BT-Drucksache 16/2043

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/1335, 16/2018 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie

Vom 28. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2043
16. Wahlperiode 28. 06. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Kerstin Andreae,
Bärbel Höhn, Ulrike Höfken und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/1335, 16/2018 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie
und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der vorliegende Gesetzentwurf hat die Erfassung von Risiken bei der Kredit-
vergabe durch Banken und Wertpapierhäuser zum Inhalt. Insbesondere sieht
der Entwurf vor, die nach den jeweiligen Risiken differenzierten Kredite und
andere Geschäfte zu erfassen; eine individuelle Risikoeinstufung der Kredit-
nehmer und Vertragspartner zu ermöglichen, wie auch Risikomesssysteme zu
entwickeln und entsprechend einzusetzen.

Auch wenn eine stärkere Berücksichtigung der individuellen Risiken für mehr
Stabilität sorgt und daher grundsätzlich zu begrüßen ist, dürfen die bestehenden
Schwächen und Nachteile nicht einfach hingenommen werden. Die individu-
elle Risikoeinstufung des Kreditnehmers wird mit Umsetzung der Richtlinie zu
einem entscheidenden Faktor in seiner jeweiligen Finanzierungssituation.

Hier ist umfassende Transparenz erforderlich, um eine ungerechtfertigte Be-
schränkung zu verhindern. Weiterhin muss das Recht zur individuellen Selbst-
bestimmung gewahrt bleiben und dem Kreditnehmer über Korrekturmöglich-
keiten Handlungsrecht eingeräumt werden.

Unabhängig davon, ob der Kreditnehmer an dem Ratingverfahren teilnimmt
oder unterhalb der Kreditsumme von 1 Mio. Euro bleibt und deshalb an einem
Scoringverfahren teilnimmt, muss er Kenntnis davon erlangen können, wie
seine individuelle Risikoeinstufung ist und wie sie zustande kommt. Er muss in
die Lage versetzt werden, falsche Datengrundlagen berichtigen lassen zu kön-
nen.

Ursprünglich war der Geltungsbereich der Baseler Vereinbarung für den ge-
werblichen Sektor vorgesehen. Die jetztige Erweiterung in den Verbraucherkre-
ditbereich ist nicht zielführend und geht über den Anwendungsbereich der Ka-
pitaladäquanzrichtlinie hinaus. Der private Verbraucher wird durch das Scoring
– der individuellen Risikoeinschätzung – mit mehreren Nachteilen konfrontiert.
Erstens kann das Prinzip, das bestimmte Kreditnehmer – mit geringem Kredit-

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ausfallrisiko – ein zinsgünstigerer Kredit angeboten wird als einem anderen
Kreditnehmer, dazu führen, dass für eher Finanzschwache die Kreditaufnahme
unmöglich, weil wesentlich zu teuer, wird. Durch die Pauschalierung einzelner
Daten und Verhaltensweisen werden erhebliche Gerechtigkeitslücken entste-
hen. Die Relevanz der Daten für die Bonitätsbewertung ist unklar, die einzelne
Kreditentscheidung nicht mehr überprüfbar. Individuelle Leistungs- und Ver-
haltenszusagen von Verbrauchern und Mikrounternehmen finden keine Berück-
sichtigung mehr und werden durch automatisierte Datenauswertungen ersetzt.
Der Einzelne kann nicht mehr über sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit
entscheiden. Die Gefahr von Manipulationen steigt.

Zweitens kann durch das jeweils unterschiedlich ausgestaltete Scoringverfah-
ren der einzelnen Banken der Kunde Finanzprodukte nicht mehr vergleichen.
Drittens ist durch die Risikobewertung des einzelnen Kunden das Sammeln
personenbezogener Daten notwendig; hier muss auf den notwendigen Daten-
schutz geachtet werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● in der weiteren Umsetzung der Bankenrichtlinie und der Kapitaladäquanz-
richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen das Recht erhalten, das
Ratingergebnis und die Faktoren, die zu dem Ratingergebnis führen, von
den Kreditinstituten in schriftlicher und nachvollziehbarer Form zu erhalten;

● in der weiteren Umsetzung der Bankenrichtlinie und der Kapitaladäquanz-
richtlinie dafür Sorge zu tragen, dass Unternehmen, die mit ihrem Kredit
unterhalb einer Kreditsumme von 1 Mio. Euro liegen ebenso das Recht
erhalten, schriftlich und in nachvollziehbarer Form ihr Scoringergebnis und
die Faktoren, die zu dem Scoringergebnis geführt haben, von den Kredit-
instituten zu erhalten;

● die Übertragung von Basel II auf den Verbraucherkreditbereich einer kriti-
schen Überprüfung zu unterziehen und dem Deutschen Bundestag in einem
Jahr einen Bericht über die Auswirkungen auf Verbraucher und Mikrounter-
nehmer vorzulegen;

● für das Scoring im Verbraucherkreditbereich genaue Offenlegungs- und
Transparenzvorschriften vorzulegen, die Diskriminierungen ausschließen und
entgegenwirken. Privatkunden muss in schriftlicher und nachvollziehbarer
Form vermittelt werden, wie das Kreditinstitut zu der jeweiligen Risikoein-
schätzung kommt;

● Aufklärungs- und Beratungsmaßnahmen für Privatkunden zu unterstützen,
damit Kreditnehmer in die Lage versetzt werden, Angebote verschiedener
Banken vergleichen zu können;

● das Datenschutzrecht im Sinne des Antrags der Bundestagsdrucksache
16/683 so zu novellieren, dass es zu keiner übermäßigen und diskriminieren-
den Datensammlung über Privatkunden kommt;

● für das Kreditwesengesetz (KWG), insbesondere für § 10 KWG, unmissver-
ständlich festzuhalten, dass die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes
nicht tangiert werden.

Berlin, den 28. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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