BT-Drucksache 16/2507

Verzicht auf Mehrwertsteuererhöhung

Vom 5. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2507
16. Wahlperiode 05. 09. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine,
Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion DIE LINKE.

Verzicht auf Mehrwertsteuererhöhung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die beschlossene
Mehrwertsteuererhöhung zurückzunehmen.

Berlin, den 5. September 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Der private Verbrauch ist die Achillesferse für das Wirtschaftswachstum in
Deutschland. Während der deutsche Export seit langem einen positiven Wachs-
tumsbeitrag leistet und auch die Bruttoanlageinvestitionen, nachdem sie über
Jahre rückläufig waren, wieder zum Wirtschaftswachstum beitragen, haben
sich die privaten Konsumausgaben bis heute nicht erholt.

Der Hauptgrund für den schwachen privaten Verbrauch ist die Lohnentwick-
lung in Deutschland. Die in der Statistik der Deutschen Bundesbank unter
Masseneinkommen zusammengefassten Nettolöhne und -gehälter zuzüglich
der ausbezahlten Sozialleistungen sinken seit über einem Jahr. Mit rund 980
Mrd. Euro entsprechen die Masseneinkommen etwa der Hälfte des Brutto-
inlandsprodukts. Ihre Entwicklung hat daher erhebliche Auswirkungen auf das
Wirtschaftswachstum. Die von der Bundesregierung beschlossene Mehrwert-
steuererhöhung trifft besonders die Menschen mit niedrigem Einkommen, da
aus niedrigen Einkommen anteilig deutlich mehr konsumiert wird als aus
hohen.

Nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank entwickelt sich die anhaltende
Schwäche der Lohneinkommen auch zum Problem der deutschen Staats-

finanzen (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht August 2006). Zwar würde
sich laut Bundesbank die Einnahmeseite des Staates in den Jahren 2006 und
2007 „isoliert betrachtet“ verbessern. „Dies ist fast ausschließlich auf Maß-
nahmen der neuen Bundesregierung zurückzuführen. Zu Buche schlägt dabei
insbesondere die Erhöhung des Mehrwert- und des Versicherungssteuerregel-
satzes um 3 Prozentpunkte, die nur teilweise durch die Senkung des Beitrags-
satzes der Bundesagentur für Arbeit kompensiert wird.“ Die Notenbank führt

Drucksache 16/2507 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
dann jedoch weiter aus, dass diese Maßnahmen lediglich weniger stark wach-
sende, aber „besonders ergiebige“ Einnahmequellen ausgleichen würden. In
dieser Hinsicht seien Veränderungen in der Verteilung des Volkseinkommens
von großer Bedeutung, so die Notenbank. Sie gibt damit implizit einen Hinweis
auf die sozialpolitische Schieflage in der Bundesrepublik Deutschland. „In fis-
kalischer Hinsicht sind Unternehmens- und Vermögenseinkommen deutlich
weniger ergiebig als Arbeitnehmerentgelte“, schreibt die Deutsche Bundes-
bank. Nach ihrer Einschätzung wird sich der „bereits in den letzten Jahren zu
beobachtende Rückgang der Lohnquote (gemessen als Anteil der Arbeitneh-
merentgelte am Volkseinkommen) fortsetzen … Betrachtet man die Verwen-
dungsseite des BIP, so wird vor allem der private Konsum (vor Umsatz- und
Verbrauchssteuern) mit Abgaben belegt.“

Die von der Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und SPD beschlossene
Mehrwertsteuererhöhung droht in Verbindung mit der negativen Einkommens-
entwicklung, den Konsum weiter zu schwächen und damit der Konjunktur ins-
gesamt zu schaden. Das gefährdet auch das Ziel der Bundesregierung, den
Staatshaushalt zu konsolidieren. Das Statistische Bundesamt hat darauf hin-
gewiesen, dass für den im ersten Halbjahr 2006 gegenüber dem ersten Halb-
jahr 2005 registrierten Rückgang des Staatsdefizits um 12 Mrd. Euro „vor al-
lem die Einnahmeseite ausschlaggebend“ gewesen sei. Eine auch von den Wirt-
schaftsforschungsinstituten erwartete Verlangsamung der Konjunktur durch die
von der Bundesregierung beschlossene Mehrwertsteuererhöhung wird sich da-
her mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf die Einnahmen des Staates negativ
auswirken. An Stelle der Mehrwertsteuererhöhung sollte die Einnahmeseite des
Staates daher durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes der Einkommens-
steuern, der Unternehmenssteuern insbesondere für Kapitalgesellschaften und
der Erbschaftssteuer sowie einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer ge-
stärkt werden.

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