BT-Drucksache 16/4156

Verbot von Telefonwerbung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam durchsetzen

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4156
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Jerzy Montag, Ulrike Höfken, Cornelia Behm,
Kai Gehring, Peter Hettlich, Undine Kurth (Quedlinburg), Christine Scheel,
Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Dr. Reinhard Loske, Grietje Bettin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verbot von Telefonwerbung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher
wirksam durchsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Belästigende Werbung durch unerwünschte Telefonanrufe ist zu einem massen-
haft auftretenden Problem für Verbraucher und Verbraucherinnen geworden.
Die Verbraucherverbände weisen darauf hin, dass täglich Tausende Rechtsver-
stöße gegen das gesetzliche Verbot von Telefonwerbung stattfinden. Allein im
ersten Quartal 2006 hat die Gesellschaft für Konsumforschung 82,6 Mio. tele-
fonische Werbekontakte gemessen. Eine nicht repräsentative Online-Umfrage
der Verbraucherzentralen im Sommer 2006 hat zudem gezeigt, dass sich 95 Pro-
zent der insgesamt 3 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch unerwünschte
Werbung belästigt fühlen.

Im Jahr 2004 hat die rot-grüne Bundesregierung das Gesetz gegen den unlaute-
ren Wettbewerb (UWG) umfassend novelliert und Verbraucherinnen und Ver-
braucher als Schutzobjekte in das Gesetz eingeführt. In § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG
wurde ausdrücklich vorgesehen, dass bereits ein erstmaliger Werbeanruf ohne
vorherige Einwilligung des angerufenen Verbrauchers bzw. der angerufenen
Verbraucherin (so genanntes cold calling) unzumutbar und als unlautere Wettbe-
werbshandlung verboten ist. Leider wird dieses Verbot von den Marktteilneh-
mern nicht oder nur unzureichend beachtet.

Das Verbot der Telefonwerbung ist gerechtfertigt, da der oder die Angerufene
gegen das Eindringen in seine bzw. ihre Privatsphäre geschützt werden muss.
Verbraucherinnen und Verbraucher sollen nicht erst ein Telefonat annehmen
müssen und sich zu einem Gespräch genötigt sehen, um den Zweck des Anrufs
zu erkunden. Die Störung im häuslichen Bereich ohne vorherige Zustimmung
wird deshalb als anstößige Belästigung untersagt. Es soll der freien Entschei-
dung des Verbrauchers und der Verbraucherin überlassen werden, sich für ein
Angebot zu interessieren, ohne dass auf ihn oder sie psychischer Druck ausgeübt
wird. Telefonisch mit dem Einsatz von massiven Überrumplungsmethoden oder

unter Täuschung und Irreführung abgepresste Verträge gehören nicht in eine fair
geordnete digitale Wirtschaftswelt. Unlautere Geschäftspraktiken schaden dabei
einerseits den Verbraucherinnen und Verbrauchern und andererseits den seriösen
Anbieterinnen und Anbietern.

In der bisherigen Rechtspraxis hat sich jedoch gezeigt, dass einer erfolgreichen
Durchsetzung des Werbeverbots erhebliche Hindernisse entgegenstehen. So be-

Drucksache 16/4156 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
stehen neben Identifikations- und Dokumentationsproblemen erhebliche Lücken
bei den Sanktions- und Vollzugsregeln des Wettbewerbsrechts. Verbraucherin-
nen und Verbraucher suchen vergeblich nach Vollzugsbehörden und institutiona-
lisierten Ansprechpartnern.

Das den Bundes- und Länderbehörden bekannte Ansteigen der belästigenden
Werbung durch unerwünschte Telefonanrufe ist in verschiedenen Bundestags-
gremien erörtert worden. Dabei ist vorgetragen worden, dass die Rechtsüberwa-
chung durch andere im Wettbewerb stehende Unternehmen und klagebefugte
Verbände mittels Abmahnungen und einstweiligen Verfügungen Unterlassung
zu verlangen, wegen bestehender rechtlicher Beschränkungen nicht effektiv
funktionieren kann. Auch der Gewinnabschöpfungsanspruch nach § 10 UWG
führt bislang nicht zu einer wirksamen Abschreckung, weil er eine vorsätzliche
Zuwiderhandlung voraussetzt und dadurch den klagebefugten Verbänden kaum
überwindbare Schwierigkeiten in der Beweisführung bereitet und ein unange-
messen hohes Prozesskostenrisiko entstehen lässt. Das Gesetz gegen den unlau-
teren Wettbewerb hat in der vorliegenden Form zwar die richtigen Schritte ein-
geleitet, muss aber weiterentwickelt werden, damit unrechtmäßige Handlungen
sich tatsächlich nicht rentieren und der wirtschaftlichen Anreiz, gegen das Ge-
setz zu verstoßen, entfällt.

Ein weiterhin laxer Umgang mit den fortgesetzten Rechtsverstößen bedroht die
Wirtschafts- und Rechtsordnung sowie die Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit
des Verbraucherrechts. Deshalb bedarf es dringend ergänzender Maßnahmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– unerbetene Telefonwerbung als Ordnungswidrigkeit zu regeln und der Bun-
desnetzagentur die Kompetenz zu übertragen, Verstöße mit empfindlichen
Bußgeldern bis zu 50 000 Euro ahnden zu können;

– den Verschuldensmaßstab in § 10 UWG zur Gewinnabschöpfung so zu
fassen, dass das Instrument der Gewinnabschöpfung bereits greift, wenn ein
Unternehmen grob fahrlässig gehandelt hat;

– den abgeschöpften Gewinn, nach Abzug der für die Rechtsverfolgung ent-
standenen Kosten, verpflichtend an Einrichtungen des Verbraucherschutzes
weiterzuführen oder zur Finanzierung des wirtschaftlichen Verbraucher-
schutzes zu verwenden;

– in bundeseigenen Unternehmen und Aufsichtsräten darauf hinzuwirken, dass
das gesetzliche Telefonwerbeverbot ausnahmslos eingehalten wird.

Berlin, den 31. Januar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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