BT-Drucksache 16/4061

Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutschland erleichtern

Vom 17. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4061
16. Wahlperiode 17. 01. 2007

Antrag
der Abgeordneten Patrick Döring, Hans-Michael Goldmann, Detlef Parr,
Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Joachim Günther (Plauen), Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Otto Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn),
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde,
Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Sport- und Freizeitschifffahrt in Deutschland erleichtern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Regelungen in der deutschen Sport- und Freizeitschifffahrt zur Erlangung
eines Führerscheins sind verwirrend und überkomplex. Im europäischen Ver-
gleich hat Deutschland die mit Abstand strengsten Vorschriften, ohne dass da-
durch ein deutlicher Sicherheitsvorteil gewonnen würde. Während z. B. in
Großbritannien, Irland und Skandinavien keinerlei Führerscheinpflicht besteht,
müssen in Deutschland für Boote mit mehr als 3,68 KW (5 PS) Leistung unter-
schiedliche Führerscheine für die Binnen- und Seeschifffahrt erworben werden.
Neben amtlich vorgeschriebenen Führerscheinen existieren amtlich empfohlene
Verbandszertifikate und unterschiedlichste Regelungen auf Bundes- und Lan-
desgewässern.

Eine Zusammenfassung der Amtlichen Bootsführerscheine Binnen und See er-
scheint daher unbedingt sinnvoll. Dies führt zwar zu einem etwas erweiterten
Umfang dieser Prüfung. Im Vergleich zu dem Aufwand, der bisher betrieben
werden muss, um – wie 95 Prozent aller Sportbootführer – die Führerscheine
Binnen und See zu erwerben, wäre der Prüfungsumfang jedoch deutlich gerin-

ger, da redundante Inhalte entfallen. Damit wird eine unnötig hohe Einstiegs-
hürde in die Sport- und Freizeitschifffahrt gesenkt und mittelbar auch die
Entwicklung des Wassersports auch unter touristischen Gesichtspunkten in
Deutschland gefördert.

Dies bedeutet keinen Verlust an Sicherheit. Die Erfahrungen belegen, dass
Sicherheit in der Sport- und Freizeitschifffahrt nicht durch eine restriktive Füh-

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rerscheinregelung erreicht wird. Im Gegenteil produziert dies bisweilen sogar
kontraproduktive Effekte: So sind Boote mit weniger als fünf PS in Gefahren-
situation eigentlich allgemein untermotorisiert, werden aber durch die Eigner
nicht aufgerüstet, um der Führerscheinpflicht auszuweichen. Eine internationale
Studie zu Führerscheinregelungen in 30 Ländern hat deutlich aufgezeigt, dass es
keinen direkten Zusammenhang zwischen den Führerscheinvorschriften und der
Unfallhäufigkeit gibt. Dies wird auch durch die Erfahrungen mit den Charter-
regelungen in Deutschland nachgewiesen: Auf den für diese Regelung zugelas-
senen Wasserwegen sind die Unfallzahlen für Charterer ohne amtlichen Sport-
bootführerschein (Charterbescheinigung) kaum höher als die von Charterern mit
Sportbootführerschein: Auf 7 500 Charterverträge kamen 2005 nur 70 Unfälle,
davon 83 Prozent mit weniger als 1 000 Euro Schaden. 34 dieser Unfälle wurden
von Fahrern mit Chartbescheinigung verursacht, die 41 Prozent aller Verträge
ausmachten; 36 Unfälle gingen auf das Konto von Fahrern mit Sportbootführer-
schein (59 Prozent aller Charterverträge).

Dies zeigt eindrücklich, dass es bei der Sport- und Freizeitschifffahrt dort, wo
das Risiko- und Gefährdungspotential generell niedrig ist, es weniger darauf an-
kommt, dass der Bootsführer einen Führerschein besitzt, sondern dass die Teil-
nehmer umsichtig handeln und die notwendigen praktischen Kenntnisse präsent
sind, die z. B. für die Charterbescheinigung durch eine konzentrierte mehrstün-
dige theoretische und praktische Einweisung vermittelt werden.

Wo das Risiko- und Gefährdungspotential höher ist – auf stark befahrenem oder
wildem Gewässer oder auf hoher See –, ist eine gute Ausbildung indes sinnvoll.
Allerdings gilt auch hier, dass die Vermittlung praktischer Grundlagen wichtiger
ist als theoretisches Wissen. Denn anders als im Straßenverkehr wird die Boots-
führung im Bereich der Sport- und Freizeitschifffahrt nur über wenige Wochen
im Jahr ausgeführt. Auch sind Boote und Yachten in ihrer Konstruktion und
Größe sowie insbesondere Manövrierfähigkeit sehr unterschiedlich. Die prak-
tische Grundlagenausbildung muss deshalb bei der Ausbildung und Prüfung
stärker gewichtet werden. Bereits vorhandene praktische Vorkenntnisse können
deshalb auch ganz oder teilweise von der Verpflichtung zur praktischen Ausbil-
dung entbinden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– so schnell wie möglich das erfolgreiche Modell des Charterscheins auf
weitere gefährdungsarme Strecken auszudehnen und die führerscheinfreien
Reviere zu touristisch und wirtschaftlich interessanten Streckennetzen zu
verknüpfen; dies gegebenenfalls auch unter Einbeziehung kurzer, mäßig be-
fahrener Strecken von Wasserstraßen der Berufs- und Verkehrsschifffahrt;

– unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungswerte zu überprüfen, ob
eine Bindung der Mindestausrüstungsstandards für Sportboote, insbesondere
Charteryachten, an das jeweilige Fahrtgebiet anstatt an die Schiffsgröße sinn-
voll ist;

– des Weiteren einen über die 5-PS-Regelung hinausgehenden ungeregelten
Einstiegsbereich in die Sport- und Freizeitschifffahrt zu definieren. Die Füh-
rerscheinpflicht darf nur für Fahrzeuge bzw. Verkehrsflächen mit wesent-
lichem Gefährdungspotential verpflichtend sein. Die Definition des Gefähr-
dungs- und Risikopotentials muss unter Berücksichtigung internationaler Er-
fahrungswerte erfolgen;

– die amtlichen Bootsführerscheine Binnen und See zu einem Allgemeinen
Amtlichen Bootsführerschein (AAB) zusammenzufassen;

– die Ausbildung und Prüfung zum AAB stärker auf relevante praktische

Grundfähigkeiten abzustellen und im Sinne eines modularen Aufbaus des

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4061

Systems die Ausbildungsverpflichtungen bei vorhandenen praktischen Vor-
kenntnissen zu reduzieren. Eine praktische Einweisung ist als Äquivalent zu
einem theoretischen Sachkundenachweis z. B. für die Funkzeugnispflicht zu
akzeptieren;

– in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse zu diesen Fragen alle interes-
sierten Kreise und Verbände einzubeziehen.

Berlin, den 11. Januar 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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