BT-Drucksache 16/3172

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/2709, 16/3035, 16/3156- Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz - BioKraftQuG)

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3172
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Hans-Josef Fell, Christine Scheel, Kerstin
Andreae, Cornelia Behm, Birgitt Bender, Matthias Berninger, Winfried Hermann,
Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Anna Lührmann, Dr. Gerhard Schick und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksache 16/2709, 16/3156 –

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Biokraftstoffquote
durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur
Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vorschriften
(Biokraftstoffquotengesetz – BioKraftQuG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach Jahren der Blockade der Einführung von Bioethanol durch die Mineral-
ölwirtschaft wird diese jetzt über eine Biokraftstoffquote dazu verpflichtet, Bio-
ethanol einzuführen. Die Quotenregelung ist ein richtiger Eingriff des Staates in
einen nicht funktionierenden, weitgehend oligopolisierten Markt. Parallel dazu
wird auch eine Quote im Dieselsektor eingeführt. Hier hatte der Markt in den
letzten Jahren allerdings sehr gut funktioniert, da es vielen mittelständigen Un-
ternehmen gelang, über Eigenvermarktung Biodiesel und Pflanzenöle zu ver-
markten.

Aufgrund der gesetzlich festgelegten, starken Besteuerungsschritte für Bio-
diesel und Pflanzenöle werden diese Kraftstoffe kurz- bis mittelfristig ihre
Wettbewerbsfähigkeit verlieren, und damit die mittelständischen Unternehmen
wieder aus dem Markt verdrängt werden, der in Zukunft wieder von einem
Oligopol dominiert werden wird.

Zugleich wird mit der frühen und sehr hohen Besteuerung auch der Vertrauens-

schutz berührt, auf dessen Basis viele Unternehmen in den letzten Jahren in den
biogenen Reinkraftstoffmarkt investiert hatten.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass Pflanzenöle als Beimischung nicht in
Frage kommen und von daher die Quote kein adäquater Ansatz ist; beim Bio-
diesel wiederum ist schon jetzt erkennbar, dass die vorgesehenen Quoten nur
einen Teil der wegfallenden Reinkraftstoffmengen ersetzen können. Da zudem
die Mineralölwirtschaft absehbar in großen Mengen die Pflanzenöl- und Bio-

Drucksache 16/3172 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dieselmengen auf dem Weltmarkt beschaffen wird, ist damit zu rechnen, dass
ein relevanter Teil der hiesigen Erzeugungskapazitäten als sog. Stranded
Investments betrachtet werden müssen. Dies wirkt sich dann auch auf den
Anbau hiesiger Ölpflanzen aus und schwächt die ländlichen Regionen. Zusätz-
lichen Steuereinnahmen steht eine Schwächung der Volkswirtschaft gegenüber,
die sich dann auch negativ auf das Staatseinkommen auswirken wird.

Mit ihrem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung zusätzliche Verunsicherung
in den Pflanzenölmarkt gebracht, indem sie die Interpretation zuließ, dass zu-
künftig nur noch Rapsöl steuerbegünstigt sein könnte. Ein Ausschluss anderer
Öle, z. T. besserer ökologischer Qualität, ist aber von niemandem gewollt und
auch im Sinne der erforderlichen Kraftstoffqualität nicht erforderlich. Hier wird
eine gesetzliche Klarstellung benötigt, die sowohl eine Vielfalt von Pflanzen-
ölen wie Sonnenblumen-, Lein-, Leindotteröl im Sinne der Biodiversität zulässt
als auch die Qualität dieser Öle gewährleistet. Die Klarstellung im Ausschuss-
bericht des Finanzausschusses, dass auch andere Pflanzenöle als Rapsöl steuer-
lich begünstigt bleiben, ist hilfreich.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass eine Verordnungsermächtigung ein-
geführt wird, auf deren Basis zukünftig ökologische Mindestkriterien für den
Anbau von Energiepflanzen als Kraftstoffbasis festgelegt werden können.

Der Deutsche Bundestag kritisiert, dass die Bundesregierung auch knapp zwei
Jahre nach Reduzierung der Agrardieselförderung immer noch kein Programm
zur Förderung der Markteinführung von Pflanzenöltraktoren aufgelegt hat.
Ohne dieses Programm ist absehbar, dass die fortgesetzte Steuerbefreiung von
Pflanzenölen in der Landwirtschaft ohne das gewünschte Ergebnis sein wird,
möglichst viele landwirtschaftliche Maschinen mit Pflanzenölen zu betreiben.

Mit dem Gesetz zur Einführung der ökologischen Steuerreform zum 1. Januar
1999 und dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform zum
1. Januar 2000 wurde die ökologische Steuerreform in Deutschland eingeführt
bzw. weiterentwickelt. Mit der schrittweisen Erhöhung der Steuern auf Energie
werden Anreize zur Energieeinsparung gesetzt. Durch die Verwendung der
Einnahmen zur Senkung der Beiträge zur Rentenversicherung liegen diese um
1,7 Prozentpunkte niedriger als sie es ohne die ökologische Steuerreform täten.
Es wurden mit Einführung der Ökosteuer umfangreiche Ausnahmeregeln und
Steuervergünstigungen für das Produzierende Gewerbe sowie die Land- und
Forstwirtschaft geschaffen, um die Wettbewerbssituation insbesondere ener-
gieintensiver Unternehmen angemessen zu berücksichtigen. Darüber hinaus
wurden aus ökologischen Gründen weitere Steuerentlastungen für den öffent-
lichen Verkehr und die Kraft-Wärme-Kopplung eingeräumt. Diese Sonderrege-
lungen belaufen sich insgesamt auf inzwischen knapp 6 Mrd. Euro pro Jahr.

Die Sondertatbestände für das Produzierende Gewerbe sowie die Land- und
Forstwirtschaft wurden von der EU-Kommission nur bis zum 31. Dezember
2006 notifiziert. Daher ist eine Neuregelung noch im Jahr 2006 zwingend er-
forderlich, zumal auch die EU-Energiesteuerrichtlinie neue Kriterien für die
Behandlung der Industrie definiert.

Im Gesetz zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen (Ener-
giesteuergesetz) und zur Änderung des Stromsteuergesetzes, das zum 1. August
2006 in Kraft getreten ist, wurden erste energie- und stromsteuerrechtliche
Änderungen für das Produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirt-
schaft vollzogen. In diesem Gesetz fehlte allerdings noch eine umfassende
Neuordnung der Sonderregelungen. Es wurden lediglich diverse energieinten-
sive industrielle Prozesse zur Herstellung oder Bearbeitung von Keramik,
Fliesen, Ziegeln, Kalk, Gips, Zement, Glas, Porenbeton, Asphalt sowie minera-
lischen Düngemitteln, für chemische Reduktionsverfahren und für die

Metallerzeugung/-bearbeitung steuerbefreit. Dies wurde mit der EU-rechtlich

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3172

(EuGH-Urteil) gebotenen Neudefinition des Begriffs des „Verheizens“ begrün-
det, durch die keine Nachteile für die betroffenen Unternehmen entstehen soll-
ten.

Die grundlegende Neuregelung der Sondertatbestände der ökologischen Steuer-
reform, insbesondere der Behandlung des Produzierenden Gewerbes sollte im
Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrecht-
licher Vorschriften (Biokraftstoffquotengesetz – BioKraftQuG) vorgenommen
werden:

● Mit diesem Gesetz sollen weitere energieintensive Prozesse in den Kreis
der steuerbefreiten Tatbestände aufgenommen werden. Der reduzierte
Steuersatz für Heizöl, Erdgas und Flüssiggas soll bei 60 Prozent bleiben.
Diese 60 Prozent beziehen sich aber künftig nicht mehr nur auf den Öko-
steueranteil, d. h. die Erhöhungen seit 1999, der Energiesteuer, sondern auf
die gesamte Energiesteuer.

● Der sogenannte Spitzenausgleich (Nettobelastungsausgleich) soll beibe-
halten, aber modifiziert werden: Weiterhin erhalten Unternehmen, deren
Belastung aus der Energiesteuer die Entlastungen aus der Senkung der
Rentenbeiträge übersteigt, den Differenzbetrag zu 95 Prozent erstattet. Um
durch steigende Rentenbeiträge aber keine ungerechtfertigt hohen Rück-
erstattungen zu erzeugen, wird die Berechnungsgrundlage fest definiert und
gedeckelt.

Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass im Rahmen des Biokraftstoffquoten-
gesetzes eine EU-rechtlich gebotene Reform der Sonderregelungen nicht er-
folgt. Statt des Abbaus der Ökosteuer-Subventionen werden diese sogar aus-
geweitet. Die Chance auf Subventionsabbau und eine effektivere Sonderrege-
lung wird vertan. Die Ausweitung des ermäßigten Steuersatzes auf die gesamte
Energiesteuer geht weit über das Ziel hinaus, besonders betroffene Unter-
nehmen zu entlasten – davon werden auch Unternehmen profitieren, die einer
derartigen Subvention nicht bedürfen. Auch wird die Grundlage der Ökosteuer-
Sonderregelungen damit auf den Kopf gestellt, denn sie wurden aufgrund der
Einführung der Ökosteuer 1999 definiert, nicht aber aufgrund der bloßen Exis-
tenz von Energiesteuern, die es in Form der Mineralölsteuer auch schon vor
1999 gab.

Die Modifikation des Spitzenausgleichs verhindert zwar unerwünschte Mit-
nahmeeffekte. Generell gehört der Spitzenausgleich allerdings abgeschafft, da
er ökologisch ineffizient und EU-rechtlich fragwürdig ist. Er sollte durch ein
zielgenaueres Modell, das auf die Indikatoren der EU-Energiesteuerrichtlinie
zurückgreift, ersetzt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– einen Gesetzentwurf vorzulegen, der einen Besteuerungsmechanismus be-
inhaltet, der den Fortbestand der biogenen Reinkraftstoffe Biodiesel und
Pflanzenöle auch über 2012 hinaus sichert, indem Reinbiokraftstoffe preis-
lich günstiger angeboten werden können als fossile Kraftstoffe. Eine solche
Regelung muss für das Jahr 2007 greifen, um zu verhindern, dass mög-
licherweise bereits im kommenden Jahr der Reinbiokraftstoffmarkt in
Deutschland abstirbt;

– die Besteuerung bzw. die Besteuerungsbegünstigungen mit einem Minimum
an bürokratischem Aufwand durchzuführen. Bei Produzenten von Biodiesel
und insbesondere bei Produzenten von Pflanzenölen handelt es sich um mit-

telständische, häufig sogar um sehr kleine, Unternehmen, deren Existenz
alleine schon infolge zusätzlichen bürokratischen Aufwands gefährdet wäre;

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– eindeutig klarzustellen, dass auch andere Pflanzenöle als Raps als Pflanzen-
öle im Sinne des Gesetzes zu betrachten sind, insofern die für die Motoren
erforderliche Pflanzenölqualität gegeben ist;

– zeitnah die vorgesehene Verordnung zu erlassen, die Mindestkriterien für
den nachhaltigen Anbau der Rohstoffe von Biokraftstoffen festsetzt;

– das lange angekündigte Förderprogramm zur Markteinführung von Pflan-
zenöltraktoren endlich zu starten;

– im Rahmen eines Förderprogramms zeitnah die Entwicklung von Normen
für weitere Pflanzenöle neben Rapsöl voranzutreiben;

– zügig eine umfassende und systematische Neuregelung der Sonderrege-
lungen für das Produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft
vorzulegen; dabei das Gesamtvolumen der Ökosteuersubventionen von fast
6 Mrd. Euro zu halbieren;

– die Gewährung umfangreicher Steuervergünstigungen für das Produzie-
rende Gewerbe künftig an konkrete, verbindliche und nachvollziehbare öko-
logische Gegenleistungen zu koppeln. Dafür kommt insbesondere die Ein-
führung von Energieaudit- oder Energiemanagementsystemen in Frage.

Berlin, den 25. Oktober 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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