BT-Drucksache 16/3895

Umsetzung des Entschließungsantrags der Regierungskoalition zur Bahnprivatisierung

Vom 13. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3895
16. Wahlperiode 13. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, Joachim
Günther (Plauen), Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe
Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen,
Ulrike Flach, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Horst
Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg
Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Florian
Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Umsetzung des Entschließungsantrags der Regierungskoalition
zur Bahnprivatisierung

Die zuständige Arbeitsgruppe von Bundesregierung und Koalitionsfraktion hat
sich am 8. November 2006 unter der Leitung des Bundesministers für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, auf eine Teilprivatisierung der
Deutsche Bahn AG (DB AG) verständigt. Der entsprechende Entschließungs-
antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Bundestagsdrucksache 16/3493)
wurde am 24. November 2006 vom Deutschen Bundestag mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen beschlossen (Plenarprotokoll 16/68). In dem Antrag wird
die Bundesregierung aufgefordert, ein Privatisierungsgesetz zu erarbeiten, das
eine Reihe von im Antrag formulierten Zielsetzungen erfüllt. Zu diesen Zielset-
zungen gehört u. a., dass an der DB AG noch in dieser Legislaturperiode private
Investoren beteiligt werden, dass Infrastrukturverantwortung des Bundes umfas-
send gesichert werden muss, dass private Investoren nicht an den Infrastruktur-
unternehmen beteiligt werden, dass die Infrastrukturgesellschaften vor der Kapi-
talprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt werden, dass die DB AG
über einen vertraglich zu vereinbarenden Zeitraum diese Infrastruktur betreiben
darf und dass die DB AG die Möglichkeit erhält, Schienenverkehr und Infra-
struktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was versteht die Bundesregierung unter der in der Ziffer I.2. des Ent-
schließungsantrags erwähnten Infrastrukturverantwortung des Bundes aus
Artikel 87e des Grundgesetzes (GG)?

Drucksache 16/3895 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Versteht die Bundesregierung die Ziffer 3 des Antrags, wonach private In-
vestoren nicht an den Infrastrukturunternehmen beteiligt werden und diese
vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt werden, in
dem Sinne, dass damit die Alleineigentümerstellung des Bundes dauerhaft
festgeschrieben wird?

3. Welche rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung,
um der DB AG zu ermöglichen, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer
wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren?

4. Ist nach Ansicht der Bundesregierung, das im Vorfeld der Einigung vom
8. November 2006 von Bundesminister Wolfgang Tiefensee präsentierte
„Eigentumssicherungsmodell“ mit den Vorgaben aus dem Entschließungs-
antrag der Koalitionsfraktionen vereinbar oder nicht?

5. Wäre es nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Entschließungsantrag
der Koalitionsfraktionen vereinbar, der DB AG gegenüber dem Bund eine
rechtlich abgesicherte Position dahingehend einzuräumen, dass der Bund
dauerhaft von der Einwirkung auf die Infrastrukturgesellschaften ausge-
schlossen wird?

6. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Entschließungsantrag zu
vereinbaren, wenn Substanz und Ertrag der Infrastrukturgesellschaften voll-
ständig und auf Dauer der DB AG und nicht dem Bund zugeordnet werden?

7. Wäre es mit dem Entschließungsantrag zu vereinbaren, der DB AG das
„wirtschaftliche Eigentum“ an den Infrastrukturgesellschaften zu übertra-
gen?

Wenn ja, was versteht die Bundesregierung unter „wirtschaftlichem Eigen-
tum“ im Einzelnen, und welche Rechte sind für die DB AG damit verbun-
den?

8. Wäre es mit den Anforderungen des Entschließungsantrags vereinbar, wenn
der Bund nicht voll berechtigter Eigentümer der Infrastrukturgesellschaften
wäre, sondern lediglich die Stellung eines Pfandrechtgläubigers einnehmen
würde?

9. Welchen Nutzen verspricht sich die Bundesregierung davon, dass der Bund
zukünftig unmittelbarer Eigentümer der Infrastrukturgesellschaften wird?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung bezüglich der Immobilienzuordnung im
DB-Konzern, vor der Einbringung eines Privatisierungsgesetzes in den
Deutschen Bundestag einen rechtmäßigen Zustand herzustellen?

11. Was wäre nach Ansicht der Bundesregierung ein rechtmäßiger Zustand bei
der Immobilienzuordnung?

12. Gibt es inzwischen eine bedingungslose Zusage des Vorstandes der DB AG,
wenn nein, welche Bedingungen knüpft der Bahnvorstand an die Herstel-
lung des rechtmäßigen Zustands?

13. Beabsichtigt die Bundesregierung, die lastenfreie Übertragung der so ge-
nannten Aurelis-Immobilien auf die DB Netz AG durchzusetzen?

14. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindlichkeiten in der Bilanz
der DB Holding AG, die sachlich der DB Netz AG zuzuordnen sind?

Wenn ja, wie hoch sind diese Verbindlichkeiten?

15. Gibt es Vorschriften des europäischen oder deutschen Rechts, nach denen es
unzulässig wäre, Verbindlichkeiten, die die DB Netz AG betreffen, bei der
DB Holding AG zu bilanzieren?

16. Stellt der von der DB AG in diesem Jahr vorgestellte „Netzzustandsbericht“

aus Sicht der Bundesregierung eine hinreichende Beschreibung des qualita-
tiven Zustandes der Bundessschienenwege dar?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3895

17. Wie hoch ist die aktuelle Anzahl von Langsamfahrstellen im Netz der Bun-
desschienenwege, und wie hat sich die Anzahl der Langsamfahrstellen seit
dem Jahr 2000 entwickelt (dargestellt in einer Zeitreihe)?

18. Welche Qualitätskriterien sind nach Ansicht der Bundesregierung erforder-
lich und geeignet, um Zustand und Zustandsveränderungen der Bundes-
schienenwege im Zeitverlauf vergleichbar zu beurteilen?

19. Was versteht die Bundesregierung unter „Eigenmitteln“ der DB AG bzw.
DB Netz AG im Rahmen von Investitionen in das Bestandsnetz?

Gehören nach Ansicht der Bundesregierung auch die „aktivierten Eigenleis-
tungen“ zu diesen Eigenmitteln?

20. Wie hoch waren die „aktivierten Eigenleistungen“ im Rahmen von Investi-
tionen in das Bestandsnetz der Bundesschienenwege in den letzten zehn
Jahren (dargestellt in einer Zeitreihe)?

21. Ist nach Ansicht der Bundesregierung nach Maßgabe des Artikels 87e GG
ein Privatisierungsgesetz für Veräußerungen von Anteilen des Bundes an
der DB AG erforderlich, wenn zuvor das Eigentum an den Infrastruktur-
gesellschaften auf den Bund übertragen wird?

22. Welche Fallgruppen von „wirtschaftlichem Eigentum“, die von der Recht-
sprechung und der bilanzrechtlichen Literatur anerkannt sind, entsprechen
nach Ansicht der Bundesregierung der vorliegenden Interessenskonstella-
tion bei der Privatisierung der DB AG nach Maßgabe des Entschließungs-
antrags?

23. Wäre es mit den Anforderungen des Entschließungsantrags vereinbar, wenn
private Investoren Anteile am wirtschaftlichen Eigentum an den Infrastruk-
turgesellschaften erwerben und damit wirtschaftliche Miteigentümer der In-
frastrukturgesellschaften werden?

24. Führt die Ausübung einer Call-Option (bei Vertragsverletzung, Nichteini-
gung über die Anpassung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung,
europarechtlichen Änderungen oder bei Ablauf eines vertraglich festgeleg-
ten Zeitraums) bei bestehendem wirtschaftlichem Eigentum der DB AG an
der Infrastrukturgesellschaften und gleichzeitigem Sicherungseigentum des
Bundes dazu, dass der Sicherungszweck und die Sicherungsabrede entfal-
len?

25. Erwirbt der Bund in dieser Konstellation bei Wegfall der Sicherungsabrede
automatisch und direkt die volle rechtliche und wirtschaftliche Verfügungs-
befugnis an den Anteilen an den Infrastrukturgesellschaften, oder wird nach
Wegfall der Sicherungsabrede zunächst die DB AG die rechtliche Eigen-
tümerin, die dann einem schuldrechtlichen Herausgabeanspruch des Bundes
an den Eigentumsanteilen der Infrastrukturgesellschaften ausgesetzt ist?

26. Welche Einwirkungsrechte des Bundes sollen nach Ansicht der Bundes-
regierung mit der im Entschließungsantrag festgeschriebenen Eigentümer-
stellung des Bundes an den Infrastrukturgesellschaften verbunden sein?

27. Welcher Zweck wird nach Ansicht der Bundesregierung mit dem in
Artikel 87e GG festgeschriebenen Mehrheitseigentum des Bundes an den
Infrastrukturgesellschaften verfolgt?

Berlin, den 11. Dezember 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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