BT-Drucksache 16/3841

Eigenkapitalbildung fördern - Deutschlands Mittelstand fit machen

Vom 13. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3841
16. Wahlperiode 13. 12. 2006

Antrag
der Abgeordneten Martin Zeil, Paul K. Friedhoff, Frank Schäffler, Rainer Brüderle,
Gudrun Kopp, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans,
Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela
Piltz, Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Eigenkapitalbildung fördern – Deutschlands Mittelstand fit machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf dem Weg in die Wissensgesellschaft ist neben jungen innovativen Techno-
logieunternehmen auch der deutsche Mittelstand die treibende Kraft und Motor
des technologischen Wandels. Ihre Innovationskraft ist mit entscheidend für un-
sere Konkurrenzfähigkeit im globalen Wettbewerb, denn nur mit innovativen
Produkten, Produktionsverfahren und Dienstleistungen können wir künftig
Wachstum und Arbeitsplätze sichern und als Global Player ganz vorne mit dabei
sein.

Hohe Bürokratiedichte, ungünstige steuerliche Rahmenbedingungen, schlep-
pende Genehmigungs- und Zulassungsverfahren, ein überregulierter Arbeits-
markt, die unsichere Konjunktur und der Fachkräftemangel behindern die Um-
setzung von neuen Ideen, die Unternehmensentwicklung und die Etablierung am
Markt.

Ein Haupthemmnis für Innovationen und Expansionen ist die Kapitalknappheit.

Gute Ideen brauchen Zeit und Geld zur Reife. Die Finanzierung junger, risiko-
anfälliger Technologieunternehmen auf der einen Seite ist wegen der langen und
kostenintensiven Forschungs- und Entwicklungszeiten und fehlender Sicherhei-
ten besonders in der Anfangszeit grundsätzlich schwierig und kann angesichts
mangelnder Eigenkapitaldecke durch normale Kredite nicht immer gewährleis-
tet werden. Auf der anderen Seite haben auch etablierte klein- und mittelständi-
sche Betriebe im internationalen Vergleich eine zu geringe Ausstattung mit

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Eigenkapital. Dies lässt sich vielfach auf mangelnde Informationen über die ver-
schiedenen Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung zurückführen.

Nicht unproblematisch für den Mittelstand sind auch die geplanten neuen Eigen-
kapitalrichtlinien durch Basel II, die die Banken zur Neubewertung ihrer Kredit-
risiken zwingen und die traditionelle Kreditfinanzierung stärker limitieren.
Diese nachhaltig geänderte Bewertung der Ausstattung mit Eigenkapital im
Zuge der Liberalisierung und Globalisierung der Finanzmärkte ist deshalb eine
wichtige Herausforderung für die Unternehmensfinanzierung in Deutschland.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung stellt in seinem Jahresgutachten 2005/2006 fest, dass sich das deutsche
Finanzsystem in einem grundlegenden Wandel hin zu einer stärkeren Markt-
orientierung befindet; kapitalmarktbasierte Finanzierungsinstrumente und ins-
titutionelle Investoren gewinnen zunehmend an Bedeutung. Damit steigen die
Anforderungen an die Unternehmen, insbesondere hinsichtlich ihrer Leitungs-
organe, Kontrolle sowie der Transparenz. Grundsätzlich bietet diese Entwick-
lung die Chance zu einer Effizienzsteigerung des Finanzsystems.

Der Sachverständigenrat stellt weiter fest, dass das sich wandelnde Finanzie-
rungsumfeld vor allem von mittelständischen Unternehmen als Bedrohung emp-
funden wird, da die geänderte Geschäftspolitik der Banken den traditionellen
Zugang zu Finanzierungsmitteln in Form von Bankkrediten tendenziell ver-
schlechtert hat. Aufgrund ihrer traditionell starken Abhängigkeit von Bank-
krediten werden sie von Veränderungen der Kreditkonditionen besonders stark
betroffen. So zeigen die Ergebnisse der von Wirtschaftsverbänden gemeinsam
mit der KfW Bankengruppe (KfW), Frankfurt am Main, durchgeführten Unter-
nehmensbefragungen, dass vor allem Mittelständler tatsächlich von einem deut-
lichen Anstieg der Kreditkosten – in Form höherer Zinskosten und/oder gestie-
gener Anforderungen bei der Besicherung – betroffen sind oder gar überhaupt
keinen Zugang zu Krediten mehr haben. In diesem Umfeld wird die Eigenkapi-
talschwäche zunehmend zur Achillesferse vieler mittelständischer Unterneh-
men. Wenngleich sich diese in den letzten Jahren insgesamt leicht verbessert hat,
zeigt sich doch, dass es insbesondere den kleineren Unternehmen bislang nicht
gelungen ist, ihre Eigenmittel – und damit einhergehend ihre Bonität – in ausrei-
chendem Maße zu verbessern.

Der Sachverständigenrat stellt ebenfalls fest, dass es nicht ausgeschlossen wer-
den kann, dass die konstatierten Finanzierungsprobleme dieser Unternehmen
eine Ursache der Investitionsschwäche in den vergangenen Jahren darstellen.
Neben der Verbesserung der allgemeinen Rahmenbedingungen zur Erhöhung
des Wachstums und damit der Gewinnthesaurierungsmöglichkeiten sollte eine
gezielte, marktkonforme Förderung vor allem auf eine Verbesserung der Zu-
gangsmöglichkeiten kleiner mittelständischer Unternehmen zu Beteiligungska-
pital fokussiert sein.

Der Bundesverband deutscher Banken stellt in diesen Zusammenhang aber fest,
dass die bisherigen Ergebnisse und Umfragen eine ungenügende Nachfrage der
Unternehmen ergeben haben. Viele Unternehmer fürchten demnach den Ein-
fluss von „fremdem“ Eigenkapital auf die eigene Entscheidungsfreiheit. Dies
macht die teilweise unzureichende Aufklärung auf Unternehmerseite deutlich.

Wir brauchen eine neue Beteiligungskultur in Deutschland. Andere Länder ha-
ben besser auf die Krise am Kapitalmarkt reagiert. Das Marktpotenzial im Be-
reich Beteiligungsfinanzierung ist zwar auch bei uns bei weitem nicht ausge-
schöpft, doch die Lage am deutschen Beteiligungskapitalmarkt wird sich erst
wieder verbessern, wenn die steuerlichen Rahmenbedingungen und die Exit-
Möglichkeiten für Beteiligungskapitalgeber günstiger gestaltet werden.
Staatliche Maßnahmen zur Gründer- und Frühphasenförderung und anderer er-
folgreicher öffentlicher Fördermaßnahmen (ERP-Innovationsprogramm, KfW-

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Risikokapitalprogramm) reichen nicht aus und können den Fortbestand und die
Finanzierung innovativer Unternehmen und Branchen nicht allein sichern. Vor
allem wenn sich die Bundesregierung aus dem Förderungsgeldern des ERP-Ver-
mögens zur Schuldentilgung bedient.

Das Rating von kleinen und mittleren Unternehmen ist zum entscheidenden
Faktor in der Bewertung der Kreditwürdigkeit geworden. Angesichts der inzwi-
schen im Regelfall von den Banken durchgeführten Bonitätsbeurteilungen von
Unternehmen soll darauf hingewirkt werden, dass gerade kleinere Unternehmen
dem Thema Rating offen gegenübertreten. Zurzeit wissen laut der KfW 13 Pro-
zent der kleinen und mittleren Unternehmen nicht, ob über sie ein Rating bei der
Bank geführt wird.

Die Schaffung attraktiver, innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen durch
Strukturreformen in allen gesellschaftlichen Bereichen zur Senkung von Staats-
quote, Steuern und Abgaben, durch Aufstockung der Investitionen in Bildung
und Forschung auf mindestens 3 Prozent des BIP sowie durch die schnelle Um-
setzung einer echten Mittelstandsoffensive inklusive eines umfassenden Büro-
kratieabbaus sind wesentlichen Grundlagen für einen wirtschaftlich gesunden
Mittelstand. Dazu gehört auch eine Steuerreform einschließlich der Abschaf-
fung der mittelstandfeindlichen Gewerbesteuer und Ersetzung durch eine ge-
meindefreundliche Steuerquelle.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

durch folgende Maßnahmen eine neue Unternehmensfinanzierungskultur in
Deutschland zu fördern, um die Eigenkapitalsituation von kleinen und mittleren
Unternehmen (mit hohem Wachstums- und Arbeitsplatzpotential) zu verbes-
sern:

1. Einführung einer Abgeltungssteuer von höchstens 25 Prozent, mit zielführen-
der Ausgestaltung und Einbindung in ein vernünftiges steuerliches Gesamt-
konzept mit niedrigen und einfachen Steuersätzen, um Kapitalanlagen in
Deutschland wieder attraktiv zu machen.

2. Bessere Bedingungen für Beteiligungskapitalgeber. Hierzu sind umgehend
konkrete Vorschläge zur Verbesserungen der Bedingungen für Beteiligungs-
kapitalgeber und insbesondere zur Sicherung der Frühphasen- und Anschluss-
finanzierung (Seed Finance, Early Stage Finance und Growth Finance) junger
Unternehmen vorzulegen.

3. Verbesserungen für Mitarbeiterbeteiligungen/Stock options. Die steuerlichen
Rahmenbedingungen für die Einführung von Mitarbeiter-Kapitalbeteili-
gungsmodellen müssen insgesamt verbessert werden. Vor allem Stock op-
tions sollten endlich so besteuert werden, dass Unternehmen in Deutschland
nicht schlechter gestellt sind als in anderen Ländern. Es ist ein Wahlrecht zwi-
schen einer Versteuerung bei Gewährung oder Ausübung der Aktienoptionen
sowie einer pauschalen niedrigen Besteuerung des Veräußerungsgewinns
(z. B. 15 Prozent) oder eine Regelung wie in den USA (mit Freibeträgen) zu
prüfen.

4. Erleichterung für Beteiligungen von Privatinvestoren, um Eigenkapital von
außen zur Verfügung zu stellen, z. B. durch Steuersenkungen.

5. Umbau bestehender Eigenkapitalförderprogramme und Erhöhung deren Be-
kanntheitsgrades. Diese Programme sind stärker auf kleine Unternehmen
auszurichten, außerdem soll nicht nur an die Schaffung neuer, sondern auch
an den Erhalt bestehender Arbeitsplätze angeknüpft werden.

6. Ausbau und Entwicklung der Möglichkeiten (u. a. Bekanntheitsgrad) durch

Mezzanine-Kapital. Die Finanzierung durch Mezzanine-Kapital ist in
Deutschland noch wenig verbreitet, dadurch entgehen der Wirtschaft Chan-

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cen ihre Eigenkapitalbasis zu verbessern und unabhängiger vom klassischen
Bankkredit zu werden.

7. Förderkredite zielgerichteter einsetzen. Förderkredite der KfW-Mittelstands-
bank sind zwar nützlich, lösen aber die Probleme nicht nachhaltig. Nachhal-
tigkeit erreicht man nicht durch die Kurierung von Symptomen, sondern
durch eine Stärkung der Selbstfinanzierungskräfte der Unternehmen.

8. Kommunikation zwischen Kreditinstituten und kleinen Unternehmen zum
Thema Rating durch geeignete Maßnahmen aktiv zu beleben.

Berlin, den 12. Dezember 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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