BT-Drucksache 16/3280

NATO-Gipfel in Riga für Abrüstungsinitiativen nutzen

Vom 7. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3280
16. Wahlperiode 07. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin,
Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Inge Höger-Neuling,
Dr. Hakki Keskin, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dr. Norman Paech,
Alexander Ulrich, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

NATO-Gipfel in Riga für Abrüstungsinitiativen nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Versuch der NATO, mit militärischen Mitteln in Afghanistan Frieden und
Stabilität zu schaffen und einen Beitrag zum Aufbau staatlicher Institutionen
zu leisten, ist gescheitert – nicht zuletzt auch weil dieser Militäreinsatz unter
dem Vorzeichen des Antiterrorkriegs geführt wird. Die ständige Ausweitung
der militärischen Aktivitäten der NATO wird nur zu einer weiteren Eskala-
tion der Gewalt und zu einer wachsenden Zahl ziviler Opfer führen und die
Anstrengungen für zivile Entwicklungsforderungen weiter unterlaufen.

2. Die NATO stellt sich mit ihrem im strategischen Konzept von 1999 formu-
lierten Anspruch, auch ohne Beschluss der Vereinten Nationen militärisch
intervenieren zu dürfen, über das derzeit geltende Völkerrecht und schwächt
die Autorität der Vereinten Nationen. Die Auslegung der Beistandsverpflich-
tung nach Artikel 5 der Washingtoner Verträge von 1949 bedeutet eine un-
zulässige Beanspruchung einer unbegrenzten militärischen Zuständigkeit,
zum Beispiel als Weltpolizist für die Weltmeere im Rahmen von „Operation
Enduring Freedom“ und „Operation Active Endeavour“.

3. Die Streitkräfte der NATO-Staaten gehören zu den größten Ressourcen-
verbrauchern der Welt. 16 Jahre nach der Auflösung der Warschauer Ver-
tragsorganisation verfolgt die NATO immer noch eine Aufrüstungsstrategie.
Die Mitgliedstaaten der NATO bestreiten etwa 65 Prozent der globalen Ver-
teidigungsausgaben.

4. Die Atomwaffenpolitik der NATO untergräbt die Bemühungen um weltweite
nukleare Abrüstung. Durch die Nukleare Teilhabe, an der unter anderem
Deutschland partizipiert und damit auch an der Vorbereitung von Atom-
waffeneinsätzen beteiligt ist, reklamiert die NATO für sich eine Sonderrolle
im Rahmen des nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV). Nach Arti-
kel II des NVV haben sich die Unterzeichnerstaaten eigentlich dazu ver-

pflichtet „Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungs-
gewalt darüber von niemanden unmittelbar oder mittelbar anzunehmen“.
Darüber hinaus sieht das strategische Konzept der NATO explizit den mög-
lichen Einsatz von Atomwaffen vor. Die geplanten milliardenteuren Raketen-
abwehrprogramme der USA und der NATO schwächen den nuklearen Nicht-
verbreitungsvertrag und drohen einen neuen Rüstungswettlauf zu initiieren.

Drucksache 16/3280 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. Die NATO-Strategie hinsichtlich der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten und
der Ausweitung von Sicherheitspartnerschaften ist der falsche Ansatz für
eine friedliche und konstruktive Bearbeitung regionaler Konflikte und für die
nachhaltige Förderung von Stabilität und Sicherheit in und um diese Partner-
staaten. Die geplante Erweiterung der NATO um ehemalige Teilrepubliken
der UdSSR droht die Beziehungen zu Russland zu verschlechtern und
erschwert damit eine gemeinsame Strategie zur Förderung von Frieden,
Sicherheit und Stabilität in der Region.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. auf dem NATO-Gipfel einen Antrag einzubringen der feststellt, dass die Vo-
raussetzungen für die Anwendung von Artikel 5 der Washingtoner Verträge
im Falle der USA nicht mehr gegeben sind;

2. sich auf dem NATO-Gipfel dafür einzusetzen dass die NATO keine
Unterstützungsleistungen für den „Krieg gegen den Terrorismus“ der USA
erbringt, dass sie die Beteiligung an „Operation Enduring Freedom“ und
„Operation Active Endeavour“ sofort einstellt und den Abzug ihrer Truppen
aus Afghanistan einleitet;

3. auf dem NATO-Gipfel Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Zustän-
digkeit des Militärbündnisses auf das Territorium ihrer Mitgliedstaaten zu
beschränken und die Expansionsstrategie der NATO aufzugeben, die unter
anderem durch „Globale Partnerschaften“ und bilaterale Sicherheitsabkom-
men neue militärische und wehrtechnische Unterstützungsverpflichtungen
schafft und die dem Ziel weltweiter Abrüstung zuwiderläuft;

4. auf dem NATO-Gipfel die Zusagen über die deutsche Beteiligung an der
NATO Response Force aufzukündigen, sich für eine strukturelle Reform der
NATO mit dem Ziel des vollständigen Abbaus der Interventionskapazitäten
einzusetzen sowie auf die Ablösung der NATO durch ein gesamteuro-
päisches, internationales Sicherheitssystem hinzuarbeiten;

5. auf dem NATO-Gipfel neue Impulse für nukleare Abrüstung zu setzen und
sich für einen Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen im Rahmen der
NATO wie auch für die Beendigung des Systems der Nuklearen Teilhabe
einzusetzen;

6. sich auf dem NATO-Gipfel gegen eine Beteiligung von NATO-Mitglied-
staaten an den milliardenteuren geplanten Raketenabwehrsystemen der USA
und NATO zu wenden;

7. auf dem NATO-Gipfel ein deutliches Zeichen für weltweite Abrüstung zu
setzen und eine Initiative zur Reduzierung der Verteidigungshaushalte sämt-
licher NATO-Mitgliedstaaten um jährlich 5 Prozent vorzulegen.

Berlin, den 7. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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