaschutz angesichts enormer Wachstumsraten
eine immer wichtigere Rolle. Das International Panel on Climate Change IPCC
prognostiziert zwischen 1990 und 2015 eine 5prozentige Zunahme der Flug-
kilometer pro Jahr, d. h. bei anhaltendem Wachstum des Luftverkehrs von ge-
schätzten 4 bis 6 Prozent im Jahr werden sich gegenüber 1990 allein dessen
CO2-Emissionen bis 2015 verdoppeln und bis 2030 verdreifachen. Das Um-
weltbundesamt erwartet eine Verdreifachung der Kohlendioxidbelastung bis
2030 nur im deutschen Flugverkehr. Der im vergangenen Oktober vom UN-
Klimasekretariat in Bonn vorgelegte Bericht „Treibhausgase 2006“ belegt, dass
der Ausstoß von Treibhausgasen seit 2000 wieder zunimmt. Als eine der
wesentlichen Ursachen wird das Wachstum im internationalen Luftverkehr
benannt. Die auf den internationalen Flugverkehr zurückgehenden Treibhaus-

gasemissionen der EU sind seit 1990 um 87 Prozent gewachsen, 2004 stieg der
Anteil um weitere 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die EU ist somit verant-
wortlich für ungefähr 50 Prozent aller CO2-Emissionen der Industrieländer aus
der internationalen Luftfahrt.

Die EU-Kommission betont in ihrem Vorschlag zur Einbeziehung des Luft-
verkehrs in das Europäische Emissionshandelssystem explizit „das Risiko, dass
der wachsende Anteil der Gemeinschaft an diesen Emissionen bis 2012 mehr als

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ein Viertel der Umweltvorteile der Reduktionen, die die Gemeinschaft gemäß
Kyoto-Protokoll erzielen muss, wieder zunichte macht.“ EU KOM(2006)818.

Der Luftverkehr schädigt das Klima nicht nur in besonderer Weise; wenn der
Trend ungebrochen weitergeht, werden sämtliche Einsparungen im Straßenver-
kehr, der Wirtschaft, der Energiewirtschaft und bei den Haushalten aufgefressen.
Das Ziel der Klimarahmenkonvention der UN, der Europäischen Gemeinschaft
und der Bundesregierung, die Zunahme der globalen jährlichen Oberflächen-
mitteltemperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um nicht mehr als 2 °C
zuzulassen, wird so verfehlt.

Daher ist es eine zentrale politische Herausforderung im Klimaschutz, den Flug-
verkehr in das internationale Klimaschutzregime möglichst rasch einzubezie-
hen. Die Europäische Kommission hat hierzu jetzt einen Richtlinienvorschlag
vorgelegt, jedoch wird ein möglicher Verhandlungs- und Gesetzgebungsprozess
noch viel Zeit erfordern. Die Einführung einer Kerosinsteuer zur Reduzierung
von Treibhausgasen im Luftverkehr ist längst überfällig, wurde bisher aber
weder international noch EU-weit oder national realisiert.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat sich Anfang Januar gemeinsam mit dem
Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso anlässlich der Beratung zur
deutschen EU-Ratspräsidentschaft dafür ausgesprochen, den Klimaschutz in der
EU voranzubringen. Der Einbezug des Flugverkehrs in Reduktionsverpflichtun-
gen bei Treibhausgasen ist Teil der politischen Agenda der Bundesregierung
während der EU-Ratspräsidentschaft. Angesichts der anhaltenden ökologischen
Belastung durch den Flugverkehr ist politisches Handeln dringend geboten.
Aktive Klimaschutzpolitik heute entlastet auch die öffentlichen Haushalte, die
schließlich für die Folgen des Klimawandels aufkommen müssen, und schafft
größere Handlungsspielräume für die nachfolgenden Generationen.

Der Deutsche Bundestag setzt sich uneingeschränkt für den Klimaschutz ein.
Die durch den Flugverkehr verursachten Klimaschäden können mit einer För-
derung von Projekten durch Klimaschutzabgaben lediglich teilweise ausgegli-
chen respektive minimiert werden. Das Beste für das Klima ist es, gar nicht zu
fliegen. Der Deutsche Bundestag will daher das Mobilitätsverhalten seiner Mit-
glieder sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung soweit wie
möglich den neuen Herausforderungen des Klimawandels anpassen und versu-
chen, die Treibhausgasemissionen möglichst zu vermeiden und sukzessive zu
reduzieren. Wo sich das Fliegen nicht vermeiden lässt, soll mit der Einführung
von Klimaschutzabgaben eine aktive Vorbildfunktion erfüllt werden.

Es gibt eine Vielzahl von Beispielen der Kompensation der Treibhausgasemis-
sionen bei Flugreisen: So wurden z. B. die Reisen der Delegation des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zum
Johannesburg-Gipfel für Umwelt und Entwicklung 2002 durch Klimaschutz-
abgaben ausgeglichen; die britische Regierung zahlt seit 2006 Klimaschutz-
abgaben für ihre Flugreisen, die GTZ hat ein solches Programm für alle Dienst-
flüge eingeführt und die innerdeutschen Flüge der Fußball-WM wurden im
Rahmen des Green Goal-Konzeptes ausgeglichen.

Unter der rot-grünen Bundesregierung wurde im Rahmen des Forschungspro-
jektes „klimabewusst fliegen“ des Bundesministeriums für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit (BMU) ein Programm entwickelt, mit dem Flug-
emissionen berechnet werden können. Daraus ist die Klimaschutzinitiative
„atmosfair“ (www.atmosfair.de), eine gemeinnützige GmbH, hervorgegangen.
„Atmosfair“ gibt mit einem einfachen Berechnungsverfahren Flugpassagieren
die Möglichkeit, freiwillig Klimaschutzabgaben für die von ihnen verursachten
Treibhausgase zu zahlen.
Die Klimaschutzabgaben werden überwiegend in Solar-, Wasserkraft-, Bio-
masse- oder Energiesparprojekte in Entwicklungsländern investiert, um dort

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die Menge Treibhausgase einzusparen, die durch die Flüge verursacht wurden.
Die Projekte werden kontrolliert von Gremien und technischen Organisationen,
die im Rahmen des Kyoto-Protokolls entstanden sind.

Durch die Förderung von Klimaschutzprojekten durch Ausgleichszahlungen
für die mandatsbedingten und dienstlich veranlassten Flugreisen übernehmen
die Abgeordneten des Deutschen Bundestags und die Bundestagsverwaltung
eine aktive Vorbildfunktion und können so ihrer Verantwortung für den inter-
nationalen Klimaschutz stärker Ausdruck verleihen. Grundsätzlich muss die für
Reisen zuständige Kostenstelle die Klimaschutzabgabe tragen. So entsteht auch
in den für die Reiseabwicklung zuständigen Verwaltungen mehr Sensibilität für
die Klimafolgen des Fliegens.

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