BT-Drucksache 16/3925

Wirtschaftlichkeit des Bahnhofprojektes Stuttgart 21

Vom 15. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3925
16. Wahlperiode 15. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, Cornelia Behm,
Birgitt Bender, Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Hans-Josef Fell, Peter Hettlich,
Bärbel Höhn, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth
(Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske, Gerhard Schick und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Wirtschaftlichkeit des Bahnhofprojektes Stuttgart 21

Über die Wirtschaftlichkeit des milliardenschweren Bauvorhabens Stuttgart 21
wird seit Jahren eine kontroverse Debatte geführt. Diese dürfte sich angesichts
der aktuellen Entscheidung der großen Koalition von CDU/CSU und SPD zur
Teilprivatisierung der Deutsche Bahn AG (DB AG) noch verschärfen.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bislang getroffen, um die
Wirtschaftlichkeit des Projektes Stuttgart 21 zu prüfen?

2. Was waren die Gründe für den Aufschub der Entscheidung über das Projekt
Stuttgart 21 am 23. Oktober 2006 und die erneute Überprüfung der Wirt-
schaftlichkeit durch den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung, Wolfgang Tiefensee?

3. Welche Fragen sind für die Regierung hinsichtlich der vom baden-württem-
bergischen Ministerpräsidenten Günther H. Oettinger und der DB AG vor-
gelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen für das Projekt Stuttgart 21 offen
geblieben, und wann und von wem sollen sie beantwortet werden?

4. Welche Nutzen und welche Kosten flossen in welcher absoluten Höhe in die
Wirtschaftlichkeitsberechnungen ein?

5. Für welche Leistungen und Dauer hat die DB AG im Raum Stuttgart ver-
bindliche Bestellgarantien im Schienenpersonennahverkehr und im Schie-
nenpersonenfernverkehr abgegeben?

6. Ist der zuletzt von der DB AG eingerechnete Rationalisierungs- und Mehr-
erlösanteil von 126 Mio. Euro pro Jahr als Finanzierungsbeitrag für das Pro-
jekt Stuttgart 21 noch aktuell, obwohl sich künftig erhebliche Zugverschie-
bungen durch die Fertigstellung der Neubaustrecke Nürnberg–Ingolstadt

auf der Relation Frankfurt–München ergeben werden, weg von der Trasse
über Stuttgart hin zur Trasse über Nürnberg?

7. Berücksichtigen die vorliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen die in
den letzten Jahren erheblich gestiegenen Stahl-, Baustoff- und Entsorgungs-
preise?

Drucksache 16/3925 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Berücksichtigen die Wirtschaftlichkeitsberechnungen, dass bis zur Inbe-
triebnahme von Stuttgart 21 im Jahr 2017 oder später erhebliche Instandset-
zungsarbeiten im bestehenden Knoten Stuttgart getätigt werden müssten?

9. Berücksichtigt die Wirtschaftlichkeitsberechnung, dass das Projekt Stutt-
gart 21 mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 1. Januar 2007 voraus-
sichtlich 90 Mio. Euro mehr kosten würde?

10. Hat der Bundesrechnungshof zum Projekt Stuttgart 21 Stellung bezogen,
und wenn ja mit welchen Feststellungen?

11. Welche Flächen des Hauptbahnhofs Stuttgart sind seit wann frei von Bahn-
betriebszwecken, und welche dieser Flächen wurden noch nicht bebaut?

12. Welche Verkaufserlöse für die Flächen erzielte welche Gesellschaft der
DB AG und wie sind die Rückzahlungsmodalitäten für die Erlöse im Falle
einer Nichtrealisierung des Projektes Stuttgart 21?

13. Konkurriert das Flächenangebot rund um die neue Messe auf den Fildern
mit den Flächen, die durch Stuttgart 21 bisher und zukünftig von Bahn-
betriebszwecken befreit werden?

14. Welche Geschossfläche ist auf den von Bahnbetriebszwecken befreiten Flä-
chen insgesamt geplant?

15. Welche Geschossfläche ist bisher auf den von Bahnbetriebszwecken befrei-
ten Flächen realisiert?

16. Welches Angebot an freien Geschossflächen gibt es in Stuttgart?

17. Berücksichtigen die vorliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen die geo-
logischen Bedingungen und Erfahrungen des Engelbergtunnelbaus an der
A 81, da große Teile der Tunnelstrecken durch das gleiche Gestein führen
werden und dadurch bekanntlich weitaus höhere Kosten verursacht wurden,
als im Planfeststellungsverfahren ermittelt wurden?

Wenn nicht, wer kommt für die damit verbundenen Mehrkosten auf?

18. Wird der Bund Mittel für das Projekt Stuttgart 21 bereitstellen, die über die
im Rahmen des Bedarfsplans vorgesehenen Bundesschienenausbauwege-
mittel in Höhe von 453 Mio. Euro für den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart
(Sowieso-Kosten) hinausgehen, und wenn ja, mit welcher Begründung?

19. Trifft die Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminis-
terium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, Achim Großmann, vom Au-
gust 2004 noch zu, „die Ausbauvariante ,Stuttgart 21‘ sei nicht Bestandteil
des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2003 und des Bedarfplans 2004 für
die Bundesschienenwege“, sondern ausschließlich ein Projekt der DB AG,
das diese unternehmerisch eigenverantwortlich betreibe?

Falls nicht, wie lautet die neue Position?

20. Um wie viel teurer wurden die neuen unterirdischen Zulaufstrecken für den
neuen Berliner Hauptbahnhof gegenüber den Planungen, und wer kommt
für diese Mehrkosten auf?

21. Welche Verpflichtungen bzw. Vorverträge ist der Bund mit der DB AG be-
züglich der Umsetzung von Stuttgart 21 eingegangen?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass der Vorstandsvorsit-
zende des Projektentwicklers Drees & Sommer gleichzeitig Geschäftsfüh-
rer der DB Projektbau Südwest ist, also gleichzeitig Auftraggeber und Auf-
tragnehmer?

23. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Verträge der anderen

beteiligten Finanzierungspartner und deren bindenden Charakter?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3925

24. Welche Finanzierungsvereinbarungen liegen dem Bund für das Projekt
Stuttgart 21 vor?

25. Kann unter den Bedingungen der geplanten Teilprivatisierung der DB AG
ein öffentliches Bauwerk noch von der DB AG und anderen privaten Inves-
toren finanziert werden, wenn zukünftig Netz und Bahnhöfe Bundeseigen-
tum sein sollen?

Wenn ja, wer wäre der juristische, wer der wirtschaftliche Eigentümer des
Tiefbahnhofs Stuttgart 21?

Wer wäre juristischer, wer wirtschaftlicher Eigentümer der reinen Ver-
kehrsstation, der kommerziellen Teile des Bahnhofs, der unterirdischen Zu-
fahrtsgleise und der unterirdischen Zufahrtstunnel?

26. Was versteht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang unter einer
reinen Verkehrsstation?

27. Wie hoch sind die Planungsausgaben für das Projekt Stuttgart 21 insgesamt?

28. Von wem werden die Planungskosten in welcher Höhe getragen?

29. Wie hoch ist der finanzielle Anteil des Bundes für den bisherigen Planungs-
vorlauf des Projektes Stuttgart 21?

30. Hat die Bundesregierung bereits Mittel für Planung und Bau von Stuttgart 21
beim Bundesfinanzministerium für die mittelfristige Finanzplanung ange-
meldet?

Wenn ja, in welcher Höhe?

31. Wer soll der Bauherr für den unterirdischen Tiefbahnhof sein?

32. Wer soll der Bauherr für die kommerziellen Teile des Bahnhofs sein?

33. Wer soll der Bauherr der unterirdischen Zufahrtsgleise und der zugehörigen
Tunnel sein?

34. Wer erhielte die Trassenpreise für die unterirdischen Zufahrtsgleise und
wer die Pacht für den Bahnhof?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusicherung der zu erbringenden
Eigenleistungen der DB AG im Falle einer Teilprivatisierung des Unter-
nehmens?

36. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusicherung der zu erbringenden
Eigenleistung der DB AG im Hinblick darauf, dass die DB AG und EIU
versichert haben, dass keine ausreichenden Eigenmittel zur Investition ins
Bestandsnetz verfügbar seien?

37. Ist sichergestellt, dass die DB AG die Kosten für die neuen Abstell- und
Wartungsanlagen übernehmen würde, die durch die Aufgabe des vorhande-
nen Kopfbahnhofs entstünden, da zusätzliche Investitionen außerhalb Stutt-
garts erforderlich wären?

38. Wie hoch ist der indirekte finanzielle Anteil, z. B. durch die bundeseigenen
Immobilien, die der Bund nach jetziger Rechtslage als Eigner der DB AG
am Tiefbahnhof Stuttgart 21 übernimmt?

39. Hat der Bund für das Projekt des Tiefbahnhofs Finanzhilfen bei der EU-
Kommission beantragt?

Wenn ja, wie hoch sind diese und mit welchen EU-Projekten konkurriert
das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21?

40. Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Höhe der öffentlichen Mittel, die

vom Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart erbracht
werden müssten?

Drucksache 16/3925 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

41. Wie hoch ist der originäre Eigenanteil der DB AG an den Investitionen in
den Tiefbahnhof Stuttgart 21 (abzüglich der vom Land Baden-Württemberg
zugesicherten Regionalisierungsmittel und der Erlöse aus den an die Stadt
Stuttgart verkauften Bahnflächen)?

42. In welcher Höhe hat das Land Baden-Württemberg dem Bund verbindlich
Eigenmittel für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 zugesagt, und wie hoch ist der
Anteil dieser Eigenmittel im Detail?

Wie hoch sind die zugesagten Haushaltsmittel, die Regionalisierungsmittel
und die GVFG-Mittel, die für den Tiefbahnhof Stuttgart 21 zur Verfügung
stehen sollen?

43. Wie hoch werden die Schieneninvestitionen des Bundes für Neu- und Aus-
baumaßnahmen in Baden-Württemberg im Zeitraum 2006 bis 2010 sein?

44. Wie wird sich nach Ansicht des Bundes der Bau des Tiefbahnhofs Stutt-
gart 21 angesichts knapper Neuinvestitionsmittel z. B. auf die Bauzeit fol-
gender im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Projekte auswirken:
Ausbau der vorhandenen zweigleisigen Rheintalbahn, Ausbau der Strecke
Ulm–Friedrichshafen–Lindau, Ausbaustrecke Stuttgart–Singen–Grenze
D/CH sowie der Neubaustrecke Rhein/Main–Rhein/Neckar?

45. Wie viel Prozent der GVFG-Mittel des Bundesprogramms stehen nach
Ansicht des Bundes bei der Umsetzung des Projektes Stuttgart 21 noch für
andere regionale Projekte wie z. B. die S-Bahn-Netze in Freiburg und
Mannheim, den Ausbau der Stadtbahn in Karlsruhe, Heilbronn und Ulm
und ein mögliches Stadtbahnsystem in Tübingen zur Verfügung?

46. Kommt der Bund als künftiger Eigentümer der Eisenbahninfrastruktur für
die Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen von Stuttgart 21 auf?

Wenn ja, in welcher Höhe werden diese im Einzelnen für die reine Ver-
kehrsstation, den kommerziellen Teil des Bahnhofs, die unterirdischen Zu-
fahrtsgleise und den Zufahrtstunnel veranschlagt?

47. Gibt es vergleichende Untersuchungen zu den Instandhaltungskosten des
bestehenden oberirdischen Kopfbahnhofes Stuttgart?

Wenn ja, wie hoch wären diese und ist dabei berücksichtigt, dass wegen des
Projektes Stuttgart 21 teilweise Ersatz- und Reparaturinvestitionen im Kno-
ten Stuttgart nicht getätigt wurden, also schon längst erledigt sein sollten?

Wenn nein, warum wurde diese Möglichkeit nicht in Erwägung gezogen?

48. Wie viel haben die folgenden Bahnhöfe gekostet:

a) Neubau Berliner Hauptbahnhof,

b) Sanierung der Hauptbahnhöfe München, Frankfurt (Main), Leipzig,
Dresden und Mannheim?

49. Wie viel Jahre veranschlagt die Bundesregierung für den Bau des Tiefbahn-
hofs Stuttgart 21 und die dazugehörigen Tunnelanlagen?

50. Wann kann frühestens mit dem Bau des Tiefbahnhofs Stuttgart 21 begon-
nen werden?

51. Wie lange würde die Sanierung des Kopfbahnhofs und der oberirdischen
Gleisanlagen dauern?

52. Wann könnte mit der Sanierung des Kopfbahnhofs und der oberirdischen
Gleisanlagen begonnen werden?

53. Warum benötigt der Flughafen Stuttgart nach Ansicht der Bundesregierung

eine ICE-Anbindung, obwohl er auch in absehbarer Zeit kein Hub mit

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3925

internationaler Bedeutung wird, und für die überwiegend regionalen Nutzer
zu einer unverhältnismäßigen Verteuerung der Fahrpreise führen würde?

54. Welches sind die mit der Tunnelführung verbundenen Sicherheitsrisiken?

Entsprechen die Planungen bereits neuesten europäischen Standards, falls
nicht, mit welchen zusätzlichen Kosten ist zu rechnen?

55. Wer käme für die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen im Tunnelbetrieb auf?

56. Wie viele der vorhandenen Nahverkehrs-Zuggarnituren, die im Raum Stutt-
gart eingesetzt werden, entsprechen nicht den erhöhten Brandschutzbedin-
gungen, die für den Einsatz im Tunnelbahnhof Stuttgart 21 erforderlich wä-
ren?

Wie hoch sind die zusätzlichen Kosten für den Austausch dieser Zuggarni-
turen, und wer würde diese tragen?

57. Für wie viel Prozent der Bahnhofsbenutzer bringt die Durchfahrtstation
Zeitvorteile und für wie viel Prozent der Nutzer entstehen Nachteile durch
die zeitversetzten Umsteigebeziehungen,

a) im Vergleich zu heute und

b) im Vergleich zur Alternative mit Kopfbahnhof und Integriertem Takt-
fahrplan?

58. Wie viele Züge fahren derzeit im Fern- und Nahverkehr im Stuttgarter
Hauptbahnhof ab?

59. Sind die Kapazitäten der geplanten Variante des Tiefbahnhofs ausreichend,
um im Stuttgarter Hauptbahnhof ein 30-prozentiges Verkehrswachstum an
Zügen im Fern- und Nahverkehr zu bewältigen?

Stehen in diesem Fall genug Trassen für die Zugabfertigung zur Verfü-
gung?

Berlin, den 15. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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