BT-Drucksache 16/2523

Aufhebung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen

Vom 6. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2523
16. Wahlperiode 06. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Oskar Lafontaine und
der Fraktion DIE LINKE.

Aufhebung der Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Körperschaft-
steuerbefreiung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapital-
gesellschaften aufzuheben und ihre sachgerechte Besteuerung umzusetzen.

Berlin, den 5. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die Steuerfreiheit von Gewinnen aus dem Verkauf von Anteilen an Kapital-
gesellschaften wurde im Rahmen der Reform Unternehmensbesteuerung in
2000 unter der rot-grünen Bundesregierung eingeführt. Gleichzeitig können
Kapitalgesellschaften die Aufwendungen für die entsprechenden Beteiligungen,
so z. B. die Zinsen für den Erwerb der Beteiligungen – systemwidrig – ab-
ziehen. Die damalige Bundesregierung begründete diese Maßnahme seinerzeit
unter anderem damit, dass die Gewinne aus Beteiligungsveräußerungen regel-
mäßig auf offenen Rücklagen und stillen Reserven beruhen, die bereits bei der
Beteiligungsgesellschaft bzw. bei ihrer Aufdeckung versteuert werden müssen
und mit der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne Mehrfachbelastungen
verhindert würden. Darüber hinaus sollte die Steuerbefreiung einen Beitrag zur
Entflechtung und Umstrukturierung der „Deutschland AG“ leisten. An dieser
Begründung hält auch die Koalition der CDU/CSU und SPD fest, wie aus ihrer
Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zum Thema (Bun-
destagsdrucksache 16/2196) zu entnehmen ist. So führt sie unter anderem aus,
dass durch die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen „althergebrachte
Beteiligungsstrukturen deutscher Unternehmen aufgebrochen“ werden.

Allerdings ist die Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesell-

schaften seit ihrem Bestehen insbesondere fachlich umstritten: So wird keine
Rechtfertigung für eine Steuerbefreiung gesehen, wenn, wie üblich, im Kauf-
preis der Beteiligung z. B. der Geschäftswert und – im Gegensatz zur Argumen-
tation der Bundesregierung – stille Reserven des Unternehmens enthalten sind.
Insbesondere wenn der Kaufpreis durch Börsenspekulationen gebildet wird, gibt
es für eine Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne keine Rechtfertigung.
Aktuelles Beispiel hierfür ist der Übernahmekampf um die Schering AG: An-

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fang des Jahres gab die Merck KGaA ein Gebot für den Kauf des Unternehmens
ab. Der Vorstand der Schering AG hatte sich hingegen für eine Übernahme
durch die Bayer AG ausgesprochen. Daraufhin kaufte die Merck KGaA im Stile
eines Hedge-Fonds umfangreich Schering-Aktien an der Börse. Um die Über-
nahme der Schering AG abzusichern, bot die Bayer AG der Merck KGaA für
den Verkauf ihres Unternehmensanteils einen höheren Kaufpreis als ursprüng-
lich in ihrem Angebot enthalten. Im Ergebnis konnte Merck aus diesem Speku-
lationsgeschäft einen Ertrag in Höhe von rund 400 Mio. Euro verbuchen. Dieser
Gewinn fließt der Merck KGaA steuerfrei zu.

Das mit der Steuerfreiheit beabsichtigte wirtschaftspolitische Ziel einer Ent-
flechtung und Umstrukturierung der „Deutschland AG“ führte und führt darüber
hinaus zu massiven wirtschafts- und sozialpolitischen Fehlentwicklungen. Ver-
lierer des „Aufbrechens althergebrachter Strukturen“ sind regelmäßig die
Beschäftigen: Sie sind bei Verkäufen von Tochtergesellschaften und Konzern-
sparten durch drastische Restrukturierungen, erhöhten Leistungsdruck, sin-
kende Mitbestimmung sowie massivem Arbeitsplatzabbau betroffen. Allein im
Unternehmen Grohe AG, das in den vergangenen fünf Jahren zweimal seinen
Besitzer wechselte, verloren im Zuge der Übernahme durch ein internationales
Investorenkonsortium mehr als 1 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren
Arbeitsplatz. Gleichzeitig wurde die Bundesrepublik Deutschland seit der Ein-
führung der Steuerfreiheit für zahlreiche Fonds zum attraktiven Betätigungs-
und damit Spekulationsfeld.

Die steuerlichen Mehreinnahmen der Streichung der Körperschaftsteuerbefrei-
ung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften
belaufen sich auf mindestens 2,1 Mrd. Euro jährlich.

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