BT-Drucksache 16/3384

Neuregelungen zur Verlegung von Erdkabeln und Kosten des Anschlusses von Windparks auf See an das Höchstspannungsnetz

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3384
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Gudrun Kopp, Horst Meierhofer,
Michael Kauch, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr
(Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Neuregelungen zur Verlegung von Erdkabeln und Kosten des Anschlusses von
Windparks auf See an das Höchstspannungsnetz

Das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvor-
haben (Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz – InPBeschlG) in der am
27. Oktober 2006 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Fassung sieht u. a.
Regelungen zum Anschluss von Offshore-Windenergieanlagen und zur Plan-
feststellung für die Erdverlegung von Hochspannungsleitungen von 110 Kilo-
volt sowie die Verpflichtung von Übertragungsnetzbetreibern vor, Leitungen
von dem Umspannwerk der Offshore-Anlagen bis zum Übertragungs- oder Ver-
teilernetz auf eigene Kosten zu errichten (vgl. Artikel 7 des Änderungsantrags
der Fraktionen der CDU/CSU sowie SPD vom 24. Oktober 2006, Ausschuss-
drucksache 16 (16) 167). Politisches Ziel der Regelungen ist die Beschleuni-
gung des Ausbaus von Stromtrassen, die der Ableitung von Strom aus Offshore-
Windparks dienen sowie im 110 KV-Bereich und innerhalb eines Korridors von
maximal 20 km ab der Küstenlinie landeinwärts geplant werden. Darüber hinaus
sollen die Kosten für den Anschluss von Offshore-Windenergieanlagen durch
eine bundesweite Umlage auf die Allgemeinheit umgelegt werden, deren Be-
rechnung in einer gesonderten Verordnung geregelt werden soll.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie wird der Begriff „Küstenlinie“ genau definiert und wo verläuft sie an der
deutschen Nord- und Ostseeküste konkret?

2. Sieht die Bundesregierung die getroffene Regelung in Artikel 7 Nr. 3 des
InPBeschlG, die den Netzbetreibern die Kosten für Investitionen zum
Anschluss von Offshore-Windparks auferlegt, als einen berufs- und eigen-
tumsrechtlichen Eingriff und damit als Verstoß gegen die Gewährleistung des
Eigentumsschutzes in Artikel 14 und der Berufsfreiheit in Artikel 12 des
Grundgesetzes an, und wenn nein, warum nicht?

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3. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung sichergestellt werden, dass
die dem Übertragungsnetzbetreiber gemäß Artikel 7 Nr. 3 InPBeschlG
(§ 17 Abs. 2a EnWG) entstehenden Kosten für den Bau der Leitungen vom
Umspannwerk der Offshore-Anlagen bis zum Übertragungs- oder Verteiler-
netz in einem angemessenen Verhältnis zu der durchgeleiteten Strommenge
stehen, es dem Betreiber also möglich ist, unwirtschaftliche Leitungsbau-
maßnahmen abzuwehren?

4. Wie soll nach Auffassung der Bundesregierung sichergestellt werden, dass
trotz verschiedener Verfahren für die Zulassung der Offshore-Anlagen im
Sinne von § 10 Abs. 3 Satz 1 EEG und der Zulassung der Hochspannungs-
leitung nach Artikel 7 Nr. 6 InPBeschlG (§ 43 EnWG) die Fertigstellung der
Netzanbindung unter Berücksichtigung der Dauer eines Planfeststellungs-
verfahrens und der Unwägbarkeiten eines Genehmigungsverfahrens zur
Zulassung der Offshore-Anlagen rechtzeitig im Sinne von Artikel 7 Nr. 3
InPBeschlG (§ 17 Abs. 2a Satz 1, 2. HS EnWG) erfolgt?

5. Besteht für den Übertragungsnetzbetreiber nach Auffassung der Bundes-
regierung das Risiko, dass er im Falle der nicht rechtzeitigen Bereitstellung
des Netzanschlusses vom Betreiber der Offshore-Anlagen auf Schadens-
ersatz in Anspruch genommen wird, und wenn ja, auf welcher Rechtsgrund-
lage hält die Bundesregierung derartige Ansprüche für denkbar?

6. Sieht die Bundesregierung die erwähnte Regelung in Artikel 7 des
InPBeschlG als vereinbar mit den Regelungen des Gesetzes für den Vorrang
erneuerbarer Energien (EEG) an, welche in § 4 Abs. 2 die Anschlusspflicht
von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien für die
Übertragungsnetzbetreiber ab dem nächstmöglichen technisch und wirt-
schaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt mit dem betriebenen Hoch- oder
Höchstspannungsnetz regelt, und wenn ja, warum?

7. Wie gedenkt die Bundesregierung den sich hier ergebenden Widerspruch
zwischen der Verpflichtung der Netzbetreiber auf Anschluss ab dem nächst-
möglichen Verknüpfungspunkt im Hoch- oder Höchstspannungsnetz und
der zusätzlichen Finanzierungspflicht der diesem Punkt vorgelagerten Netz-
trassen zu lösen?

8. Wie rechtfertigt die Bundesregierung, dass durch die nun vorgesehene Re-
gelung die Betreiber neu zu errichtender Kraftwerke auf Basis aller anderen
Energieträger außer der Windenergie auf See gegenüber dieser schlechter
gestellt werden, weil sie für die Herstellung derartiger, singulär genutzter
Verbindungsleitungen selbst aufkommen müssen?

9. Welche Auswirkungen hat nach Meinung der Bundesregierung diese Neu-
regelung, wonach die Betreiber von Offshore-Windparks die Kosten für den
Netzanschluss nicht mehr zu tragen hätten und entsprechend nicht in ihre
Projektkalkulation aufnehmen müssen, für die Standortwahl der Offshore-
Windparks?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass hierdurch ein wichtiges
Entscheidungskriterium bei der Wahl der Standorte von Offshore-Anlagen
entfällt, weil dadurch der Anreiz für den Anlagenbetreiber entfällt, einen
wirtschaftlich günstigen Standort zu suchen?

11. Welchen Anteil haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Netz-
anschlusskosten an den gesamten Projektierungskosten eines Offshore-
Windparks?

12. Welche Auswirkungen hat die Befreiung der Anlagenbetreiber von der
Finanzierung dieses Anschlusses auf die Höhe der Netzentgelte im deut-
schen Übertragungsnetz?

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13. Übernimmt nach den Plänen der Bundesregierung der anschließende Über-
tragungsnetzbetreiber eines Offshore-Windparks die Anschlussleitung in
sein Eigentum und erzielt er hierüber eine Eigenkapitalverzinsung, obwohl
er aufgrund der Aufteilung der Kosten unter allen Übertragungsnetzbetrei-
bern nur einen Teil der Kosten zu tragen hätte (Windfall-Profits)?

14. Können die anderen, nicht anschließenden Übertragungsnetzbetreiber die
Ausgleichszahlungen, denen kein Anlagengut gegenübersteht, direkt in den
Netznutzungsentgelten in Ansatz bringen?

15. Welche Konsequenzen hätte dies für die Netzentgelte im Übertragungsnetz?

16. Welche Rolle hat die Bundesnetzagentur im Rahmen der getroffenen Rege-
lungen?

17. Entspricht es der Intention der Bundesregierung, unter der im Artikel 8,
§§ 11 und 12 des Gesetzentwurfs erwähnten Bezeichnung „Erdkabel“ gene-
rell ein unterirdisch verlegtes Energieübertragungssystem zu verstehen oder
ist nach Ansicht der Bundesregierung die anzuwendende Technologie durch
den Begriff „Erdkabel“ vorbestimmt?

18. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass zur Realisierung einer erd-
verlegten Übertragungsstrecke auch alternative Technologien wie z. B. die
Gasisolierte Übertragungsleitung (GIL) zulässig und durch den Begriff
„Erdkabel“ ausdrücklich eingeschlossen sind?

19. Wenn nein, aus welchem Grund sollen solche Technologien nicht berück-
sichtigt werden?

20. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass alternative Technolo-
gien u. U. gleich geeignet sind und ein Wettbewerb zwischen verschiedenen
Technologien evtl. Kosten reduzierend wirkt?

21. Ist die Regelung in Artikel 7 Nr. 6 InPBeschlG so zu verstehen, dass eine
erdverlegte Variante der geplanten Stromtrasse von der Planungsbehörde
von Amts wegen zu prüfen ist oder ist zur Prüfung dieser Variante – wie in
den sog. Formulierungshilfen des BMU geplant war – ein Antrag des jewei-
ligen Netzbetreibers nötig (sog. Antragserfordernis)?

22. Werden auch Stromtrassen von der Regelung in Artikel 7 erfasst, die außer-
halb des 20-km-Korridors liegen, aber dennoch wegen der Ableitung von
Strom aus Offshore-Windparks errichtet werden müssen, beispielsweise die
in den Formulierungshilfen des BMU in Artikel 7 Nr. 5 genannte Anlage
mit der Auflistung von acht Neubauvorhaben für Trassen des Höchstspan-
nungsnetzes?

23. Wenn nein, worauf stützt sich diese Unterscheidung und stimmt die Bundes-
regierung der Auffassung zu, dass eine solche Ungleichbehandlung gegen
das Gleichbehandlungsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt?

24. Werden auch solche Stromtrassen von der Regelung erfasst, die innerhalb
des 20-km-Korridors liegen, aber aus anderen Gründen als denen der Ab-
leitung von Strom aus Offshore-Windparks errichtet werden müssen?

25. Wenn nein, worauf stützt sich diese Unterscheidung und stimmt die Bundes-
regierung der Auffassung zu, dass eine solche Ungleichbehandlung gegen
das Gleichbehandlungsgebot nach Artikel 3 des Grundgesetzes verstößt?

26. Verfolgt die Bundesregierung weiterhin die in der Bundestagsdrucksache
16/54 (Artikel 8 Nr. 1 – § 11a EnWG –) formulierte Absicht, die Verlegung
von Erdkabeln bundesweit durch eine Planfeststellung zu ermöglichen, um
insbesondere Einwirkungen auf Wohngebiete oder Beeinträchtigungen von
im Rahmen des § 23 BNatSchG ausgewiesenen Schutzgebieten zu vermei-

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den und zu verringern, und in welcher Weise und in welchem Zeitraum soll
diese Absicht realisiert werden?

27. Wenn nein, welche Rechtfertigung sieht die Bundesregierung darin, die
Verlegung von Erdkabeln im Gebiet gemäß Artikel 7 Nr. 6 InPBeschlG
(§ 43 Satz 2 EnWG) durch das Rechtsinstrument des Planfeststellungsver-
fahrens zuzulassen, so dass Wohngebiete sowie Naturschutzgebiete von den
Einwirkungen der Hochspannungsfreileitungen entlastet werden, hingegen
im übrigen Bundesgebiet ein derartig durchsetzungsfähiges Rechtsinstru-
ment bzw. eine Plangenehmigung auch zum Schutz von Wohngebieten und
Naturschutzgebieten jedoch nicht anzubieten?

28. Durch welche verwaltungsgerichtlichen Instrumente soll es nach Auffas-
sung der Bundesregierung außerhalb des 20-km-Korridors im Sinne von
Artikel 7 Nr. 6 InPBeschlG (§ 43 Satz 2 EnWG) möglich sein, zur Vermei-
dung insbesondere von Einwirkungen auf Wohngebiete oder von Beein-
trächtigungen von im Rahmen des § 23 BNatSchG ausgewiesenen Schutz-
gebieten die Verlegung von Erdkabeln ggf. gegen den Willen einzelner
Eigentümer durchzusetzen?

29. Gibt es eine Selbstverpflichtung der Netzbetreiber zur Prüfung der erd-
verlegten Varianten von neu zu errichtenden Höchstspannungsleitungen für
Regionen, die nicht in den 20-km-Korridor fallen, und wenn ja, welchen
genauen Inhalt hat diese Selbstverpflichtung (vgl. Ausführungen des
Parlamentarischen Staatsserektärs im Bundesministerium für Umwelt, Na-
turschutz und Reaktorsicherheit, Michael Müller, am 25. Oktober 2006 in
der Sitzung des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit)?

30. Könnte diese Selbstverpflichtung nach Ansicht der Bundesregierung
tatsächlich dazu führen, dass über die im 20-km-Korridor befindlichen
Neubautrassen hinaus Höchstspannungstrassen erdverlegt werden oder hält
die Bundesregierung dies für eher unwahrscheinlich?

31. Wann wird die in Artikel 7 Nr. 4b erwähnte Rechtsverordnung zur Berech-
nung der Mehrkosten erlassen und wie wird die Berechnung ausgestaltet?

Berlin, den 7. November 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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