BT-Drucksache 16/2829

Zusammensetzung und Kompetenzen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und des Beirats nach den §§ bis 30 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes

Vom 28. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2829
16. Wahlperiode 28. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Karin Binder, Petra Pau, Sevim Dagdelen, Inge Höger-
Neuling, Katja Kipping, Kersten Naumann, Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert
und der Fraktion DIE LINKE.

Zusammensetzung und Kompetenzen der Antidiskriminierungsstelle
des Bundes und des Beirats nach den §§ 25 bis 30 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes

Am 18. August 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in
Kraft getreten. In § 25 ff. AGG ist geregelt, dass die Antidiskriminierungsstelle
beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend errichtet
wird und die Bundesministerin bzw. der Bundesminister auf Vorschlag der
Bundesregierung eine Person zur Leitung der Antidiskriminierungsstelle er-
nennt.

Der Deutsche Juristinnenbund erklärt dazu in einer Stellungnahme vom 22. Juni
2006, dass „damit die Antidiskriminierungsstelle tendenziell zu einer Unterab-
teilung dieses Ministeriums herabgestuft und Schwierigkeiten haben wird, mit
den Beauftragten der Bundesregierung und des Bundestages auf gleicher
Augenhöhe zu kooperieren“ (vgl. www.djb.de/Kommissionen/kommission-
arbeits-gleichstellungs-und-wirtschaftsrecht/St06-13-AGG/).

Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert in seiner Stellungnahme zum
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 26. Juni 2006, dass die Amtszeit
der Leitung der Antidiskriminierungsstelle an eine Legislaturperiode geknüpft
ist. „Die Bindung an die Legislatur“, so das Institut, „kann in der Öffentlichkeit
den Eindruck hervorrufen, dass die Leitung der Antidiskriminierungsstelle von
den jeweiligen politischen Mehrheiten abhängig ist“ (vgl. files.institut-fuer-
menschenrechte.de/437/Stellungnahme_AGG_06-2006.pdf.).

In § 30 AGG ist geregelt, dass der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein
Beirat beigeordnet wird. Der Beirat berät die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes bei der Vorlage von Berichten und Empfehlungen an den Deutschen
Bundestag und kann hierzu sowie zu wissenschaftlichen Untersuchungen
eigene Vorschläge unterbreiten.

In den Beirat sollen Expertinnen und Experten in Benachteiligungsfragen so-
wie Vertreter und Vertreterinnen gesellschaftlicher Gruppen und Organisatio-

nen berufen werden. Der Beirat soll aus nicht mehr als 16 Mitgliedern bestehen
und zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern besetzt werden.

Drucksache 16/2829 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Maßnahmen kann die Antidiskriminierungsstelle nach
Auffassung der Bundesregierung ergreifen, wenn nach § 27 Abs. 2 Nr. 3
AGG eine gütliche Beilegung eines Konflikts zwischen den Beteiligten
nicht möglich ist?

2. Welche konkreten Maßnahmen zur Information, zur Prävention und zur
wissenschaftlichen Erforschung soll nach Auffassung der Bundesregierung
die Antidiskriminierungsstelle zur Verhinderung von Benachteiligungen
aus den in § 1 AGG genannten Gründen ergreifen?

3. Teilt die Bundesregierung die Kritik des Deutschen Juristinnenbundes,
dass die Antidiskriminierungsstelle Schwierigkeiten haben wird, mit den
Beauftragten der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages auf
gleicher Augenhöhe zu kooperieren?

Wenn nein, warum nicht?

Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Unabhängigkeit der Anti-
diskriminierungsstelle gewährt wird, wenn sie, wie in § 25 Abs. 1 AGG
geregelt, einem Bundesministerium zugeordnet ist?

4. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung des Deutschen Instituts für
Menschenrechte, dass die Bindung der Amtszeit der Leitung der Antidis-
kriminierungsstelle an eine Legislaturperiode in der Öffentlichkeit den
Eindruck hervorrufen könnte, dass die Leitung der Antidiskriminierungs-
stelle von den jeweiligen politischen Mehrheiten abhängig ist?

Wenn nein, warum nicht?

5. Wie wird nach Auffassung der Bundesregierung die Unabhängigkeit der
Leitung gewährt, wenn diese, wie in § 26 Abs. 1 AGG auf Vorschlag der
Bundesregierung von der Bundesministerin oder vom Bundesminister für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend ernannt wird?

6. Wie sieht der Zeitplan hinsichtlich der Berufung der Mitglieder des Beirats
aus?

7. Welche gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die sich den
Schutz vor Benachteiligungen zum Ziel gesetzt haben, repräsentieren nach
Auffassung der Bundesregierung die Gruppen, die nach § 1 AGG aus
Gründen der „Rasse“, oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Identität Benachteiligungen erfahren, und kommen folglich als
Beiratsmitglieder in Frage?

8. Welche Experten und Expertinnen repräsentieren aus Sicht der Bundesre-
gierung die Gruppen, die nach § 1 AGG aus Gründen der „Rasse“ oder der
ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität Benachteiligun-
gen erfahren, und kommen folglich als Beiratsmitglieder in Frage?

9. Welche von Diskriminierung betroffenen Gruppen sollen nach Auffassung
der Bundesregierung einen Vertreter bzw. eine Vertreterin in den Beirat
entsenden?

10. Nach welchem Schlüssel verteilt das Bundesministerium für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen mit der Leitung der Antidis-
kriminierungsstelle des Bundes sowie den entsprechend zuständigen Be-
auftragten der Bundesregierung die Sitze im Beirat, und wie wird in
diesem Zusammenhang aus Sicht der Bundesregierung gewährleistet, dass

Vertreterinnen und Vertreter aller von Diskriminierung betroffener Grup-
pen im Beirat vertreten sind?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2829

11. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um die Zusammenar-
beit der Antidiskriminierungsstelle mit denjenigen Stellen zu gewährleis-
ten, die auf Landes- bzw. auf kommunaler Ebene mit Diskriminierungen
von Bürgern und Bürgerinnen befasst sind (Ausländerbeauftragte, Antidis-
kriminierungsbüros etc.)?

Wenn keine Maßnahmen geplant sind, warum nicht?

Berlin, den 27. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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