BT-Drucksache 16/3097

Missfallen an der südafrikanischen Aids-Politik betonen und weitere deutsche Entwicklungszusammenarbeit an Bedingungen knüpfen

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3097
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Detlef Parr, Jens
Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß, Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner
Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link (Heilbronn), Markus
Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk
Niebel, Cornelia Pieper, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Missfallen an der südafrikanischen Aids-Politik betonen und weitere deutsche
Entwicklungszusammenarbeit an Bedingungen knüpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Südafrika ist Schwerpunktpartnerland der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit (EZ) und hat seit 1994 Zusagen in der staatlichen bilateralen EZ in Höhe
von 400 Mio. Euro bekommen. Dies bedeutet für das Jahr 2005 Neuzusagen in
Höhe von 45 Mio. Euro. Querschnittsthema der EZ ist aufgrund seiner immensen
Bedeutung das Thema HIV/Aids. Nach Schätzungen des Aids-Bekämpfungs-
programms der Vereinten Nationen UNAIDS sind in Südafrika 5,5 Millionen
Menschen (d. h. 11,6 Prozent der Bevölkerung) in 2006 bei immer noch steigen-
der Tendenz mit HIV/Aids infiziert.

Gleichzeitig jedoch erreichen uns besorgniserregende Berichte, die an der sach-
gerechten Verwendung der Gelder Zweifel aufkommen lassen. Vorrangige Ziele
in der HIV/Aids-Politik des Landes werden nach wie vor verfehlt, Prävention
findet kaum statt und Aberglaube ist nach wie vor weit verbreitet. Ergebnis ist,
dass 75 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in Südafrika nicht wissen, wie sie sich
sicher und korrekt vor HIV/Aids schützen können. Außerdem betreibt die Rath
Health Foundation in Südafrika eine Kampagne mit dem Ziel, Krankheiten im
Bereich von Herz-Kreislauf, Krebs und Aids mit Hilfe einer Mischung aus

Vitaminen, Aminosäuren und anderen Mikronährstoffen zu bekämpfen und kon-
terkariert somit alle Strategien, um die Epidemie einzudämmen. Nach der-
zeitigem Stand der medizinischen Wissenschaft sind diese Behandlungsmetho-
den nicht geeignet, um Krebs und HIV/Aids zu behandeln. Der Leiter der Stif-
tung, Dr. Matthias Rath, hat bereits in der Bundesrepublik Deutschland wegen
seiner unseriösen Vorschläge zur Krebstherapie Schlagzeilen gemacht und
wurde wegen irreführender Werbung in Bezug auf seine Vitaminpräparate zur
Heilung von Krebs verurteilt. Leider hat diese Stiftung die Zustimmung und

Drucksache 16/3097 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Sympathie der südafrikanischen Gesundheitsministerin gewonnen, und das alles
vor der erschreckenden Zunahme der Prävalenzraten insbesondere bei den 15-
bis 24-Jährigen.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP zu
diesem Thema (Bundestagsdrucksache 16/2356) belegt, dass der Bundesregierung
diese genannten Vorgänge bekannt sind, sie jedoch bisher nichts unternommen hat,
daran etwas zu ändern. Die Methoden der Rath Health Foundation konterkarieren
jede effektive Arbeit gegen eine weitere Ausbreitung von HIV/Aids und nehmen
den Tod von Menschen in Kauf, wenn vor der Anwendung antiretroviraler (ARV)
Medikamente gewarnt wird. Seriöse Forschung betont geradezu, dass eine
ausreichende Behandlung mit ARV-Medikamenten eo ipso präventiv wirkt, weil
– korrekt durchgeführt – die Viruslasten und damit die Infektiosität der Infizierten
gegen null geht. Korrekte Behandlung mit ARVMedikamenten wäre also gerade
unter präventiven Gesichtspunkten ein absolutes Gebot.

Auf dieses Versagen der südafrikanischen HIV/Aids-Politik reagiert die
deutsche EZ bisher nicht. Eine sehr selbstbewusste südafrikanische Gesundheits-
ministerin betont das Recht Südafrikas, seinen eigenen Weg zu gehen, der nun
mal nicht immer mit europäischen Vorstellungen übereinstimme. Dabei hat die
Bundesregierung Südafrika für laufende HIV/Aids-Vorhaben der Entwicklungs-
zusammenarbeit 22,5 Mio. Euro zugesagt, wovon 19 Mio. Euro Zuschüsse der
Finanziellen Zusammenarbeit sind. Wenn deutsche Steuergelder für deutsche
Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben werden, dann muss sichergestellt
sein, dass diese sinnvoll und sachgerecht verwendet werden. Dazu gehört, dass
gerade bei der Bekämpfung von HIV/Aids anerkannte und erfolgversprechende
Behandlungsverfahren eingesetzt werden.

Obwohl die Bundesregierung über die Zusammenarbeit zwischen der südafrika-
nischen Regierung und der Rath Health Foundation informiert ist, hat sie doch
keine eigenen Erkenntnisse über die Auswirkungen der Kampagne und unter-
nimmt keine Vorkehrungen gegen diese verfehlte Gesundheitspolitik. Trotz der
Dringlichkeit des Themas nutzt die Bundesregierung ihre Möglichkeiten nicht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– umgehend der südafrikanischen Regierung die Unzufriedenheit mit der Um-
setzung der bisherigen Maßnahmen zur Eindämmung der HIV/Aids-Epide-
mie zum Ausdruck zu bringen;

– geeignete Maßnahmen zu erarbeiten, die mehr als nur verbalen Druck auf die
südafrikanische Regierung beinhalten, um in Zukunft die schrittweise Frei-
gabe der Gelder zur Bekämpfung der HIV/Aids-Epidemie bei den Regie-
rungsverhandlungen zu vereinbaren und die Freigabe dieser Gelder an das Er-
reichen klarer und messbarer Ziele zu knüpfen;

– bei weiterer Konterkarierung der wissenschafltich anerkannten Behandlungs-
und Präventionsmaßnahmen durch die südafrikanische Regierung die deut-
sche Finanzielle Zusammenarbeit für HIV/Aids-Vorhaben einzustellen;

– insbesondere auf verstärkte Präventionsmaßnahmen in Funk, Fernsehen und
Printmedien hinzuwirken und deren Umsetzung selbst zu verifizieren;

– der südafrikanischen Regierung zu verdeutlichen, wie wichtig die ausrei-
chende Behandlung aller HIV/Aids-Infizierten in Südafrika ist, damit diese
als potentielle Überträger selbst bei Nichtanwendung aktiver Schutzmassnah-
men nicht mehr in Frage kommen.

Berlin, den 24. Oktober 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.