BT-Drucksache 16/263

Das Fluglärmgesetz unverzüglich und sachgerecht modernisieren

Vom 14. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/263
16. Wahlperiode 14. 12. 2005

Antrag
der Abgeordneten Michael Kauch, Horst Friedrich (Bayreuth), Birgit Homburger,
Jan Mücke, Otto Fricke, Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer, Christian Ahrendt,
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen,
Dr. Edmund Peter Geisen, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan,
Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Jürgen Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald
Leibrecht, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der FDP

Das Fluglärmgesetz unverzüglich und sachgerecht modernisieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Verkehrslärm ist eine große um-
weltpolitische Herausforderung. Dauerhafter Lärm erhöht oberhalb gewisser
Schallpegel nach aktuellen Studien u. a. signifikant das Herzinfarktrisiko – mit
Folgen nicht nur für die Gesundheit der Betroffenen, sondern auch für die
Kosten im Gesundheitswesen.

Im Luftverkehr hat es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte beim
aktiven Schallschutz gegeben. Der Luftfahrtindustrie ist es gelungen, immer
leisere Flugzeuge zu bauen, so dass die Einzelschallereignisse weniger stark
ausfallen. Gleichzeitig ist aber das Verkehrsaufkommen erheblich gewachsen,
so dass die Verbesserung des passiven Schallschutzes z. B. durch den Einbau
von Lärmschutzfenstern weiter auf der Tagesordnung bleibt. Beim Fluglärm
wird der passive Schallschutz derzeit durch das Gesetz zum Schutz gegen Flug-
lärm (FluglärmG) geregelt. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahr 1971 und ist
seitdem nahezu unverändert geblieben. Die Grenzwerte des Fluglärmgesetzes
beruhen teilweise auf Untersuchungen aus den 1950er-Jahren und entsprechen
nicht mehr den heutigen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung.

Das geltende Fluglärmgesetz wird den heutigen Ansprüchen nicht mehr ge-
recht. Das Gesetz bietet weder einen ausreichenden Gesundheitsschutz für die
Flughafenanwohner noch Planungssicherheit für die Flughafenbetreiber. Es ist
zudem nicht in der Lage, die Siedlungsentwicklung im Flughafenumland ange-

messen zu steuern. Aufgrund von Auflagen der Betriebsgenehmigung wird an
vielen Flughäfen bereits heute weit mehr an passivem Schallschutz geleistet als
nach dem veralteten Fluglärmgesetz verlangt wird. Für Ausbaufälle hat sich so
Richterrecht entwickelt, wobei die Gerichte lediglich für den Einzelfall und
dabei uneinheitlich entschieden haben. Rechtssicherheit und Wettbewerbs-
gleichheit für die Flughafenstandorte gibt das geltende Gesetz damit schon

Drucksache 16/263 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

lange nicht mehr. Eine Novellierung der gegenwärtigen Gesetzeslage ist daher
aus der Sicht aller Betroffenen überfällig. Auch die Betreiber der deutschen
Verkehrsflughäfen bekennen sich zu den Erfordernissen eines zeitgerechten
Lärmschutzes, plädieren für Rechtssicherheit und Wettbewerbsgleichheit und
fordern daher seit langem eine Novellierung.

Bereits in den letzten beiden Wahlperioden hatte die damalige Bundesregierung
wiederholt angekündigt, ein neues Fluglärmgesetz auf den Weg zu bringen. Zu
einem Ergebnis haben die Ankündigungen nicht geführt. Ein erster Versuch
scheiterte an der Abstimmung zwischen den beteiligten Bundesministerien.
Zwar verabschiedete die Bundesregierung dann im Mai 2005 den „Entwurf
eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung
von Flugplätzen“. Jedoch wurde der Gesetzentwurf dem Deutschen Bundestag
aufgrund der vorgezogenen Neuwahl nicht mehr vorgelegt.

Dagegen hat sich die FDP-Bundestagsfraktion in der vergangenen Wahlperiode
mit ihrem Antrag „Lärmschutz ist Gesundheitsschutz – Fluglärmgesetz endlich
modernisieren“ (Bundestagsdrucksache 15/2862) frühzeitig für eine Novellie-
rung des Fluglärmgesetzes eingesetzt und Leitlinien für eine Neuregelung for-
muliert.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 11. November 2005
erklärt die Regierungskoalition die Absicht, das Fluglärmgesetz zu novellieren.
In inhaltlicher Hinsicht wurde es jedoch versäumt, zumindest Eckpunkte zu
benennen. Die Regierungskoalition ist nun gefordert, im Interesse aller Betrof-
fenen diese Ankündigung unverzüglich umzusetzen und dabei auf eine sach-
gerechte Ausgestaltung zu achten.

Keinesfalls darf der Plan der früheren Bundesregierung aufrecht erhalten wer-
den, durch unterschiedliche Grenzwerte für Ausbau- und Bestandsflughäfen
sowie Verkehrs- und Militärflughäfen Anwohner erster, zweiter und dritter
Klasse zu schaffen. Alle Anwohner haben den gleichen Anspruch auf Schutz
vor Gesundheitsgefahren

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich
einen Entwurf zur Novellierung des geltenden Fluglärmgesetzes vorzulegen,
der nachstehenden Leitlinien entspricht:

– Zentrale Orientierung für das Fluglärmgesetz müssen wissenschaftlich fun-
dierte Erkenntnisse für den Gesundheitsschutz sein. Darüber hinaus muss
ein fairer und angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Eigen-
tumsrechten der betroffenen Anwohner, der Nutzer des Flugverkehrs, der
Luftfahrtgesellschaften und den Flughafenbetreibern geschaffen werden.
Die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Flughäfen ist hierbei
zu berücksichtigen.

– Der Anwendungsbereich soll Verkehrsflughäfen und größere Verkehrs-
landeplätze umfassen. Militärflugplätze sollen im Geltungsbereich des Flug-
lärmgesetzes verbleiben. Ziviler und militärischer Fluglärm werden gleich-
behandelt. Diese Gleichbehandlung betrifft den passiven Schallschutz im
Fluglärmgesetz, nicht eventuelle Verkehrsbeschränkungen im Luftverkehrs-
recht.

– Es sollen neue, niedrigere und für alle Standorte einheitliche Schutzzonen-
Grenzwerte festgelegt werden, die dem aktuellen Stand der Lärmwirkungs-
forschung entsprechen. Besondere Regelungen beim Neu- und Ausbau von
Flughäfen sind im Luftverkehrsrecht zu treffen, da sie vorrangig dem Inte-
ressenausgleich im Planungsverfahren dienen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/263

– Es sind Nachtschutzzonen mit strengeren Schallschutz-Anforderungen
einzurichten. Dabei sollen die Grenzwerte auf dem derzeitigen Stand der
Lärmwirkungsforschung beruhen. Bei der Festlegung der Grenzwerte für
Nachtschutzzonen soll insbesondere auf nächtliche Einzelschallereignisse
abgestellt werden, da vor allem diese zu Aufweckreaktionen führen, die
Regenerationsphase des Körpers stören und eine besondere Gefahr für die
Gesundheit der Betroffenen darstellen.

– Der Mittelungspegel des Fluglärms ist durch ein Verfahren zu berechnen,
das zeitgemäßen und anerkannten Standards der Wissenschaft entspricht.

– Es müssen realistische Berechnungsgrundlagen zur Ermittlung der Belas-
tung durch Fluglärm festgelegt werden, die auf der tatsächlichen Verkehrssi-
tuation in den verkehrsreichsten Monaten beruhen. Insbesondere sollen nicht
die sog. 100/100-Regelung oder vergleichbare, auf theoretische Ausnahme-
situationen ausgerichtete Berechnungen zugrunde gelegt werden.

– Für die Erstattung von Aufwendungen für bauliche Schallschutzmaßnahmen
sind unbürokratische Regelungen zu treffen.

– Ausnahmeregelungen zum Bauverbot innerhalb der Schutzzone 1, wie es
derzeit § 5 Abs. 3 FluglärmG a. F. vorsieht, sind nicht vorzusehen.

– Die untergesetzlichen Regelungen, insbesondere der „Verordnung über bau-
liche Schallschutzanforderungen nach dem Gesetz zum Schutz gegen Flug-
lärm“ vom 5. April 1974 (BGBl. I S. 903), sind an das novellierte FluglärmG
anzupassen.

Berlin, den 13. Dezember 2005

Michael Kauch
Horst Friedrich (Bayreuth)
Birgit Homburger
Jan Mücke
Otto Fricke
Angelika Brunkhorst
Horst Meierhofer
Christian Ahrendt
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Jörg van Essen
Dr. Edmund Peter Geisen
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Christel Happach-Kasan
Heinz-Peter Haustein

Elke Hoff
Jürgen Koppelin
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Patrick Meinhardt
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Florian Toncar
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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Das Fluglärmgesetz unverzüglich und sachgerecht modernisieren

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