BT-Drucksache 16/3295

REACH - den gemeinsamen Standpunkt weiter verfolgen

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3295
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Ingbert Liebing, Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam),
Michael Brand, Dr. Maria Flachsbarth, Josef Göppel, Andreas Jung (Konstanz),
Jens Koeppen, Hartmut Koschyk, Katharina Landgraf, Philipp Mißfelder, Dr. Georg
Nüßlein, Ulrich Petzold, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer
und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Marco Bülow, Dirk Becker, Petra Bierwirth, Doris Barnett,
Gerd Bollmann, Martin Burkert, Ulrich Kelber, Dr. Matthias Miersch, Marko
Mühlstein, Detlef Müller (Chemnitz), Christoph Pries, Heinz Schmitt (Landau), Olaf
Scholz, Frank Schwabe, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

REACH – den gemeinsamen Standpunkt weiter verfolgen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Am 27. Juni 2006 hat der EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat einen gemeinsamen
Standpunkt zu REACH (Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von
Chemikalien) verabschiedet. Damit besteht nun die Chance, kurzfristig das Ver-
fahren nach einem langen Weg der Verhandlungen abzuschließen und einen
noch sichereren Umgang mit chemischen Stoffen und Zubereitungen zu begin-
nen, der für die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen ein hohes Schutz-
niveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gewährleistet. Die
Bundesregierung war an der Erarbeitung und Ausgestaltung des Gemeinsamen
Standpunktes in seiner jetzigen Form aktiv beteiligt. Zu schwierigen Fragestel-
lungen wurde unter den Mitgliedstaaten Konsens erzielt und ein insgesamt trag-
fähiger Kompromiss gefunden, der den Zielen von Umwelt-, Gesundheits- und
Arbeitsschutz sowie der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der europäi-
schen Industrie gleichermaßen gerecht wird.

Der Deutsche Bundestag begrüßt den Gemeinsamen Standpunkt und fordert die
Bundesregierung auf, sich auf dieser Basis für eine einvernehmliche Lösung mit
dem europäischen Parlament einzusetzen.

Insbesondere im Bereich der Registrierung von Stoffen müssen weiterhin Um-
welt- und Gesundheitsschutz im Vordergrund stehen. Daher ist es notwendig, die
Registrierung stärker als im ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehen
an Risiken zu knüpfen, und damit insbesondere auch an die direkte Aussetzung

des Menschen und der Umwelt mit den zu prüfenden Stoffen.

Nach dem Vorschlag des Wettbewerbsfähigkeitsrates soll das System daher in
größerem Maße neben der Menge eines Stoffes auch die Gefährlichkeit und Ex-
position berücksichtigen. So sollen sich der Umfang der bei der Registrierung
anzugebenden Daten sowie die Informationspflichten in der Lieferkette wei-
tergehend an der Verwendung des Stoffes und seiner Exposition orientieren. Im

Drucksache 16/3295 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zusammenhang mit den Pflichten zur Erstellung von Chemikaliensicherheits-
berichten und zur Kommunikation von Stoffinformationen in der Lieferkette
werden so genannte Expositions- und Verwendungskategorien eingeführt, um
diese Pflichten vor allem auch für mittelständische Unternehmen einfacher
handhabbar zu machen. Diese neue Akzentsetzung entspricht zielgenau den
Anforderungen des Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutzes. Dabei ist es
selbstverständlich, dass der Schutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Priorität
besitzt. Die vorgeschlagenen Instrumente sind geeignet, eine Verletzung der
Schutzgüter Gesundheit und Umwelt zu verhindern. Zugleich wird durch Er-
leichterungen bei niedrigvolumigen Stoffen und bei der Vorregistrierung, durch
die grundsätzliche Einführung des Ansatzes „ein Stoff – eine Registrierung“ so-
wie durch eine stärkere Rolle der neuen europäischen Chemikalienagentur im
Evaluierungsverfahren die Effizienz des Systems gesteigert und der Ressour-
cenaufwand von Behörden und Unternehmen auf das Wesentliche konzentriert.

Auch im Bereich der Zulassung hat der Wettbewerbsfähigkeitsrat Lösungen ge-
funden, mit denen der bürokratische Aufwand verringert werden kann. Er hat
sich dafür entschieden, über die Gefährlichkeit eines Stoffes als Bewertungs-
maßstab hinaus bei der Zulassungsentscheidung insbesondere die sichere Hand-
habung in Form der adäquaten Kontrolle des Risikos eines sehr gefährlichen
Stoffes zur Grundlage zu machen. Die Befristung der Zulassung, die das Euro-
päische Parlament beschlossen hatte, wäre unpraktikabel und belastend für die
Unternehmen gewesen. Jeder zuzulassende Stoff wäre einer periodisch zu
schnell wiederkehrenden Prüfung unterzogen worden, selbst wenn für die Ver-
wendung in der Zwischenzeit keine neuen Unsicherheiten bekannt geworden
sind. Die vom Rat vorgeschlagene Überprüfung nach einer im Einzelfall festzu-
legenden Frist stellt daher einen ausgewogenen Kompromiss dar.

Auch die vom Europäischen Parlament geforderte flächendeckende Regelung
zur verpflichtenden Substitution bestimmter Stoffe wurde vom Rat nicht über-
nommen. Eine solche Verpflichtung wäre für Behörden und Unternehmen sehr
aufwändig und könnte zu großen Rechtsunsicherheiten führen. Der Deutsche
Bundestag begrüßt daher die vom Rat gefundene differenzierte Lösung, die für
alle vom Zulassungsverfahren betroffenen besonders gefährlichen Stoffe eine
Prüfung möglicher Alternativen vorsieht und die Nutzung sich daraus ergeben-
der Substitutionsmöglichkeiten dann verbindlich vorschreibt, wenn sich die
Risiken eines Stoffes nicht adäquat kontrollieren lassen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt zudem, dass laut dem Gemeinsamen Stand-
punkt für Stoffe, die in der produktbezogenen Forschung und Entwicklung ein-
gesetzt werden, die Meldepflichten erheblich vereinfacht werden und For-
schungsprogramme bei der Notifizierung nicht mehr vorzulegen sind.

Entsprechend dem Lissabon-Ziel, die Europäische Union zum wettbewerbs-
fähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu
machen, ist der Fokus von REACH auch darauf gerichtet, die Wettbewerbs- und
Innovationsfähigkeit der europäischen Industrie zu wahren und zu fördern.
Auch die mit dem Lissabon-Ziel verknüpften innovativen Potenziale der EU-
Strategie einer nachhaltigen Entwicklung sind konsequent zu nutzen. Innovation
lebt von Flexibilität und einer Vielfalt an Möglichkeiten. Es sind die Freiräume
zu schaffen, die für ein innovatives Klima notwendig sind. Mit neuen Stoffen
und neuen Verwendungen von Stoffen sowie besserem Wissen über die alten
Stoffe kann aktiver Gesundheits- und Umweltschutz betrieben werden. So kön-
nen durch einen verbesserten Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher
große Einsparungen von Kosten im Gesundheitsbereich erzielt sowie Ressour-
cen eingespart werden. Gleichzeitig kann sich die europäische Industrie damit
auf den internationalen Märkten Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Dieses Poten-

zial muss gestärkt werden, denn Innovation schafft Wirtschaftskraft und sichert
die Arbeitsplätze, die wir in Deutschland brauchen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3295

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf, sich im
weiteren Verfahren insbesondere für die Beibehaltung folgender Eckpunkte ein-
zusetzen:

● ausgewogenes Datenanforderungskonzept, das insbesondere im Hinblick auf
mögliche Langfristgefahren von Stoffen ausreichende und verlässliche Ent-
scheidungsgrundlagen schafft, zugleich jedoch Unternehmen gezielt entlas-
tet, die in vergleichsweise geringen Mengen (1 bis 10 Jahrestonnen) Altstoffe
herstellen oder einführen, bei denen keine Hinweise auf besondere Risiken
bestehen;

● Berücksichtigung von Verwendungs- und Expositionskategorien zur Kom-
munikation in der Produktkette;

● einheitliche Vorregistrierung aller Phase-in-Stoffe größer 1 t/a innerhalb
eines Zeitraumes von 12 bis 18 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung;

● verbesserte Regelungen zur Datenteilung und zur gemeinsamen Vorlage von
Unterlagen im Registrierungs- und Evaluierungsverfahren;

● stärkere Rolle der Europäischen Chemikalienagentur im Evaluierungs-
verfahren bei Wahrung nationaler Mitwirkungs- und Initiativrechte;

● unbefristete Erteilung der Zulassung mit einer Überprüfung nach einer im
Einzelfall festzulegenden Frist;

● praktikable Ausgestaltung der Substitutionsprüfung im Zulassungsverfahren;

● vereinfachte Meldepflicht für Stoffe, die nur für Forschung und Entwicklung
produziert und verwendet werden.

Berlin, den 8. November 2006

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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