BT-Drucksache 16/2729

Erwerb und Verwertung von Darlehenspaketen durch US-amerikanische Finanzinvestoren

Vom 21. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2729
16. Wahlperiode 21. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Carl-Ludwig Thiele, Hans-Michael
Goldmann, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion der FDP

Erwerb und Verwertung von Darlehenspaketen durch US-amerikanische
Finanzinvestoren

Im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Darlehenspakets im Nominalwert
von 3,6 Mrd. Euro durch die Hypo Real Estate Bank AG in München an den
US-Finanzinvestor Lone Star mit Sitz in Dallas (Texas) sollen derzeit rund 1 700
Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen Vollstreckungsmaßnahmen und
Beitreibungen durch die Inkassogesellschaft der Lone-Star-Gruppe Hudson
Advisors Germany GmbH ausgesetzt sein. Der Vorgang war Gegenstand meh-
rerer Veröffentlichungen (u. a. DER SPIEGEL vom 31. Juli 2006 und Süddeut-
sche Zeitung vom 10./11. Juni 2006). Der Vorgang berührt die Frage der Wirk-
samkeit des Verkaufs von Darlehensforderungen durch Banken. Es geht um den
Schutz des Bankgeheimnisses, den Datenschutz, den Verbraucherschutz sowie
§ 203 des Strafgesetzbuches (StGB) (Verletzung von Privatgeheimnissen durch
Amtsträger). Berührt sind darüber hinaus die Frage der Erlaubnispflichtigkeit
von Bankgeschäften, Fragen des Vollstreckungs- und Kreditsicherungsrechts
sowie die Frage der Auswirkungen derartiger Transaktionen auf das Ansehen
und die Vertrauenswürdigkeit des Finanzplatzes Deutschland. Bei dem vor-
genannten Vorgang soll es sich zudem nicht um eine singuläre Erscheinung
handeln. Vielmehr soll das zu Grunde liegende Umwandlungsmodell Schule
gemacht haben. Weitere Darlehensforderungen sollen auf diesem Weg von

Investoren erworben worden sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Kreditnehmer von Vertragsgestal-
tungen der in der Vorbemerkung genannten Art betroffen sind?

Drucksache 16/2729 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Ist der Bundesregierung bekannt, welche Finanzierungsvolumina hiervon
betroffen sind?

3. Ist der Bundesregierung bekannt, welche wirtschaftlichen Konsequenzen
hiermit für die Betroffenen verbunden waren bzw. verbunden sind?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, in wie vielen Fällen es zu Vollstreckungs-
maßnahmen kam?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Betroffene gerichtlichen Rechts-
schutz nachgesucht haben und wie diese Verfahren, soweit abgeschlossen,
ausgegangen sind?

6. Ist der Bundesregierung bekannt, wo die Fondsgesellschaften, die sich an
den in der Vorbemerkung beschriebenen Geschäftsmodellen beteiligen,
ihren Sitz haben?

7. Trifft es zu, dass viele Fondsgesellschaften in sog. Steueroasen (z. B. Singa-
pur, Bahamas) residieren, und wie beurteilt die Bundesregierung dies im
Hinblick auf die Möglichkeit, die Herkunft der Gelder zu kontrollieren und
die Einschleusung nicht deklarierter Geldvermögen zu verhindern?

8. Kann es durch den Gläubigerwechsel zu einer Änderung des Inhalts der For-
derung kommen, insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung, dem Kre-
ditnehmer bei Ablauf der Zinsbindung ein neues Angebot zu marktüblichen
Bedingungen zu unterbreiten?

9. Wenn ja, sieht die Bundesregierung insoweit gesetzgeberischen Handlungs-
bedarf, z. B. durch eine dem § 566 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
nachgebildete Vorschrift, um sicherzustellen, dass der neue Gläubiger an-
stelle des alten in die sich aus dem Darlehensvertrag ergebenden Rechte und
Pflichten eintritt, insbesondere verpflichtet ist, dem Kreditnehmer bei Ab-
lauf der Zinsbindung ein neues Angebot zu marktüblichen Bedingungen zu
unterbreiten?

10. Waren die in der Vorbemerkung erwähnte Transaktion und ähnliche Ge-
schäftsvorgänge mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BAFin) abgestimmt, und wenn ja, war bzw. ist die BAFin der Auffassung,
dass der Schutz des Bankgeheimnisses hinreichend gewährleistet ist?

11. Beabsichtigt die BAFin, für zukünftige Transaktionen dieser Art – ggf. zu-
sammen mit der deutschen Kreditwirtschaft – eine Vertragsgestaltung zu
vereinbaren, die dem Bankgeheimnis und dem Datenschutz Rechnung trägt;
wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?

12. War der BAFin bekannt, dass für die Hypo Real Estate Bank nach dem Aus-
scheiden aus dem Konzernverbund der HypoVereinsbank AG im Jahre 2003
eine existenzgefährdende Situation bestanden haben und sie bei der Rating-
agentur Moody’s mit „D+“ bewertet worden sein soll?

13. Wenn ja, welche Maßnahmen hat die BAFin in der damaligen Situation ge-
troffen bzw. eingeleitet?

14. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Verkauf von Darlehensforde-
rungen durch Banken gegen das Bankgeheimnis verstößt, und wie begrün-
det sie ihre diesbezügliche Auffassung?

15. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Verkauf von Darlehensforde-
rungen durch Banken jedenfalls dann gegen das Bankgeheimnis verstößt,
wenn der Darlehensnehmer seine vertraglichen Verpflichtungen eingehalten
hat und die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kündigung des Darlehens-

vertrags zum Zeitpunkt des Verkaufs der Darlehensforderung nicht vorla-
gen, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2729

16. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Verkauf von Darlehensforde-
rungen durch Banken gegen das Datenschutzrecht verstößt, und wie begrün-
det sie ihre diesbezügliche Auffassung?

17. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Verkauf von Darlehens-
forderungen durch öffentlich-rechtliche Kreditinstitute den Tatbestand der
Verletzung von Privatgeheimnissen durch Amtsträger gemäß § 203 StGB
erfüllen kann, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

18. Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einem Verstoß gegen das Bank-
geheimnis, den Datenschutz oder § 203 StGB?

19. Ergibt sich eine andere Beurteilung für den Fall, dass derartige Transaktio-
nen nicht als dingliche Abtretung, sondern als Unterbeteiligung oder unter
Anwendung des Umwandlungsgesetzes konzipiert werden?

20. Ergibt sich eine andere Bewertung für den Fall, dass die Übertragung auf
eine Nichtbank erfolgt?

21. Wie stellen sich zu den vorgenannten Fragen und Fallkonstellationen die
Rechtsprechung und die herrschende Meinung in der Literatur dar?

22. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der Handel mit bestehenden Dar-
lehensverträgen ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft nach § 1 Abs. 2 Nr. 2
des Kreditwesengesetzes (KWG) darstellt, und wie begründet sie ihre dies-
bezügliche Auffassung?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung die rechtliche Zulässigkeit der in der Vor-
bemerkung beschriebenen Geschäftsmodelle im Hinblick auf die Anforde-
rungen, die an die Auslagerung von Bankgeschäften (sog. work-out) zu stel-
len sind?

24. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das Grundschuld-Besicherungs-
recht, das eine von dem Bestand der Darlehensforderung völlig losgelöste,
jederzeitige Vollstreckungsmöglichkeit aus der Grundschuld sowie dem
regelmäßig zusätzlich vereinbarten abstrakten Schuldanerkenntnis ermög-
licht, den Weg für formal nicht angreifbare, willkürliche Vollstreckungs-
maßnahmen eröffnet, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffas-
sung?

25. Sieht die Bundesregierung in den in der Vorbemerkung erwähnten Vorgän-
gen ein Risiko für das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit des Finanz-
platzes Deutschland, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffas-
sung?

26. Sieht die Bundesregierung die Gefahr des Entstehens paralleler bzw. grauer
Finanzmärkte, und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

27. Sieht die Bundesregierung rechtspolitischen Handlungsbedarf im Hinblick
auf das Grundschuld-Besicherungsrecht, z. B. dahin, dass die Tilgungsleis-
tung sowohl auf die Darlehensschuld als auch die Grundschuld zu verrech-
nen ist, vereinbarte Grundschuldzinsen nur für Zinsforderungen aus dem
Darlehensvertrag haften sowie die Vereinbarung einer Vollstreckungsunter-
werfung gemäß § 800 der Zivilprozessordnung nichtig ist, und wie begrün-
det sie ihre diesbezügliche Auffassung?

28. Sieht die Bundesregierung ggf. bei Verbraucherkrediten gesetzgeberischen
Handlungsbedarf im Grundschuld-Besicherungsrecht?

Drucksache 16/2729 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
29. Sieht die Bundesregierung rechtspolitischen Handlungsbedarf in daten-
schutz- und verbraucherschutzrechtlicher Hinsicht, und wie begründet sie
ihre diesbezügliche Auffassung?

Berlin, den 21. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.