BT-Drucksache 16/3345

Planungssicherheit für Landwirte und Milchwirtschaft durch definitiven Beschluss zum Auslaufen der Milchquotenregelung schaffen

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3345
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Dr. Edmund Peter Geisen, Marina Schuster, Jens Ackermann, Christian Ahrendt,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Horst Friedrich (Bayreuth), Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter
Haustein, Elke Hoff, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Markus Löning, Horst Meierhofer, Jan Mücke,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank
Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker
Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

Planungssicherheit für Landwirte und Milchwirtschaft durch definitiven
Beschluss zum Auslaufen der Milchquotenregelung schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die deutsche Milchwirtschaft ist mit einem Umsatz von etwa 20 Mrd. Euro/Jahr
und einem Exportvolumen von rund 4 Mrd. Euro eine Schlüsselbranche der
deutschen Ernährungswirtschaft. Über 100 000 landwirtschaftliche Betriebe bil-
den das Rückgrat der Milchwirtschaft. In über 100 überwiegend mittelständi-
schen Unternehmen mit insgesamt fast 40 000 Mitarbeitern werden täglich
75 000 Tonnen Milch zu hochwertigen Nahrungsmitteln verarbeitet. Damit wer-
den allein in Deutschland mehr als 20 Prozent der Milch aller 25 EU-Staaten
verarbeitet. Gemeinsam mit den vor- und nachgelagerten Branchen ist die hei-
mische Milchwirtschaft eine tragende Säule im ländlichen Raum. In der EU-25
beträgt die Milchanlieferung rund 133 Mio. Tonnen. Von dieser Menge werden
ca. 13 bis 14 Mio. Tonnen (10 bis 12 Prozent) mit Hilfe so genannter Ausfuhr-
erstattungen exportiert. Weitere 10 bis 11 Mio. Tonnen (8 Prozent) Milch wer-
den durch interne Beihilfen auf dem europäischen Markt abgesetzt. Somit wer-
den rund 17 Prozent der europäischen Milch (rund 25 Mio. Tonnen) mit
finanzieller Unterstützung der Europäischen Union in den Markt gebracht.

Nach Schätzungen von Experten wächst der Verbrauch von Milch und Milch-

produkten in der EU jährlich um 0,5 Prozent und weltweit zwischen 1,5 und
3 Prozent. Sofern die Milchquoten in der Europäischen Union nicht weiter er-
höht werden, sagt eine Studie der Rabobank für die EU bis 2015 ein Markt-
gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage voraus.

Die Milchquotenregelung hat seit ihrer Einführung durch den Beschluss des EG-
Agrarministerrates vom 21. März 1984 ihr zentrales Ziel der Herstellung eines
Marktgleichgewichtes verfehlt. Trotz dieser staatlichen Reglementierung konn-

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ten bestehende Überschüsse nicht entscheidend abgebaut werden. In der Folge
hat das zu sinkenden Milcherzeugerpreisen und fallenden Einkommen in der
Milchwirtschaft beigetragen. Weiterhin wurde durch die Milchquote der Struk-
turwandel in der Landwirtschaft und Milchwirtschaft erheblich verteuert. Trotz
Mengenbegrenzung sind die erzielten Milchpreise für die Mehrzahl der Milch-
erzeuger unzureichend. Nur Spitzenbetriebe sind in der Lage, den Lohnaufwand
bzw. den Lohnanspruch voll zu erwirtschaften und die notwendigen Netto-
investitionen für ein Wachstum zu rentablen Größeneinheiten zu tätigen. Die so
gekennzeichnete heutige Struktur birgt somit den zukünftigen, zwangsläufigen
Strukturwandel in sich. Daran hat auch die Milchquotenregelung nichts geän-
dert. Die hohen Quotenkosten bedeuten vor allem für Junglandwirte und Wachs-
tumsbetriebe zusätzliche Investitionskosten und eine Wachstums- bzw. Ein-
stiegshürde. Die staatliche Regulierung des europäischen Milchmarktes hat da-
mit nicht die Erwartungen von Landwirten und Milchwirtschaft erfüllt, so dass
in der Agrarpolitik verstärkt auf marktwirtschaftliche Lösungen gesetzt wird.

Das Scheitern staatlicher Regulierung führt zwangsläufig zu einer marktwirt-
schaftlich geprägten Agrarpolitik. Diese Entwicklung wird durch die EU-Ost-
erweiterung und die WTO-Handelsrunden (WTO: Welthandelsorganisation)
verstärkt. Zusätzlicher marktwirtschaftlicher Reformdruck entsteht durch die
notwendigen Sparmaßnahmen zur Konsolidierung der Haushalte auf europäi-
scher und nationaler Ebene. Mit der EU-Agrarreform wurden die Entkopplung
der landwirtschaftlichen Prämien von der Produktion und die Einführung von
Flächenprämien vollzogen. Dazu hat die FDP mit ihrem marktwirtschaftlichen
Modell der Kulturlandschaftsprämie einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Die im Rahmen der Agenda 2000 beschlossene Erhöhung der Milchquoten um
jeweils 0,5 Prozent wurde mit der EU-Agrarreform auf den Zeitraum 2006 bis
2008 verschoben. Für die EU-15 bedeutet das eine lineare Aufstockung der
Milchquoten um insgesamt rund 1,44 Mio. Tonnen (1,5 Prozent). Zudem führt
die Zuteilung einer Quoten-Sonderreserve für Umstrukturierungen in den Bei-
trittsländern zu einer Erhöhung der Quote um 670 000 Tonnen (0,5 Prozent).
Damit ist eine Ausweitung der Milchquote um 2,1 Mio. Tonnen (1,5 Prozent)
bis 2008/2009 bereits beschlossen. Ob noch eine weitere Erhöhung der Milch-
quote um rund 2,5 Mio. Tonnen (2 Prozent) erfolgt, hängt von den Ergebnissen
der Beratungen zum Mid-Term-Review 2008/2009 (Halbzeitbewertung) ab. Es
ist nicht auszuschließen, dass die bereits beschlossene Ausweitung der Milch-
quote in Höhe von 2,1 Mio. Tonnen nochmals mit der Halbzeitbewertung um 2,5
Mio. Tonnen auf dann 4,6 Mio. Tonnen ausgedehnt wird.

Weiterhin sind mit der Halbzeitbewertung 2008/2009 grundsätzliche Aussagen
zur Zukunft der EU-Milchquotenregelung zu erwarten, die noch bis zum
31. März 2015 (Milchwirtschaftsjahr 2014/2015) gilt.

Zudem sollen die Intervention für Butter ab dem Milchwirtschaftsjahr 2008/
2009 auf 30 000 Tonnen beschränkt werden und die Ausfuhrerstattungen bis
2013 auslaufen.

Auf nationaler Ebene wird das Quotenrecht ebenfalls ab dem Jahr 2006/2007
geändert. Die Möglichkeit der Überlieferung der einzelbetrieblichen Quote
auf Molkereiebene wird auf 10 Prozent begrenzt. Die so genannte Molkerei-
saldierung soll ab dem Milchwirtschaftsjahr 2009/2010 ganz aufgehoben wer-
den. Weiterhin soll eine Zusammenlegung der bisherigen 21 Quotenübertra-
gungsregionen auf nur noch zwei Regionen (Ost und West) ab dem 1. April 2007
umgesetzt werden. Ab dem 1. April 2010 soll es nur noch eine Übertragungsre-
gion geben.

Im Ergebnis führen die Entwicklungen auf europäischer Ebene zu einer in
Europa weiter zunehmenden Milchmenge. Damit wird der Druck auf die Milch-

preise ebenfalls weiter erhöht werden. Als Lösung wird daher verstärkt das
endgültige Auslaufen der Milchquotenregelung zum 31. März 2015 gefordert.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zur Schaffung von Planungssicherheit und verlässlichen Rahmenbedingungen für
die Landwirte, für die vor- und nachgelagerten Bereiche sowie für die Ernäh-
rungswirtschaft schnellstmöglich einen definitiven Beschluss zum endgültigen
Auslaufen der Milchquotenregelung zum 31. März 2015 zu fassen. Damit wird
gewährleistet, dass sich Landwirte und die Milchwirtschaft frühzeitig auf ein end-
gültiges Auslaufen der Milchquotenregelung und die damit verbundenen unter-
nehmerischen Herausforderungen einstellen können. Dies gilt insbesondere für
milchproduzierende Betriebe, die die Milchproduktion fortführen wollen, aber
auch für Betriebsinhaber, die den Ausstieg planen. Die Bundesregierung muss die
zum 1. Januar 2007 beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen,
um auf europäischer Ebene einen verbindlichen Beschluss zum Auslaufen der
Milchquotenregelung zu treffen. Spätestens mit der Halbzeitbewertung der EU-
Agrarreform 2008/2009 muss der Ausstieg aus der Milchquotenregelung ver-
bindlich beschlossen werden;

2. auf nationaler und europäischer Ebene verbindlich festzulegen, dass die zum
31. März 2015 auslaufende Milchquotenregelung nicht durch andere staatliche
Regulierungen ersetzt wird. Nach dem Ende des Milchwirtschaftsjahres 2014/
2015 bildet sich der Milchpreis in der EU am Markt durch Angebot und Nach-
frage. Einzelbetriebliche Regelungen zwischen den Marktteilnehmern sind mög-
lich. Damit entfallen zukünftig für die aktiven Milcherzeuger mit dem Auslaufen
der Milchquotenregelung die bisherigen Kosten der Milchquote (Pacht und
Kapitaldienst für Kaufquote). Das führt zu einer Stärkung der milchviehhaltenden
Betriebe;

3. die mit dem Auslaufen der Milchquotenregelung verbundenen Potenziale zum
Abbau von Bürokratie und Regulierung zu nutzen, um Landwirten und Milch-
wirtschaft durch einen funktionierenden Milchmarkt neue unternehmerische
Spielräume zu eröffnen;

4. die zunehmenden Chancen für Milchbauern und Milchwirtschaft, die sich durch
einen wachsenden Weltmarkt für Milch und Milchprodukte ergeben, entschlossen
zu nutzen. Von dem steigenden weltweiten Verbrauch an Milch und Milchproduk-
ten müssen auch die heimischen Landwirte und Unternehmen durch marktwirt-
schaftliche Rahmenbedingungen profitieren. Die wettbewerbsorientierte Milch-
wirtschaft ist daher in die angekündigte Exportoffensive der Bundesregierung
einzubeziehen. Die neuen Märkte in Osteuropa, Russland, der Ukraine und Asien
(China, Thailand) und das damit verbundene Absatzpotenzial müssen ausge-
schöpft werden und die Wertschöpfung in Deutschland gesteigert werden;

5. im Dialog mit Milchwirtschaft und Milcherzeugern darauf hinzuwirken, dass
diese die notwendigen Strukturanpassungen entschlossen durchführen, um sich
fit für den Weltmarkt zu machen. Dabei muss die Milchwirtschaft die bestehen-
den Anpassungsmöglichkeiten ausschöpfen. Dazu zählen die Schaffung wettbe-
werbsfähiger Strukturen, z. B. durch die Zusammenarbeit in Teilsegmenten, und
die strategische Entwicklung neuer Produkte sowie die Erschließung neuer
Märkte im In- und Ausland. Genossenschaftliche Molkereien müssen frühzeitig
auf das Auslaufen der derzeitigen Milchquotenregelung reagieren und ihre Sat-
zungen ändern. Heute sind sie noch verpflichtet, die gesamte angelieferte Milch
der Milcherzeuger aufzunehmen;

6. auf die Länder einzuwirken, damit die aus der Modulation bereitstehenden Mittel
schwerpunktmäßig zur Stärkung der Milcherzeuger und der Grünlandstandorte
eingesetzt werden.

Berlin, den 8. November 2006
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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