BT-Drucksache 16/2509

Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit für Ausbildung, Qualifizierung und Progressiv-Modell verwenden

Vom 5. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2509
16. Wahlperiode 05. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Priska Hinz (Herborn), Markus Kurth,
Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Dr. Thea Dückert,
Kai Boris Gehring, Elisabeth Scharfenberg, Margareta Wolf (Frankfurt) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit für Ausbildung, Qualifizierung und
Progressiv-Modell verwenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesagentur für Arbeit wird im laufenden Haushaltsjahr voraussichtlich
einen Überschuss von 8,8 bis 9,6 Mrd. Euro erwirtschaften. Davon müssen bis
zu 8 Mrd. Euro für eine Beitragssatzsenkung ab 2007 eingeplant werden.
Darüber hinaus bleibt ein zusätzlicher Spielraum, der für dringend erforderliche
arbeitsmarktpolitische Programme genutzt werden kann.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) dafür einzusetzen, dass die über-
schüssigen Mittel der Bundesagentur aus dem Haushaltsjahr 2006 nach folgen-
den Prioritäten eingesetzt werden:

1. Angesichts der in diesem Jahr wiederum drohenden Ausbildungsplatz-
katastrophe muss ein Sonderprogramm für mindestens 50 000 Jugendliche
aufgelegt werden. Neben der Akquise zusätzlicher Ausbildungsplätze ist der
Ausbau der außerbetrieblichen Ausbildung zu forcieren, um die Chancen
bisher und absehbar unversorgter Jugendlicher auf eine Berufsausbildung zu
verbessern. Alle Ausbildungsabschnitte müssen zu einem zertifizierten Ab-
schluss führen. Das Programm sollte schwerpunktmäßig auf so genannte
Altbewerber und Jugendliche mit Migrationshintergrund ausgerichtet wer-
den.

2. Um das Risiko von Langzeitarbeitslosigkeit zu senken und langfristig das
Problem zu reduzieren, müssen die Qualifizierungs- und Förderangebote der
Bundesagentur insbesondere für die so genannten Betreuungskunden ver-
stärkt werden. Sie bedürfen der besonderen Unterstützung und müssen ent-
sprechend frühzeitig und intensiv gefördert werden. Dafür ist es auch er-
forderlich, dass die Kosten für Integrationsangebote für diese Personen-
gruppe mit dem Aussteuerungsbetrag verrechnet werden.
III. Der Deutsche Bundestag fordert, statt der vorgesehenen linearen Ab-
senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung die dafür eingeplanten Mit-
tel konzentriert für Beitragssenkungen im Bereich niedriger Einkommen einzu-
setzen (Progressiv-Modell). Durch die Einführung eines progressiven
Beitragssatzes werden schwerpunktmäßig kleine Einkommen entlastet. Dies
hat positive Auswirkungen auf Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage in diesem

Drucksache 16/2509 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Segment, weil auf diese Weise mehr vom Bruttolohn beim Arbeitnehmer bleibt
und sich Arbeitgeber leichter tun, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

IV. Der Deutsche Bundestag erteilt allen Versuchen eine Absage, die Über-
schüsse für die Haushaltskonsolidierung zu verwenden.

Berlin, den 5. September 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Seit Jahresbeginn steigt die Überschussprognose der Bundesagentur für Arbeit.
Mittlerweile rechnen die Verantwortlichen mit einem Überschuss von bis zu
9,6 Mrd. Euro. Die Verwendung der Mittel ist strittig. Die Bundesregierung hat
bis zu 8 Mrd. Euro davon für die Finanzierung einer linearen Senkung des Bei-
tragssatzes zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von zwei Prozentpunkten
vorgesehen. Die Verwendung desselben Betrags für die schwerpunktmäßige
Entlastung von kleinen Einkommen (Progressiv-Modell) würde die Entstehung
von neuen Arbeitsplätzen in diesem Segment anreizen, das derzeit von einem
ungünstigen Kosten-/Produktivitätsverhältnis geprägt ist. Durch eine progres-
sive Entlastung entstehen mehr neue Arbeitsplätze als durch eine lineare Bei-
tragssatzsenkung.

Auch die Verwendung des darüber hinaus reichenden Betrags ist strittig. Die
Vorschläge reichen von der Vereinnahmung in den Bundeshaushalt über die
Auflage von Programmen bis hin zum Aufbau eines finanziellen Puffers für die
Bundesagentur. Notwendig ist deshalb eine zügige Prioritätensetzung, die sich
am aktuellen arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf orientieren muss.

Die Ausbildungsplatzsituation ist zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres
2006/2007 wiederum katastrophal. Im August 2006 waren 215 000 junge Men-
schen ohne Lehrstelle bei der Bundesagentur registriert. Der Ausbildungspakt,
der für die Sicherstellung eines ausreichenden Ausbildungsplatzangebots
geschlossen wurde, funktioniert nicht. Leidtragende dessen dürfen jedoch nicht
die Jugendlichen sein, die auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive
sind. Für sie muss ein Sofortprogramm aufgelegt werden, das nach allgemeinen
Schätzungen mindestens 50 000 zusätzliche und überbetriebliche Ausbildungs-
platzangebote umfassen muss. Bei der Vergabe der Plätze sollen so genannte
Altbewerber und Jugendliche mit Migrationshintergrund bevorzugt berücksich-
tigt werden, da sie besonders geringe Chancen auf dem allgemeinen Aus-
bildungsmarkt haben. Hierfür werden Kosten von 650 Mio. Euro veranschlagt.

Die Überschüsse der BA sind auch durch Kürzungen zu Lasten von arbeitsmarkt-
politischen Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche, für Menschen mit Be-
hinderungen und Schulabbrecher entstanden. Diese so genannten Betreuungs-
kunden der Bundesagentur haben jedoch einen umfänglichen Unterstützungs-
bedarf. Sie verfügen z. B. über eine geringe Grundqualifikation, besitzen kaum
Berufserfahrung, haben gesundheitliche Probleme und gelten darum als schwer
vermittelbare Arbeitsuchende. Ihr Risiko, langzeitarbeitslos zu werden und da-
mit ein weiteres Arbeitsmarkthandicap zu tragen, ist besonders hoch. Um dies zu
verhindern, müssen die Bemühungen der Bundesagentur für diese Kunden-
gruppe verstärkt werden. Ihre Förderung und Qualifizierung müssen intensiviert
werden. Dies wird entsprechende Mittel erfordern.

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