BT-Drucksache 16/3871

Prümer Vertrag und die europäische Integration

Vom 13. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3871
16. Wahlperiode 13. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christian Ahrendt, Markus Löning, Michael Link (Heilbronn),
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Prümer Vertrag und die europäische Integration

Der im Mai 2005 von sieben EU-Mitgliedstaaten unterzeichnete Prümer Vertrag
soll nach dem Willen der Vertragsstaaten – wie ehedem das Schengener Ver-
tragswerk – eine Vorreiterrolle in Europa übernehmen, und zwar für den Bereich
der polizeilichen Zusammenarbeit. Langfristig soll der Prümer Vertrag in den
EU-Acquis überführt werden, was allerdings die Zustimmung aller EU-Mit-
gliedstaaten voraussetzt.

Nun haben sich die Rahmenbedingungen der europäischen Justiz- und Innen-
politik seit dem Beginn der Schengen-Kooperation jedoch stark verändert und
damit auch die Bedingungen für eine Wiederholung des Schengen-Prozesses.
Zum einen besteht mittlerweile ein umfassender Rechtskörper in der europäi-
schen Justiz- und Innenpolitik. Und zum anderen haben sich die Entscheidungs-
strukturen auf europäischer Ebene seit Schengen stark verändert.

Durch die mittlerweile hohe Zahl von rund 1 200 wirksamen Rahmenbeschlüs-
sen, Verordnungen oder Richtlinien und sonstigen Maßnahmen im Bereich der
europäischen Justiz- und Innenpolitik ergeben sich zwangsläufig Konflikte mit
jedweder Form der verstärkten Zusammenarbeit. Alle drei von Prüm erfassten
Bereiche – Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, des Terroris-

mus und der illegalen Migration – werden mittlerweile durch EU-Recht geregelt.
Die Prümer Regelungen müssen aufgrund dieses mittelbaren Bezugs somit im-
mer auch vor dem Hintergrund des EU-Besitzstandes gesehen und bewertet wer-
den. In diesem Zusammenhang ist daran zu denken, dass das in Artikel 10 des
EG-Vertrags normierte Loyalitätsprinzip – insbesondere bezogen auf das Ziel
der Schaffung eines einheitlichen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts – verletzt sein kann. Diesem Prinzip entsprechend sind die Mitgliedstaa-

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ten der Union dazu verpflichtet, alle Maßnahmen zur Erfüllung des EG-Vertrags
zu ergreifen bzw. zu unterlassen, wenn sie sich schädlich auswirken könnten.

Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die erweiterten Zugriffsmöglichkeiten auf
Daten anderer Staaten im Hinblick darauf, dass die EG-Datenschutzrichtlinie
für den Bereich der 3. Säule nicht gilt und für einen Rahmenbeschluss über
den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und
justiziellen Zusammenarbeit verarbeitet werden, bislang nur ein Vorschlag
des Rates vorliegt?

2. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, sich bei der inhaltlichen Kon-
zeption des beabsichtigten Rahmenbeschlusses enger an die EG-Datenschutz-
richtlinie anzulehnen um sicherzustellen, dass die Datenschutzregeln für die
3. Säule soweit wie möglich mit dem Datenschutzniveau in der 1. Säule über-
einstimmen, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

3. Wie begegnet die Bundesregierung den Vorwurf, dass die Prümer Vertrags-
staaten die anderen EU-Mitgliedstaaten sowie die europäischen Entschei-
dungsmechanismen umgangen haben, um anstelle der schwierigen Suche
nach Kompromissen im Ministerrat ihre eigenen Interessen effizienter durch-
zusetzen?

4. Wie glaubt die Bundesregierung dem im EU-Vertrag festgelegten Ziel der
Schaffung eines einheitlichen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts mit dem Prümer Vertrag dienen zu können, wenn er doch eher einer
weiteren Fragmentierung der Justiz- und Innenpolitik Vorschub leistet?

5. Wie will die Bundesregierung die für eine Überführung der Prümer Regelun-
gen in den EU-Rechtsrahmen erforderliche Einstimmigkeit zwischen den
Mitgliedstaaten besonders mit Blick darauf erreichen, dass die Möglichkeit
der Anbindung des Prümer Vertrags an den EU-Rechtsrahmen durch die in
Artikel 40 EUV vorgesehene Verstärkte Zusammenarbeit bereits von der
österreichischen Ratspräsidentschaft als Ziel der Kooperation verworfen
wurde?

6. Werden die Prümer Vereinbarungen zum Datenaustausch und zur operativen
Polizeikooperation auch dann hinfällig, wenn EU-Regelungen in Kraft tre-
ten, die gegenständlich zwar in den Anwendungsbereich des Prümer Ver-
trags fallen, materiell aber hinter dessen Kooperationsniveau zurückbleiben
bzw. – umgekehrt – darüber hinausgehen, und was ergibt sich hierzu aus
Artikel 47 des Vertrags?

7. Kann die Bundesregierung danach ausschließen, dass Prümer- und EU-Rege-
lungen ganz oder teilweise parallel fortbestehen?

8. Wenn ja, warum, wenn nein, was bedeutet dies nach Ansicht der Bundes-
regierung für die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, und welche Folgen
hätte dies für die Koordination und Kooperation auf dem Gebiet der euro-
päischen Innen- und Justizpolitik?

9. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung in der Frage, ob der Geist
des Prümer Vertrags der Verwirklichung des Zieles der Schaffung eines euro-
paweiten Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts illoyal gegen-
übersteht?

Berlin, den 27. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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