BT-Drucksache 16/3612

Schutz vor Biowaffen verbessern - Das Biowaffenübereinkommen stärken

Vom 29. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3612
16. Wahlperiode 29. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Klaeden,
Dr. Andreas Schockenhoff, Bernd Siebert, Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen), Monika Brüning, Anke Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Dr. Peter
Gauweiler, Hermann Gröhe, Manfred Grund, Jürgen Herrmann, Robert Hochbaum,
Joachim Hörster, Hartmut Koschyk, Dr. Karl Lamers (Heidelberg), Eduard Lintner,
Henning Otte, Ruprecht Polenz, Hans Raidel, Dr. Norbert Röttgen,
Kurt J. Rossmanith, Anita Schäfer (Saalstadt), Bernd Schmidbauer, Karl-Georg
Wellmann, Willy Wimmer (Neuss), Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der
Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Rolf Mützenich,
Uta Zapf, Niels Annen, Rainer Arnold, Klaus Barthel, Ulla Burchardt, Dr. Herta
Däubler-Gmelin, Detlef Dzembritzki, Petra Ernstberger, Monika Griefahn, Frank
Hofmann (Volkach), Brunhilde Irber, Johannes Jung (Karlsruhe), Hans-Ulrich
Klose, Walter Kolbow, Rolf Kramer, Ute Kumpf, Lothar Mark, Markus Meckel,
Ursula Mogg, Thomas Oppermann, Johannes Pflug, Dr. Hermann Scheer,
Otto Schily, Olaf Scholz, Dr. Angelica Schwall-Düren, Dr. Ditmar Staffelt,
Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Schutz vor Biowaffen verbessern – Das Biowaffenübereinkommen stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 10. April 1972 wurde in London, Moskau und Washington das Übereinkom-
men über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriolo-
gischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung
solcher Waffen (BWÜ) unterzeichnet. Deren Anwendung ist bereits seit 1925
durch das Genfer Protokoll verboten. Mit dem Inkrafttreten des BWÜ 1975
wurde das Verbot vervollständigt und die gesamte Kategorie dieser Waffen ver-
boten. Insbesondere Länder des Mittleren Ostens und in Afrika sind dem
Übereinkommen noch nicht beigetreten. Bis heute haben 155 Staaten das BWÜ
ratifiziert. Die Bundesrepublik Deutschland trat dem BWÜ im Jahr 1983 bei.

Mittlerweile ist bekannt geworden, dass mindestens ein Mitgliedstaat des Über-
einkommens trotz Verbots an biologischen und Toxinwaffen gearbeitet hat. Bei
anderen Staaten wird vermutet, dass sie Biowaffenprogramme unterhalten. Das
BWÜ verfügt aber im Gegensatz zu anderen multilateralen Verträgen, wie etwa
dem Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ), über kein Verifikationsregime und
kein Sekretariat. Verstöße gegen den Vertrag werden somit nicht systematisch
aufgedeckt und sanktioniert.

Heute erscheint der staatliche Einsatz von biologischen Erregern oder Toxinen
als Massenvernichtungswaffe eher unwahrscheinlich. Der Einsatz dieser Waffe

Drucksache 16/3612 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ist in der internationalen Staatengemeinschaft geächtet. Bereits der begrenzte
nichtstaatliche Einsatz von Anthrax im Jahr 2001 in den USA zeigte allerdings,
was für Auswirkungen ein gezielter Angriff (staatlicher oder nichtstaatlicher
Akteure) mit biologischen oder Toxinwaffen haben könnte. Die Produktion und
Ausbringung eines virulenten und infektiösen Erregers in potenziell massenver-
nichtendem Ausmaß ist auf Grund der hohen Komplexität und technischen Hür-
den ohne staatliche Hilfe derzeit wenig wahrscheinlich. Das zwischen Staaten
geschlossene BWÜ ist somit ein wichtiges Mittel auch gegen den terroristischen
Einsatz von Biowaffen. Ein Verifikationsinstrument würde dabei helfen, sicher-
zustellen, dass sich alle Staaten an das B-Waffen-Verbot halten und entspre-
chende nichtstaatliche Aktivitäten auf ihrem Territorium unterbinden.

In den 1990er Jahren versuchten die BWÜ-Mitgliedstaaten, ein rechtsverbindli-
ches Ergänzungsprotokoll mit einem Melde- und Verifikationsinstrumentarium
zu vereinbaren. Dieser Versuch scheiterte 2001 an Bedenken der USA, an russi-
schen Vorbehalten sowie an der mehrheitlichen Zurückhaltung der blockfreien
Staaten.

Vom 20. November bis zum 8. Dezember 2006 findet in Genf die 6. der bisher
alle fünf Jahre stattfindenden BWÜ-Überprüfungskonferenzen statt. Diese bie-
tet eine neue Chance für die notwendigen Abrüstungsbemühungen auf dem Feld
der biologischen und toxischen Waffen.

Der UN-Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 1540 aus dem Jahr 2004 noch
einmal darauf verwiesen, dass biologische Waffen eine Gefahr für den Weltfrie-
den darstellen. In dieser Resolution fordert der UN-Sicherheitsrat alle Staaten
auf, die Stärkung der multilateralen Verträge im Bereich der Kontrolle von Mas-
senvernichtungswaffen zu fördern.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt

1. den Einsatz der Bundesregierung für eine Stärkung des Biowaffenüberein-
kommens im Rahmen ihrer Strategie der multilateralen Rüstungskontrolle;

2. die internationalen Bemühungen um Ächtung von biologischen und Toxin-
waffen. Insbesondere zu erwähnen ist dabei der im März 2006 vom Europä-
ischen Rat beschlossene Gemeinsame Standpunkt zur 6. BWÜ-Überprü-
fungskonferenz (2006/242/GASP), in der die EU-Position für die soeben be-
gonnene Konferenz festgelegt wurde. Ebenfalls zu nennen ist die Resolution
des UN-Sicherheitsrates 1540 aus dem Jahr 2004, die alle Staaten verpflich-
tet, die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen zu kriminalisieren, strikte
Exportkontrollen zu gewährleisten und die für Massenvernichtungswaffen
relevanten Materialien zu sichern: die Berichte von Kofi Annan „In larger
freedom“ und „Uniting against terrorism“ aus den Jahren 2005 bzw. 2006, die
im September 2006 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verab-
schiedete UN-Strategie zur Terrorismusbekämpfung, der Report der Blix-
Kommission „Weapons of Terror“ aus dem Jahr 2006 und die Kananaskis-
Erklärung der G8 von 2002, in der die „Global Partnership Against the
Spread of Weapons and Materials of Mass Destruction“ verabschiedet wurde;

3. die Bemühungen von Wissenschaftlern, einen „Verhaltenskodex für Biowis-
senschaftler“ zu entwickeln und die Unterstützung der Bundesregierung für
solche Initiativen.

III. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in Bezugnahme auf den Gemeinsamen Standpunkt des Europäischen Rates
(2006/242/GASP), sich in den Verhandlungen während der 6. BWÜ-Über-
prüfungskonferenz insbesondere für folgende Punkte einzusetzen:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3612

● die weltweite Verbesserung der nationalen Regeln und deren Implementie-
rung zur Sicherung pathogener Mikroorganismen,

● die internationale Harmonisierung solcher Regeln und deren Implementie-
rung,

● diejenigen Staaten, die das BWÜ noch nicht ratifiziert haben, zum Beitritt zu
bewegen und Partner für eine Kampagne zu suchen, um der Universalisie-
rung bis zur BWÜ-Überprüfungskonferenz 2011 näher zu kommen,

● die Verbesserung der Vertrauensbildenden Maßnahmen (VBMs),

● die Entwicklung von Vorschlägen für Maßnahmen zur Stärkung und Verifi-
zierung der Vertragstreue,

● im Rahmen der EU einen Katalog zur Identifizierung, Analyse und Verbes-
serung solcher Maßnahmen zu erstellen;

2. die Ausweitung der Exportkontrollstandards der Australischen Gruppe auf
möglichst viele Länder zu befördern, um den konventionswidrigen Miss-
brauch von biologischen Agenzien und Ausrüstungsgegenständen zu verhin-
dern. Nichtmitglieder sollen bei der Erstellung und Fortentwicklung von Ex-
portkontrollen ermutigt und unterstützt werden. Die Bundesregierung wird
aufgefordert, ihr Engagement in diesem Bereich fortzusetzen und sich inner-
halb der EU weiterhin für die nachhaltige Unterstützung von Drittstaaten auf
dem Gebiet der Exportkontrolle einzusetzen, wie dies bereits in der EU-Stra-
tegie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vorgesehen ist;

3. Maßnahmen zu unterstützen, die die Stellung und die Möglichkeiten des Ge-
neralsekretärs der Vereinten Nationen und seines Büros stärken, damit er im
Fall von bekannt gewordenen Verdachtsfällen aktiv werden und den Sicher-
heitsrat informieren kann. Dazu gehören z. B. ein Expertenpool, die ver-
stärkte Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation und verbesserte
Richtlinien zur Untersuchung von Verdachtsfällen. Dabei sollte auch geprüft
werden, inwieweit die bei UNMOVIC bestehende Expertise eingebracht
werden kann;

4. die Bildung eines ständigen Sekretariats, um organisatorische und verwal-
tungstechnische Maßnahmen zu unterstützen, die den Vertrag betreffen, wie
Überprüfungskonferenzen oder Expertentreffen, sowie Aktivitäten der Ver-
tragsstaaten zur Verbesserung der nationalen Implementierung des BWÜ und
zur Unterstützung bei der Erzielung der Universalität;

5. nationale Initiativen zur Erarbeitung eines „Verhaltenskodex für Biowissen-
schaftler“ auf der Ebene unterhalb staatlicher Regulierung aktiv zu unterstüt-
zen (Bottom-up-Ansatz);

6. angesichts der Möglichkeit zur gentechnischen Veränderung von Krankheits-
erregern auf internationaler Ebene eine strenge Kontrolle gentechnischer
Experimente im Bereich der waffentauglichen Organismen anzustreben;

7. sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aktiv für ein weiteres
EU-Engagement zur Stärkung des BWÜ einzusetzen und weiterhin an dem
Ziel der Schaffung eines Verifikationsprotokolls festzuhalten.

Berlin, den 29. November 2006

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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