BT-Drucksache 16/3387

Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3387
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich
L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht,
Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Patrick
Meinhardt, Jan Mücke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen

Gegenwärtig herrscht erhebliche Unsicherheit bei der Gestaltung des Widerrufs-
rechts im Fernabsatz. Das Landgericht Halle hält die Musterwiderrufsbelehrung
im Anhang der Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach
bürgerlichem Recht (BGB-InfoV) für unwirksam (Urteil vom 13. Mai 2005,
Az. 1 S 28/05). Auf Grund von Abweichungen zum Wortlaut der gesetzlichen
Vorgaben in § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) werde der Verbraucher
im Unklaren gelassen, wann die Widerrufsfrist tatsächlich zu laufen beginne.
Der Unternehmer könne sich daher nicht wirksam auf das Muster berufen. Zur
Verunsicherung gewerblicher Anbieter von Waren auf Internet-Versteigerungs-
plattformen haben die Entscheidungen des Berliner Kammergerichts (KG,
Beschluss vom 18. Juli 2006, Az. 5 W 156/06) und des Hanseatischen Ober-
landesgerichts (OLG Hamburg, Urteil vom 24. August 2006, Az. 3 U 103/06)
geführt. Die Gerichte haben in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten die Auf-
fassung vertreten, dass eine Widerrufsbelehrung, nach der bei einer Auktion
über eine Internet-Versteigerungsplattform ein zweiwöchiges Widerrufsrecht
eingeräumt wird, inhaltlich unrichtig sei, da der Verbraucher allenfalls nach
Vertragsabschluss über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt werde. Die
Widerrufsfrist verlängere sich daher regelmäßig auf einen Monat. Die zitierten

Entscheidungen sorgen für erhebliche Verwirrung. Sie stellen für die betroffenen
Unternehmer ein hohes Risiko dar, weil Abmahnungen drohen und, sollten sich
die Entscheidungen als richtig erweisen, die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt
wird mit der Folge, dass ein Widerruf auch noch nach Monaten oder Jahren
möglich wäre, wenn die entsprechende Belehrung nicht nachgeholt wird. In
Anbetracht dieser Umstände erscheint eine Klärung der Frage, in welcher Form
Unternehmen ihre Kunden vom bestehenden Widerrufsrecht unterrichten müs-

Drucksache 16/3387 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sen und welche Konsequenzen eine verspätete oder unterlassene Widerrufs-
belehrung nach sich zieht, geboten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die wirtschaftlichen Auswirkungen der
zitierten Entscheidungen auf den Fernabsatz, insbesondere den gewerb-
lichen Handel über Internet-Versteigerungsplattformen?

2. Ist der Bundesregierung bekannt, ob es auf Grund der zitierten Entschei-
dungen zu einer Zunahme von Abmahnungen gekommen ist?

3. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Landgerichts Halle, dass die
Musterwiderrufsbelehrung im Anhang der BGB-InfoV unwirksam ist, mit
der Folge, dass sich Unternehmer nicht wirksam auf diese berufen können,
und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

4. In welchem Verhältnis sieht die Bundesregierung die Entscheidung des
Landgerichts Halle zu der Absicht des Gesetzgebers, Rechtssicherheit zu
schaffen und Unklarheiten für den Unternehmer durch das Bereitstellen
eines Musters zu verhindern?

5. Teilt die Bundesregierung die in der Kommentarliteratur vertretene Ansicht,
dass die Musterwiderrufsbelehrung trotz evtl. Mängel als wirksam anzu-
sehen sei (Palandt-Heinrichs, § 14 BGB-InfoV, Rn. 6), und wie begründet
sie ihre diesbezügliche Auffassung?

6. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Neufassung der Anlage 2
durch Artikel 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über
Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004
(BGBl. I S. 3103) dazu geführt habe, dass dem Muster Gesetzesrang
zukomme (vgl. Masuch, BB 2005, 344, 347 f.; MüKo/Habersack,
Artikel 245 EGBGB, 4. Aufl. 2006, Rn. 1), welche Rechtsfolgen hätte das,
und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

7. Unter welchen Mängeln leidet nach Ansicht der Bundesregierung die
Musterwiderrufsbelehrung?

8. Seit wann bestehen diese Mängel bzw. sind sie der Bundesregierung
bekannt?

9. Welche weiteren Mängel sehen Literatur und Rechtsprechung, und wie ist
die Haltung der Bundesregierung hierzu?

10. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um die ggf. seit längerem
bekannten Mängel der Musterwiderrufsbelehrung zu beseitigen?

11. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Kammergerichts Berlin und des
Hanseatischen Oberlandesgerichts in den zitierten Entscheidungen, dass
sich die Widerrufsfrist bei Vertragsabschlüssen auf Internet-Versteigerungs-
plattformen regelmäßig auf einen Monat verlängere, da der Verbraucher
allenfalls nach Vertragsabschluss über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß
belehrt werde, und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche
Auffassung?

12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Berliner Kammergerichts,
wonach in der Belehrung über das Widerrufsrecht auf der Webseite an-
geführt werden müsse, dass die Frist frühestens mit Erhalt einer noch ge-
sondert mitzuteilenden Widerrufsbelehrung zu laufen beginne; wie verhält
sich diese Anforderung zum Wortlaut der Muster nach Anlage 2 und 3 der
BGB-InfoV, und wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche

Auffassung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3387

13. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es einem Unternehmer bei
Fernabsatzgeschäften über Internet-Versteigerungsplattformen tatsächlich
überhaupt möglich ist, den Verbraucher so rechtzeitig und vollständig über
das Widerrufsrecht zu informieren, dass es zur Anwendung der gesetzlich
vorgesehenen zweiwöchigen Widerrufsfrist kommt?

14. Sieht die Bundesregierung einen Wertungswiderspruch zwischen § 355
Abs. 2 Satz 2 BGB und § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB, wenn einerseits die
Belehrung in Textform bis zur Warenlieferung als ausreichend angesehen
wird, andererseits hinsichtlich der Wirkungen aber von einer verspäteten
Belehrung ausgegangen wird?

15. Sieht die Bundesregierung einen sachlichen Grund dafür, dass nach den
zitierten Entscheidungen der Fernabsatz über Versteigerungsplattformen
hinsichtlich der Widerrufsfrist mit einem Monat schlechter gestellt wird als
der sonstige Internethandel, für den eine Widerrufsfrist von zwei Wochen
gilt?

16. Sieht die Bundesregierung insoweit gesetzgeberischen Handlungsbedarf
dahin, dass bei einer Belehrung alsbald nach Vertragsabschluss eine Wider-
rufsfrist von nur zwei Wochen bestehe, und wie begründet sie ihre dies-
bezügliche Auffassung?

17. Welchen sonstigen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die Bundes-
regierung?

18. Welche sonstigen Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um der
durch die Entscheidungen eingetretenen Verwirrung und Verunsicherung
entgegenzutreten?

Berlin, den 8. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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