BT-Drucksache 16/2075

Gesetzliche Voraussetzungen für heroingestützte Behandlung Schwerstabhängiger schaffen

Vom 29. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2075
16. Wahlperiode 29. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Kai Boris Gehring, Markus Kurth, Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gesetzliche Voraussetzungen für heroingestützte Behandlung
Schwerstabhängiger schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die wissenschaftliche Auswertung der deutschen Modellprojekte zur heroin-
gestützten Behandlung Opiatabhängiger hat den Erfolg dieser Behandlungs-
form bei Schwerstabhängigen nachgewiesen. Bei den mit Heroin behandelten
Patientinnen und Patienten konnten in 80 Prozent der Fälle eine deutliche Ver-
besserung ihres Gesundheitszustands nachgewiesen werden, während dies bei
den mit Methadon behandelten Patientinnen und Patienten bei 74 Prozent der
Betroffenen der Fall war.

Zudem hatte die Heroinbehandlung positivere Auswirkungen auf die Delin-
quenzentwicklung der Probanden. Bei 69,1 Prozent der mit Heroin behandelten
Patientinnen und Patienten wurde ein Rückgang des illegalen Drogenkonsums
gemessen, hingegen nur bei 55,2 Prozent der mit Methadon behandelten. Auch
lag bei den Probandinnen und Probanden der Studie die Kriminalitätsrate hin-
sichtlich anderer Delikte nach zwölf Monaten deutlich unter dem Niveau der
mit Methadon behandelten.

Insgesamt führte die Heroinbehandlung zu einer deutlichen sozialen und ge-
sundheitlichen Stabilisierung der Schwerstabhängigen. Die Patientinnen und
Patienten konnten aus dem illegalen Kontext der Drogenszene herausgelöst
werden. In der günstigeren Kriminalitätsentwicklung liegt zudem ein wichtiger
Nebeneffekt der Heroinbehandlung, der sich auch über die Betroffenen hinaus
gesellschaftlich positiv auswirkt. Diese Erkenntnisse werden gestützt durch
ähnliche Untersuchungsergebnisse in der Schweiz und den Niederlanden.

Die Heroinbehandlung ist als Ergänzung zum bisherigen Drogenhilfesystem
von Abstinenztherapie und Substitutionsbehandlung mit Methadon und ande-
ren Substitutionspräparaten zu verstehen. Sie ist als Ultima Ratio für jene 10 bis
20 Prozent der schwer opiatabhängigen Patientinnen und Patienten gedacht, die

von den bestehenden Versorgungsangeboten nicht oder nur unzureichend er-
reicht werden.

Um die Heroinbehandlung ab 2007 in das Regelangebot des Drogenhilfesys-
tems für schwer opiatabhängige Patienten und Patienten aufnehmen zu können,
sind schnellstmöglich insbesondere Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes,
der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sowie eine Zulassung von Dia-
morphin/Heroin als Arzneimittel notwendig. Die Beantragung einer Erlaubnis

Drucksache 16/2075 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
zur Einnahme von Diamorphin/Heroin zur Substitution nach § 3 Abs. 2 des Be-
täubungsmittelgesetzes ist keine Alternative. Die so durch das Bundesinstitut für
Arzneimittel und Medizinprodukte erteilte Genehmigung bezöge sich nur auf
den jeweiligen Einzelfall, das heißt auf eine/n bestimmte/n Abhängige/n. Zudem
würde die auf diese Weise erteilte Genehmigung lediglich das Verkehrs-, nicht
aber das Verschreibungsverbot aufheben. Eine ärztlich kontrollierte Sub-
stitution bliebe weiter unmöglich.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

– einen Gesetzentwurf vorzulegen, der durch entsprechende Änderungen des
Betäubungsmittelgesetzes die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine
heroingestützte Behandlung Schwerstabhängiger schafft;

– durch die entsprechende Änderung der Betäubungsmittelverschreibungsver-
ordnung eine solche heroingestützte Behandlung in das Regelangebot für
schwer kranke Opiatabhängige aufzunehmen;

– darauf hinzuwirken, dass der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 des
Fünften Buches Sozialgesetzbuch schnellstmöglich über die Aufnahme der
Heroinbehandlung als Kassenleistung berät und entscheidet;

– darauf hinzuwirken, dass Länder und Kommunen sich weiterhin in an-
gemessener Höhe am Unterhalt der mit der Behandlung jeweils betrauten
Anlaufstellen wie zum Beispiel Fachambulanzen und der dazu gehörenden
Infrastruktur beteiligen.

Berlin, den 29. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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