BT-Drucksache 16/3350

Verzicht auf den Verkauf und das Überlassen von überschüssigem Wehrmaterial

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3350
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin,
Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Dr. Hakki Keskin,
Katrin Kunert, Michael Leutert, Dr. Norman Paech, Dr. Kirsten Tackmann,
Alexander Ulrich, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Verzicht auf den Verkauf und das Überlassen von überschüssigem Wehrmaterial

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Mit den Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sons-
tigen Rüstungsgütern hat sich die Bundesregierung verpflichtet, ihre Rüs-
tungsexportpolitik restriktiv zu gestalten. Durch die Begrenzung deutscher
Rüstungsexporte soll ein Beitrag zur Sicherung des Friedens, der Gewalt-
prävention, der Menschenrechte und einer nachhaltigen Entwicklung in der
Welt geleistet werden.

2. Die Weitergabe von Bundeswehrgerät an andere Staaten, wie z. B. Leopard-
Kampfpanzer an Chile oder die Türkei und Patriot-Raketenabwehrsysteme
an Israel, steht im Widerspruch zu dem erklärten Ziel der Bundesregierung,
die Menge der konventionellen Waffen weltweit so weit zu reduzieren, dass
von ihnen keine Kriegsgefahr mehr ausgeht.

3. Jede Weitergabe von hochwertigem Waffengerät der Bundeswehr stellt eine
qualitative oder quantitative Aufrüstung fremder Streitkräfte dar. Darüber
hinaus wird die Weitergabe aus folgenden vier Gründen als problematisch
eingestuft:

– Eine solche Weitergabe beinhaltet immer auch einen Transfer deutscher
Rüstungstechnologie.

– Die Lieferung von bundeswehreigenen Waffensystemen heizt den interna-
tionalen Rüstungsexport an, da die Empfängerstaaten wiederum ihr nun
überflüssiges Waffengerät an andere Staaten weiterexportieren können.

– Die verbilligte oder gar kostenlose Abgabe von Kriegswaffen erleichtert
es den Empfängerstaaten, trotz fehlender finanzieller Möglichkeiten eine
Aufrüstungspolitik zu verfolgen, und

– fördert in Spannungsgebieten die regionale Aufrüstungsspirale.
4. Beim derzeitigen Umbau der Bundeswehr und der damit verbundenen
Reduzierung der Kriegswaffenbestände muss sich die Bundesregierung vom
Grundsatz der Abrüstung leiten lassen. Die nach Planungen der Bundeswehr
zur baldigen Ausmusterung bis 2011 vorgesehenen Waffensysteme, wie z. B.
F-4-Kampfflugzeuge, Tornado-Kampfflugzeuge, Leopard-Kampfpanzer,
Schützenpanzer Marder, Spähpanzer Luchs, Transportpanzer Fuchs,
Artilleriesysteme M109 und Panzerhaubitzen 2000, Raketenwerfer MARS

Drucksache 16/3350 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
und Raketenabwehrsysteme ROLAND, müssen demilitarisiert und ver-
schrottet werden.

5. Die Entscheidung der Bundesregierung bei Exporten von Kleinwaffen in
Drittstaaten bei den Exporteuren darauf zu bestehen, dass der Grundsatz neu
für alt Anwendung findet und der Empfänger Waffen, die er aufgrund der
Neulieferung aussondert, nicht weiterverkauft, sondern vernichtet, ist ein
erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser Grundsatz muss nicht nur auf
sämtliche Empfängerstaaten sondern auch auf sämtliche Kriegswaffen aus-
geweitet werden, die von deutschen Rüstungsunternehmen exportiert wer-
den. Analog zur Verpflichtung der Bundeswehr, überschüssige Kleinwaffen
nicht zu zirkulieren und durch Exporte weiter im Umlauf zu halten, muss dies
auch für andere Kriegswaffen gelten.

6. Der Deutsche Bundestag bewilligt dem Bundesministerium der Verteidigung
Gelder für den Erwerb von Rüstungsgütern unter der Voraussetzung, dass
diese für die Erfüllung des Auftrages der Bundeswehr nötig sind. Solcherart
beschaffte Rüstungsgüter dürfen nicht ohne Zustimmung des Deutschen
Bundestages für andere Zwecke eingesetzt werden. Der Deutsche Bundestag
hat die Gelder für die Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr nicht geneh-
migt, damit diese später an andere Streitkräfte – zum Teil auch kostenlos –
weitergegeben werden und deutsche Rüstungsunternehmen an der Instand-
setzung und Modernisierung für ausländischen Streitkräfte verdienen kön-
nen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich zu verpflichten, in Zukunft überschüssiges Wehrmaterial aus Bundes-
wehrbeständen weder kostenlos noch gegen Geld an andere Staaten und
deren Streitkräfte oder Sicherheitsbehörden abzugeben;

2. dafür Sorge zu tragen, dass in Zukunft die Rücknahme- und Entsorgungsver-
pflichtung seitens der Herstellerfirmen nicht nur für deutsche Kleinwaffen-
exporte gilt, sondern auf sämtliche Kriegswaffenexporte ausgeweitet wird;

3. detailliert in den Jahresabrüstungsberichten aufzuführen, wie viele Waffen,
Waffenplattformen und Waffensysteme im Berichtszeitraum demilitarisiert
und entsorgt wurden;

4. einen Plan darüber vorzulegen, welche und wie viele Kriegswaffen in den
nächsten fünf Jahren von der Bundeswehr ausgemustert werden sollen;

5. im Europäischen Rat eine Initiative für einen EU-weiten Verzicht der Über-
lassung von überschüssigem Wehrmaterial der Streitkräfte an Dritte einzu-
bringen.

Berlin, den 8. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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