BT-Drucksache 16/2683

Umfassenden Feldversuch über die Vor- und Nachteile von 60-Tonnen-Lkw starten

Vom 21. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2683
16. Wahlperiode 21. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring,
Joachim Günther (Plauen), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Heinz-Peter
Haustein, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Michael Link (Heilbronn), Horst Meierhofer,
Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Dr. Volker Wissing, Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Umfassenden Feldversuch über die Vor- und Nachteile von 60-Tonnen-Lkw
starten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die absehbare Verkehrsentwicklung in den kommenden Jahren gibt Anlass zur
Sorge im Hinblick auf die bereits bestehende Überlastung der Bundesfern-
straßen. Jüngste Prognosen (zum Beispiel die von der BVU Beratergruppe Ver-
kehr + Umwelt im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung erstellte „Gleitende Mittelfristprognose für den Güter- und
Personenverkehr“ – Kurzfristprognose Sommer 2006) gehen von Wachstums-
raten von teilweise deutlich über 3 Prozent pro Jahr aus. Damit wird der Güter-
verkehr auf der Straße voraussichtlich bereits 2009 das im Rahmen der Bundes-
verkehrswegeplanung erst für 2015 prognostizierte Niveau erreichen.

Der seit Jahren andauernde Investitionsstau und die unzureichenden Entwürfe
zum Verkehrshaushalt 2007 und der aktuellen Mittelfristplanung der Bundes-
regierung werden damit zu neuen Engpässen im Straßennetz führen. Auch der
Schienengüterverkehr, der erfreulicherweise ebenfalls Zuwächse verzeichnen
kann, wird nicht in der Lage sein, das Wachstum aufzufangen. Darum müssen
neben einer Aufstockung der für den bedarfsgerechten Erhalt und Ausbau der
Bundesfernstraßen notwendigen Investitionsmittel gleichzeitig auch andere,

neue Wege gesucht werden, wie der zusätzliche Verkehr in Deutschland be-
wältigt werden kann.

Dazu gehören innovative Konzepte zur effizienten Vernetzung der Verkehrs-
träger, aber auch modulare Fahrzeugkonzepte, die möglicherweise einen Bei-
trag zur Entlastung im Straßengüterverkehr leisten können. Einen Beitrag dazu
könnte der Einsatz von 60-Tonnen-Lkw leisten, die als 8-achsige Kombina-
tionsfahrzeuge mit 25,25 Metern Gesamtlänge ausgeführt sind. Der 60-Tonnen-

Drucksache 16/2683 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Lkw verspricht im Mittel eine um etwa 50 Prozent höhere Nutzlast und damit
auch einen niedrigeren spezifischen Kraftstoffverbrauch. Sinkende Kraftstoff-
kosten können die Folge sein, aber auch niedrigere spezifische Emissionen zu-
gunsten der Umwelt. Fest steht, dass derartige Kombinationsfahrzeuge auch
aufgrund des größeren Transportvolumens zu einer Reduktion der Fahrten bei-
tragen und somit zu einer Entlastung der Straßen führen können.

Auf der anderen Seite wirft der bauliche Zustand von Straßen und Brücken
vielerorts Fragen nach der Tragfähigkeit der Infrastrukturen für 60-Tonnen-
Lkw auf. Obwohl die Achslast mathematisch zwar geringer als beim 40-Ton-
nen-Lkw ist, stellen die höheren Gesamtgewichte zusätzliche Belastungen ins-
besondere für viele Brückenbauwerke dar. Überlange Fahrzeugkombinationen
stellen zudem andere Anforderungen an die Befahrbarkeit des Straßennetzes.
Auch prinzipielle Auswirkungen auf Zahl und Schwere von Unfällen müssen
vor einer generellen Zulassung der Fahrzeuge geklärt werden.

In Niedersachsen wird derzeit auf Initiative des Landesverkehrsministeriums
als oberste Landesbehörde ein bis zum 31. Juli 2007 befristetes Pilotprojekt
durchgeführt. Dazu wurden die entsprechenden Ausnahmegenehmigungen an
zwei Speditionen erteilt, welchen nunmehr der Einsatz jeweils eines aus Sattel-
zugmaschine, Sattelauflieger und zusätzlichem Anhänger bestehenden Fahr-
zeuges gestattet ist.

Den rechtlichen Rahmen für eine solche Genehmigung bilden § 70 der Straßen-
verkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und § 29 der Straßenverkehrsordnung
(StVO). Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat
sich gegen das Vorhaben in Niedersachsen gewandt und verbunden mit der
Bitte um Einstellung des Feldversuchs in einem Gutachten die erteilte Ausnah-
megenehmigung als rechtswidrig dargestellt. Dieser Aussage kann ausweislich
eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages
vom 13. September 2006 nicht gefolgt werden. Der in Niedersachsen
begonnene Feldversuch ist rechtmäßig und zur Sammlung erster praktischer
Erfahrungen sinnvoll. Die fachliche und politische Diskussion dieses Themas
auf Bundes- und europäischer Ebene kann durch die zu gewinnenden Erkennt-
nisse auf eine breitere Basis gestellt werden.

Internationale Erfahrungen in Schweden und Finnland, in denen diese Fahr-
zeuge bereits seit geraumer Zeit zum Einsatz kommen, und ein seit zwei Jahren
in den Niederlanden laufender Praxistest legen differenzierte, aber durchaus
positive Schlussfolgerungen nahe.

Unter den Fachverbänden der Transportwirtschaft gibt es unterschiedliche Auf-
fassungen zum Einsatz dieser Fahrzeugkombinationen. Eine große Zahl von
Unternehmen der Transportwirtschaft verspricht sich Vorteile in betriebswirt-
schaftlicher Hinsicht. Der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhan-
dels e.V. (BGA) sieht in 60-Tonnern „ein wirkungsvolles Mittel und sicheres
Mittel, um dem Verkehrskollaps auf deutschen Autobahnen zu begegnen“. Der
Bundesverband Güterkraftverkehr Entsorgung und Logistik BGL e. V. befür-
wortet innovative Lösungen zur Bewältigung des wachsenden Verkehrsauf-
kommens, sieht jedoch noch eine Reihe von Fragen ungeklärt und spricht sich
insbesondere für eine europäisch einheitliche Gesamtkonzeption beim Thema
„Maße und Gewichte“ aus. Verbände und Unternehmen im Kombinierten Ver-
kehr, wie die Kombiverkehr GmbH befürchten insbesondere Rückver-
lagerungen von der Schiene zur Straße im Kombinierten Verkehr und sehen da-
mit die Wettbewerbsposition des Kombinierten Verkehrs gefährdet.

Vor diesem Hintergrund sollte die Diskussion über den Einsatz von Fahrzeug-
kombinationen zur Bewältigung des wachsenden Verkehrsaufkommens im
Güterverkehr auf einer sachlichen Ebene fortgeführt werden, um die zu einer

politischen Entscheidung notwendigen Fakten und Erkenntnisse zusammenzu-
tragen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2683

II. Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregie-
rung auf,

1. dem Deutschen Bundestag einen Bericht über die Gegenstände und weiteren
Einzelheiten der derzeit in Deutschland laufenden Pilotversuche zum Ein-
satz von 60-Tonnen-Lkw sowie über die laufenden Forschungsvorhaben zu
diesen Fahrzeugkombinationen vorzulegen;

2. durch einen deutschlandweit angelegten und mit den Verbänden der Trans-
portwirtschaft abgestimmten Feldversuch zu testen, ob durch den Einsatz
von 60-Tonnen-Lkw ein wirksamer Beitrag zur Entlastung der Straße geleis-
tet werden kann;

3. den Gesamtversuch durch das Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung sowie ein vom BMVBS beauftragtes Expertengremium wissen-
schaftlich zu begleiten;

4. den Gesamtversuch in Kooperation mit der EU-Kommission durchzuführen
und die EU-Kommission über die laufenden Ergebnisse zu unterrichten;

5. im Rahmen der bevorstehenden Präsidentschaft Deutschlands in der EU
darauf hinzuwirken, dass eine europäische Koordination zum Einsatz modu-
larer Fahrzeugkonzepte erfolgt und nationale Insellösungen vermieden wer-
den;

6. dem Deutschen Bundestag einen Abschlussbericht vorzulegen, der die Vor-
und Nachteile des Einsatzes von 60-Tonnen-Lkw darstellt und eine Ent-
scheidungsgrundlage des BMVBS über die Einführung oder Nichteinfüh-
rung enthält;

7. den Modellversuch „Gigaliner“ in Niedersachsen in Zukunft zu unterstüt-
zen.

Berlin, den 19. September 2006

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.