BT-Drucksache 16/3015

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes

Vom 18. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3015
16. Wahlperiode 18. 10. 2006

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine, Dr. Barbara Höll,
Werner Dreibus, Klaus Ernst, Ulrich Maurer und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes

A. Problem

Der durchschnittliche Vorstandsvorsitzende eines DAX-Unternehmens hat 2005
3,9 Mio. Euro verdient, fast 150-mal so viel wie ein durchschnittlicher Arbeit-
nehmer.

Laut Aktiengesetz sollen die „Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis
zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen.“

Unternehmenskrisen wie der Fall BenQ oder die Produktions- und Lieferpro-
bleme bei Airbus zeigen, dass die bisherigen Bestimmungen im Aktiengesetz
nicht ausreichen, um zu garantieren, dass die Vorstandsgehälter in einem ange-
messenen Verhältnis zur Lage der Gesellschaft, aber auch zur Leistung der Vor-
standsmitglieder stehen.

Darüber hinaus garantiert das Aktiengesetz nicht, dass sich die Vorstandsgehäl-
ter in einem angemessenen Verhältnis zur Lohn- und Gehaltsentwicklung der
übrigen Beschäftigten entwickeln. Letzteres hat nicht selten zur Folge, dass sich
die übrigen Angestellten häufig mit stagnierenden oder sogar sinkenden Löhnen
und Gehältern, geringeren zukünftigen Rentenzahlungen und die Kleinaktionäre
mit niedrigeren Dividenden zufriedengeben müssen.

Die Ertragskraft und damit die langfristige Entwicklung eines Unternehmens
kann zudem durch unverhältnismäßig hohe Vorstandsvergütungen geschwächt
werden.

Die fehlende Regulierung der Vorstandsgehälter hat vor allem auch gesellschaft-
liche Folgen. Die großen und weiter steigenden Einkommensunterschiede bil-
den eine Grundlage für sozialen Unmut in den Betrieben und in der Bevölkerung
insgesamt. Dies schmälert nicht nur die Leistungsbereitschaft der Bevölke-
rungsmehrheit, sondern auf Dauer auch den sozialen Frieden.
B. Lösung

Die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dürfen nicht mehr als das
Zwanzigfache eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der untersten
Lohn- und Gehaltsgruppe betragen.

Drucksache 16/3015 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Bund, Länder und Gemeinden werden durch die Novellierung nicht mit Kosten
belastet.

Berlin, den 18. Oktober 20

Dr. Gregor Gysi, Oskar L
06

afontaine und Fraktion
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3015

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Aktiengesetzes

Das Aktiengesetz in der Fassung der Bekanntmachung
vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), zuletzt geändert
durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Moderni-
sierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005
(BGBl. I S. 2802) wird wie folgt geändert:

In § 87 Abs. 1 wird nach Satz 1 folgender neue Satz ein-
gefügt:

„Die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds
dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache eines sozialver-
sicherungspflichtig Beschäftigten in der untersten Lohn- und
Gehaltsgruppe betragen.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Drucksache 16/3015 destag – 16. Wahlperiode

Begründung
– 4 – Deutscher Bun

Die bisherigen Bestimmungen des Aktiengesetzes zu den
Bezügen der Vorstandsmitglieder konnten enorme Einkom-
mensunterschiede zwischen Vorstandsmitgliedern und den
übrigen Angestellten nicht verhindern. Diese Entwicklung
schürt sozialen Unmut in den Belegschaften und in der Be-
völkerung. Sie mindert deren Leistungsbereitschaft und ge-
fährdet auf Dauer den sozialen Frieden in den Betrieben und
in der Gesellschaft insgesamt. Der durchschnittliche Vor-
standsvorsitzende eines DAX-Unternehmens verdiente 2005
3,9 Mio. Euro, fast 150-mal so viel wie ein durchschnitt-
licher Arbeitnehmer. Das Problem eines angemessenen Ver-
hältnisses der Entlohnung von Unternehmensführung und
übrigen Angestellten hat bereits der Bankier und Gründer
der heutigen Morgan & Stanley Bank, John Pierpont
Morgan, am Ende des 19. Jahrhunderts erkannt und schon
damals für sein Unternehmen festgelegt, dass der bestbe-
zahlte Manager nicht mehr als das Zwanzigfache des am
schlechtesten bezahlten Angestellten verdienen dürfe.

Darüber hinaus zeigen Unternehmenskrisen wie der Fall
BenQ oder die Produktions- und Lieferprobleme bei Airbus,
dass die Vorstandsgehälter nicht unbedingt im angemesse-
nen Verhältnis zur Lage der Gesellschaft und auch zur Leis-
tung der Vorstände stehen.

Die Ertragskraft eines Unternehmens und damit dessen lang-
fristige Entwicklung kann durch unverhältnismäßig hohe
Vorstandsvergütungen geschwächt werden.

Um diesen Gefahren vorzubeugen, regelt der Gesetzgeber,
dass die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds
nicht mehr als das Zwanzigfache eines sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigten in der untersten Lohn- und Gehalts-
gruppe betragen dürfen.

Dieses Vorgehen ist auch nicht grundgesetzwidrig, weil das
Grundgesetz eine solidarische Gesellschaft verlangt (Arti-
kel 20 des Grundgesetzes). Das bedeutet, dass die Einkom-
mensunterschiede einer angemessenen Grundlage bedürfen.
Dazu gehören Unterschiede in Verantwortung, Qualität,
Fleiß, Begabung und anderen Bereichen. Werden hieran ge-
messen die Einkommensunterschiede maßlos – wie in den
vergangenen Jahren zu beobachten – wird das Sozialstaats-
gebot verletzt.

Grundgesetzgemäß ist auch, dass Vorstandsmitglieder ein
eigenes Interesse an der Entwicklung der Löhne und Gehäl-
ter der Belegschaft entwickeln, sie also Lohnkürzungen
ebenso spüren wie Lohnsteigerungen.

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