BT-Drucksache 16/2016

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes

Vom 28. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2016
16. Wahlperiode 28. 06. 2006

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Max Stadler,
Jörg van Essen, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster),
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Otto Fricke,
Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link
(Heilbronn), Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes

A. Problem

Transsexuelle, die keine Veränderung ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale vor-
genommen haben (sog. kleine Lösung), können gemäß § 1 des Gesetzes über
die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit
in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz) ihren Vornamen entsprechend ih-
rer empfundenen Geschlechtszugehörigkeit ändern lassen. Eine personen-
standsrechtliche Änderung ihres Geschlechts können sie nicht beantragen, da
dafür gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 des Transsexuellengesetzes ein die äußeren Ge-
schlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff (sog. große Lösung) not-
wendig ist. Transsexuelle werden daher personenstandsrechtlich nicht entspre-
chend ihrer empfundenen Geschlechtszugehörigkeit behandelt. Name und
Geschlecht stehen im Widerspruch zueinander. Dies führt dazu, dass eine Iden-
tität zwischen Name, Geschlecht und äußerem Erscheinungsbild nicht gegeben
ist. Insbesondere bei Auslandsreisen sind Transsexuelle dadurch vielfältigen
Diskriminierungen ausgesetzt, da in ihrem Pass ein Geschlecht angegeben ist,
dass nicht ihrer empfundenen Geschlechtszugehörigkeit entspricht.

B. Lösung
Durch eine Änderung im Passgesetz wird sichergestellt, dass die Geschlechts-
angabe in Reisepässen dem Geschlecht des Vornamens angepasst wird.

Drucksache 16/2016 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Beibehaltung der bestehenden Rechtslage.

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/2016

Entwurf eines Gese

Berlin, den 28. Juni 2006

Sabine Leutheusser-Schn
Dr. Max Stadler
Jörg van Essen
Jens Ackermann
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)
Uwe Barth
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Otto Fricke
Horst Friedrich (Bayreut
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Dr. Christel Happach-Ka
Heinz-Peter Haustein
Elke Hoff
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch tion
Wahlperiode – 3 – D

tzes zur Änderung des Passgesetzes

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Passgesetzes

Das Passgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom
19. April 1986 (BGBl. I S. 537), zuletzt geändert durch Ar-
tikel 13 zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in
Bundespolizei vom 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818), wird
wie folgt geändert:

§ 4 Abs. 1 Nr. 6 wird wie folgt gefasst:

„6. Geschlecht; bei Personen, die gemäß § 1 Abs. 1 des Ge-
setzes über die Änderung der Vornamen und die Feststel-
lung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
die Änderung ihres Vornamens erreicht haben, ist das
Geschlecht entsprechend dem Vornamen einzutragen,“.

Artikel 2

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

arrenberger

h)

san

Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)
Horst Meierhofer
Patrick Meinhardt
Burkhardt Müller-Sönksen
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Rainer Stinner
Florian Toncar
Christoph Waitz
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil
Dr. Guido Westerwelle und Frak

sexuelle mit ,kleiner Lösung‘ hin zur ,großen Lösung‘ be- behandelt werden. Dies trägt auch zur psychischen Stabili-

finde, ist damit nicht mehr tragfähig. Für eine
unterschiedliche personenstandsrechtliche Behandlung von
Transsexuellen mit und ohne Geschlechtsumwandlung sieht

sierung der Betroffenen bei. Die vorgeschlagene passrecht-
liche Änderung dient auch der verfassungsrechtlich ge-
schützten Reisefreiheit. Die Reisefreiheit ist zudem eines
Drucksache 16/2016 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Das Transsexuellengesetz gibt Menschen mit von ihrem kör-
perlichen Geschlecht abweichender Geschlechtsidentität die
Möglichkeit, in der zu ihrer Geschlechtsidentität passenden
Geschlechtsrolle leben zu können. Es sieht entweder nur die
Änderung des Vornamens (sog. kleine Lösung) oder dazu
auch die vollständige Anpassung des Geschlechtseintrages
im Geburtsregister und der Geburtsurkunde vor. Bei der so
genannten großen Lösung, auch Personenstandsänderung ge-
nannt, wird die Person rechtlich dem neuen Geschlecht zuge-
ordnet. Voraussetzung dafür ist, dass der Betroffene nicht
verheiratet und dauernd fortpflanzungsunfähig ist und sich
einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen hat.
Das Transsexuellengesetz ist seit dem Inkrafttreten am
1. Januar 1981 nicht mehr reformiert worden. In den vergan-
genen Jahren hat sich aufgrund von wissenschaftlichen Un-
tersuchungen und Erfahrungsberichten der Kenntnisstand
über das Leben transsexueller Menschen wesentlich vergrö-
ßert. Das Transsexuellengesetz ist daher in der Vergangenheit
von in Transsexuellenverfahren tätigen Verbänden, Sachver-
ständigen und Betroffenen oft kritisiert und Reformbedarf
angemahnt worden. Insbesondere die lange Verfahrensdauer,
Anzahl und Qualität der zu erstellenden Sachverständigen-
gutachten aber auch die gerichtliche Feststellung der Zuge-
hörigkeit zum anderen Geschlecht und das Fehlen einer be-
gleitenden psychotherapeutischen Behandlung werden von
den Betroffenen wiederholt als vorrangig reformbedürftig
dargestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Be-
schluss vom 6. Dezember 2005 (1 BvL 3/03) entscheidende
Vorschriften des Transsexuellengesetzes für verfassungs-
widrig erklärt und eine Reform des Transsexuellengesetzes
angemahnt. Das Gericht bemängelte dabei, dass Trans-
sexuelle ohne Geschlechtsumwandlung derzeit eine Bezie-
hung nur durch eine Ehe rechtlich absichern könnten, dann
aber den gewollten neuen Vornamen verlören. Auch das Bun-
desverfassungsgericht erkennt an, dass sich die dem Trans-
sexuellengesetz zugrunde liegenden Annahmen über die
Transsexualität inzwischen in wesentlichen Punkten als wis-
senschaftlich nicht mehr haltbar erwiesen haben. Das Gericht
führt dazu aus, der Gesetzgeber sei seinerzeit davon ausge-
gangen, dass die sog. kleine Lösung für einen Transsexuellen
nur ein Durchgangsstadium zur sog. großen Lösung sei, in
dem der Betroffene mit der Vornamensänderung die Mög-
lichkeit erhalte, schon frühzeitig in der Rolle des anderen Ge-
schlechts aufzutreten. „Diese dem Transsexuellengesetz un-
terlegten Annahmen über die Transsexualität haben sich in
der Zwischenzeit auf Grund neuerer wissenschaftlicher Er-
kenntnisse als nicht haltbar erwiesen. So erachtet es die Fach-
welt auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose ,Trans-
sexualität‘ nicht mehr als nötig, daraus stets die Indikation
für geschlechtsumwandelnde Maßnahmen abzuleiten. Die
These vom Durchgangsstadium, in dem sich der Trans-

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

§ 4 Abs. 1 Nr. 6 des Passgesetzes wird um eine Klarstellung
ergänzt. Danach ist bei Transsexuellen, die gemäß § 1
Abs. 1 des Transsexuellengesetzes eine Änderung ihres Vor-
namens erreicht haben, das dem Vornamen entsprechende
Geschlecht im Pass einzutragen. Nach geltendem Recht
können Transsexuelle, die sich für die sog kleine Lösung
entschieden haben, ihren Vornamen ändern lassen. Die Ein-
tragung der Änderung ihres Geschlechts ist ihnen jedoch
verwehrt, da § 8 des Transsexuellengesetzes hierfür u. a.
einen geschlechtsverändernden operativen Eingriff voraus-
setzt. Betroffen sind hiervon Transsexuelle, die keine Not-
wendigkeit für eine Operation sehen oder die die Scheidung
ihrer Ehe ablehnen und daher eine Änderung ihres Perso-
nenstandes nicht beantragen können. Dies hat zur Folge,
dass eine Transsexuelle, die einen weiblichen Vornamen
trägt und ein weibliches äußeres Erscheinungsbild aufweist,
weiterhin personenstandsrechtlich als „männlich“ registriert
ist. Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Be-
schluss vom 6. Dezember 2005 dazu aus: „Die Geschlechts-
zugehörigkeit kann nicht allein nach den physischen Ge-
schlechtsmerkmalen bestimmt werden. Sie hängt wesentlich
auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und
seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit
ab.“ Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass dieses
rechtliche Zusammenspiel das von Artikel 2 Abs. 1 i. V. m.
Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Recht des
Transsexuellen auf Wahrung seiner Intimsphäre und auf
Wahrung seiner eigenen, im Vornamen sich ausdrückenden
Geschlechtsidentität verletze. Gemäß § 1 Abs. 1 des Passge-
setzes sind Deutsche, die über eine Auslandsgrenze aus dem
Geltungsbereich des Gesetzes ausreisen oder in ihn einrei-
sen, verpflichtet, einen gültigen Pass mitzuführen und sich
damit über ihre Person auszuweisen. Aufgrund des
geltenden Rechts waren Transsexuelle im Ausland oft Dis-
kriminierungen ausgesetzt, da ihr äußeres Erscheinungsbild
nicht mit dem in ihrem Pass eingetragenen Geschlecht über-
einstimmt. Auch die Bundesregierung ist der Auffassung,
dass Transsexuelle die gleichen Möglichkeiten zu Aus-
landsreisen ohne Diskriminierungen erhalten müssen wie
alle anderen Bürger auch (Bundestagsdrucksache 16/306).
Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich
im Juni 2006 daher für eine entsprechende Änderung des
Passgesetzes ausgesprochen. Die vorgeschlagene Änderung
in § 4 Abs. 1 Nr. 6 beseitigt diesen diskriminierenden Um-
stand und trägt damit wesentlich dazu bei, dass Transsexu-
elle künftig ihr Leben selbstbestimmter gemäß ihrer emp-
fundenen Geschlechtszugehörigkeit leben können. Dadurch
wird sichergestellt, dass Transsexuelle gesellschaftlich und
rechtlich entsprechend der neuen geschlechtlichen Identität
die Fachliteratur deshalb keine haltbaren Gründe mehr.“, so
das Bundesverfassungsgericht.

der international verbrieften Menschenrechte, das jedem
Menschen das grundsätzliche Recht gibt, sein eigenes Land

Deutscher Bundestag – 16 rucksache 16/2016
. Wahlperiode – 5 – D

nach Belieben verlassen und wieder zurückkehren zu dür-
fen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Lösung in sei-
nem Beschluss vom 6. Dezember 2005 ausdrücklich vorge-
schlagen. Das Gericht hat dem Gesetzgeber nahegelegt, das
Personenstandsrecht dahingehend zu ändern, dass auch ein
nach gerichtlicher Prüfung gemäß § 1 ff. des Transsexuel-
lengesetzes anerkannter Transsexueller ohne Geschlechts-
umwandlung rechtlich dem von ihm empfundenen Ge-
schlecht zugeordnet wird.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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