BT-Drucksache 16/262

Die Modernisierung des Urheberrechts muss fortgesetzt werden

Vom 14. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/262
16. Wahlperiode 14. 12. 2005

Antrag
der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter
Geisen, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-
Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina
Lenke, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhard Müller-Sönksen,
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Marina Schuster, Dr. Max
Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Die Modernisierung des Urheberrechts muss fortgesetzt werden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Urheberrecht in der Informationsgesellschaft

Das Urheberrecht ist als geistiges Eigentumsrecht ein zentraler Baustein des
Kultur- und Wirtschaftsrechts. Vor allem die digitale Welt braucht ein starkes
Urheberrecht, denn erst ein wirksamer Schutz des geistigen Eigentums durch
das Urheberrecht schafft die notwendigen Anreize für kreative Tätigkeit und
für Investitionen in deren wirtschaftliche Verwertung. Auch bei der künftigen
Weiterentwicklung und Modernisierung des Urheberrechts müssen die Interes-
sen der Urheber und Leistungsschutzberechtigten deshalb stets im Zentrum der
rechtspolitischen Überlegungen stehen.

Die Parteien der Großen Koalition haben in ihrem Koalitionsvertrag vom
18. November 2005 (S. 55 und 60) erklärt, dass sie das Urheberrecht zu einem
Schwerpunkt ihrer Arbeit in der 16. Legislaturperiode machen und dabei insbe-
sondere die Rechtsstellung der Urheber „im digitalen Zeitalter“ stärken wollen.
Der Deutsche Bundestag erwartet von der Bundesregierung, dass sie diese
wichtige Aussage ernst nimmt und ihrer Ankündigung zügig Taten folgen lässt.

Die Arbeit zur weiteren Modernisierung des Urheberrechts („Zweiter Korb“),
die infolge der vorzeitigen Beendigung der 15. Wahlperiode zunächst nicht

weitergeführt werden konnte, muss zügig wieder aufgenommen werden. Not-
wendig sind dabei vor allem eine weitere Verbesserung des Rechtsschutzes ge-
gen die illegale Nutzung geschützter Werke, eine zeitgemäße Überarbeitung
des urheberrechtlichen Abgabensystems sowie eine sachgerechte Erleichterung
der Nutzung von Archivbeständen in neuen Nutzungsarten. Pläne zur Einfüh-
rung einer sog. Bagatellklausel, durch die rechtswidrige Vervielfältigungen in
geringer Anzahl straffrei bleiben, lehnt der Deutsche Bundestag ab.

Drucksache 16/262 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Urhebervertragsrecht

In der 14. Wahlperiode ist das Urhebervertragsrecht durch das „Gesetz zur Stär-
kung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“
(BGBl. 2002 I S. 1155) umfassend novelliert worden. Kernelement des neuen
Urhebervertragsrechts ist ein ausdrücklicher Anspruch des Urhebers auf ange-
messene Vergütung (§ 32 UrhG), der durch einen Anspruch auf einen „Fair-
nessausgleich“ für den Fall unerwartet hoher Einnahmen aus der Werkverwer-
tung ergänzt wird (§ 32a UrhG). Diese Bestimmungen werden flankiert von der
neuartigen Möglichkeit zum Abschluss so genannter gemeinsamer Vergütungs-
regeln (§ 36 UrhG), mit deren Hilfe Vereinigungen von Urhebern und Verei-
nigungen von Werknutzern oder einzelne Werknutzer eine Übereinkunft zur
Bestimmung der Angemessenheit von Vergütungen nach § 32 UrhG treffen
können. Die neuen vertragsrechtlichen Bestimmungen gelten weitgehend auch
für ausübende Künstler.

Die Bundesregierung hat die neuen urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen
als „juristisches Neuland“ bezeichnet (Begründung des Gesetzentwurfs, Bun-
destagsdrucksache 14/6433, S. 12) und damit eingeräumt, dass die Auswirkun-
gen der neuen Vorschriften nicht mit letzter Sicherheit abzusehen sind. Diese
Einschätzung hat sie in der 15. Wahlperiode bekräftigt (Antwort der Bundesre-
gierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „Zwischenbilanz des
neuen Urhebervertragsrechts“, Bundestagsdrucksache 15/2937). Im Zentrum
der neuen urhebervertragsrechtlichen Bestimmungen steht der Begriff der „an-
gemessenen Vergütung“. Inzwischen liegen die ersten gerichtlichen Entschei-
dungen zur Anwendung der §§ 32, 32a UrhG vor, die den Versuch einer Kon-
kretisierung der angemessenen Vergütung unternehmen (Urteil des LG Berlin,
Az. 16 O 804/04, vom 25. Oktober 2005 und Urteil des LG München 1, Az. 7
O 24552/04, vom 10. November 2005). Diese Urteile, in denen es um die Ho-
norare für Übersetzer geht, haben Aufmerksamkeit erregt und in der Verlags-
wirtschaft eine große Unruhe ausgelöst. Die Verlage sehen diese Rechtspre-
chung mit großer Sorge und befürchten erhebliche rechtliche und
wirtschaftliche Nachteile, die langfristig allen Beteiligten, einschließlich den
Autoren und Übersetzern, schaden. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, hätte
das neue Urhebervertragsrecht sein Ziel verfehlt.

Bereits der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf
für das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und aus-
übenden Künstlern“ die Befürchtung geäußert, dass die sachgerechte Bestim-
mung der angemessenen Vergütung die Gerichte vor erhebliche Probleme stel-
len werde (Bundestagsdrucksache 14/7564, S. 6). Angesichts dessen und im
Hinblick auf die Bedeutung des Urhebervertragsrechts für die deutsche Kultur-
und Medienwirtschaft ist eine fundierte Bewertung der ersten praktischen Aus-
wirkungen des neuen Urhebervertragsrechts erforderlich, damit der Gesetz-
geber ggf. Fehlentwicklungen und Defizite rechtzeitig erkennen und durch
Korrekturen beheben kann. Zu diesem Zwecke soll die Bundesregierung dem
Deutschen Bundestag in Fortführung ihres Berichts aus der 12. Wahlperiode
(Bundestagsdrucksache 12/7489) erneut ausführlich über die Entwicklung des
Urhebervertragsrechts Bericht erstatten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Arbeiten zur weiteren Modernisierung des Urheberrechts in der Infor-
mationsgesellschaft („Zweiter Korb“) umgehend wieder aufzunehmen und
dem Deutschen Bundestag zügig einen Entwurf für ein „Zweites Gesetz zur
Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ vorzulegen;

2. dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Juli 2006 einen ausführlichen Bericht

über die Entwicklungen des Urhebervertragsrechts seit dem Inkrafttreten des

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/262

„Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und aus-
übenden Künstlern“ vorzulegen. Dieser Bericht soll insbesondere Folgendes
enthalten:

– Überblick über die bislang zum neuen Urhebervertragsrecht ergangene
Rechtsprechung, insbesondere zu den Bestimmungen der §§ 32, 32a
UrhG und §§ 36, 36a UrhG

– Übersicht über die Konkretisierung des Begriffs der „angemessenen Ver-
gütung“ in der Praxis

– Ausführungen zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen der
Rückwirkung des neuen Urhebervertragsrechts auf Verträge, die vor dem
Inkrafttreten des neuen Urhebervertragsrechts geschlossen worden sind
(„Altverträge“)

– Auskunft über Art und Umfang der bisher gemäß § 36 UrhG vereinbarten
„gemeinsamen Vergütungsregeln“

– Angaben zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des
neuen Urhebervertragsrechts für Urheber und Verwerter, insbesondere in
der Verlagswirtschaft (einschließlich Übersetzung) sowie der Filmwirt-
schaft

– Bewertung der Auswirkungen des neuen Urhebervertragsrechts auf die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kultur- und Medienwirtschaft in
Europa

– Übersicht über die Bewertung des neuen Urhebervertragsrechts durch die
betroffenen Kreise

– Bewertung des neuen Urhebervertragsrechts durch die Bundesregierung,
verbunden mit Handlungsempfehlungen an den Deutschen Bundestag für
eine weitere Fortentwicklung bzw. Korrektur des Urhebervertragsrechts;

3. die Position des Deutschen Bundestages, die Rechtsstellung der Schöpfer
und der Verwerter von urheber- oder leistungsschutzrechtlich geschützten
Werken und Leistungen weiter zu stärken, zur Grundlage ihrer Verhandlun-
gen auf europäischer Ebene zu machen.

Berlin, den 14. Dezember 2005

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Antrag
Die Modernisierung des Urheberrechts muss fortgesetzt werden

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