BT-Drucksache 16/2735

Verfassungsgemäße Schließung von Steuersparmodellen

Vom 22. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2735
16. Wahlperiode 22. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verfassungsgemäße Schließung von Steuersparmodellen

Die Bundesregierung beabsichtigt mit dem Entwurf eines Jahressteuergesetzes
2007 neue Steuersparmodelle zu schließen, die nach der grundsätzlichen Ein-
schränkung der Steuerprivilegien geschlossener Fonds durch den neuen § 15b
des Einkommensteuergesetzes (EStG) vermehrt aufgetreten sind. Dazu soll die
neue Verlustverrechnungsbeschränkung im § 15b EStG auf sämtliche Einkünfte
aus Kapitalvermögen ausgedehnt werden und zwar rückwirkend ab dem
1. Januar 2006. Diese rückwirkende Ausdehnung wird von Sachverständigen
gutachterlich als nicht verfassungskonform kritisiert und eine Datierung auf den
Kabinettbeschluss bzw. auf den Bundestagsbeschluss empfohlen.

Das Aufkommen neuer Steuersparmodelle und die Verabschiedung neuer ge-
setzlicher Regeln, diese zu verhindern, gleicht einem Wettlauf zwischen Hase
und Igel. Kaum ist ein Steuersparmodell geschlossen, existiert schon wieder ein
neues. Der Gesetzgeber läuft der Entwicklung hinterher und trifft oftmals rück-
wirkende Regelungen, um milliardenschwere Steuerausfälle zu verhindern, häu-
fig verbunden mit verfassungsrechtlichen Risiken und negativen Wirkungen auf
das Vertrauen der Bürger in die geltenden Steuergesetze. Dieses Dilemma muss
grundsätzlich gelöst werden.

Im Gegensatz zu den USA und Großbritannien sind den deutschen Finanzbehör-
den im Kampf gegen Steuersparmodelle die Hände gebunden. Zwar verbietet
der § 42 der Abgabenordnung (AO) Steuern sparende Gestaltungen im Allge-
meinen, aber dieser Paragraph kann nur in Ausnahmefällen tatsächlich wirken.
Darüber hinaus behindern Standortinteressen und entsprechende Verwaltungs-
strukturen in Deutschland den Austausch zwischen den Finanzbehörden in ver-
schiedenen Bundesländern. Um effizient und im Sinne des Vertrauensschutzes
der Bürger gegen Steuergestaltungen vorzugehen, wäre eine Bundessteuerver-
waltung sinnvoll, die Steuern sparende Gestaltungen zentral genehmigt. Dem
Gesetzgeber wären die Gestaltungen damit von vornherein bekannt und rück-
wirkende gesetzliche Änderungen nicht mehr notwendig. Für Schäden, die den
Bürgern dadurch entstehen können, dass Steuersparmodelle nicht anerkannt
werden, haften die Anbieter.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welchen Steuermindereinnahmen rechnet die Bundesregierung, falls die
neuen Steuersparmodelle nicht gestoppt werden, und welche Mindereinnah-
men würden eintreten, wenn das Datum des Kabinettbeschlusses (23. August
2006) oder das Datum des Bundestagsbeschlusses (voraussichtlich 10. No-
vember 2006) als Stichtag für die Ausdehnung der Verlustverrechnungs-
beschränkung gewählt würde?

Drucksache 16/2735 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Aus welchen Gründen wurden die in der Kabinettvorlage zum Jahressteuer-
gesetz 2005 noch enthaltenen Steuermindereinnahmen aus neuen Steuer-
sparmodellen von 685 Mio. Euro (Handelsblatt vom 24. August 2006) nicht
in den Gesetzentwurf übernommen?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung den von Sachverständigen gutachterlich
geäußerten Vorwurf, die Ausdehnung der Verlustverrechnungsbeschrän-
kung rückbezogen auf den 1. Januar 2006 wäre nicht verfassungsgemäß,
und wie beurteilt die Bundesregierung das Datum des Kabinettbeschlusses
als Stichtag für die Ausdehnung der Verlustverrechnungsbeschränkung un-
ter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten?

4. Auf welchem Verfahrensweg erlangen die Finanzbehörden in Deutschland
Kenntnis von Gestaltungen, die vor allem dem Ziel der legalen Steuerver-
meidung dienen?

5. Welche Verfahren gibt es, die Anerkennung einer steuerlichen Gestaltung
vorab prüfen zu lassen, wie verbindlich sind die Ergebnisse dieser Prüfver-
fahren, und wie häufig werden diese angewandt?

6. Welche Möglichkeiten stehen den Finanzbehörden in den anderen Bundes-
ländern noch zur Verfügung, die Anerkennung zu versagen, wenn eine
Steuergestaltung von einer Finanzbehörde in einem Bundesland anerkannt
wird?

7. Gibt es eine für alle Finanzbehörden einsehbare Datenbank mit von jewei-
ligen Finanzbehörden anerkannten Steuergestaltungen?

Wenn nein, planen die obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern,
eine solche Datenbank einzurichten?

Sollten auch die Steuerpflichtigen Zugang zu einer solchen Datenbank er-
halten?

8. Welche direkten Austauschmöglichkeiten bestehen zwischen den Finanz-
behörden, wenn einem Finanzamt eine konkrete Anfrage zu einer steuer-
lichen Gestaltung vorliegt?

9. Stehen Vorschriften zu Datenschutz und Steuergeheimnis dem direkten bun-
desländerübergreifenden Austausch der Finanzbehörden in verschiedenen
Bundesländern bei Vorliegen von Anfragen zu konkreten Steuergestaltun-
gen entgegen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit des § 42 AO bei der
Einschränkung von Steuergestaltungsmöglichkeiten, und wie viele Steuer-
gestaltungen wurden auf der Grundlage des § 42 AO bereits untersagt?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Verfahren bei der Ge-
nehmigung von Steuern sparenden Gestaltungen in den USA und Großbri-
tannien, und welche Effekte haben diese Verfahren auf die frühzeitige Ein-
dämmung unerwünschter Steuersparmodelle?

12. Sind die in den USA und Großbritannien angewendeten Genehmigungs-
verfahren und Erfahrungen auf Deutschland übertragbar, und wie wäre dies
möglich bzw. warum wäre es nicht möglich?

13. Würde das oben beschriebene zentrale Genehmigungsverfahren durch eine
Bundessteuerverwaltung es ermöglichen, unerwünschte Steuergestaltungen
frühzeitig zu verhindern, und könnte damit auf eine rückwirkende Eindäm-
mung dieser Steuergestaltungen durch den Gesetzgeber überwiegend ver-
zichtet werden?

Berlin, den 22. September 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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