BT-Drucksache 16/1976

Für ein Ende der Gewalt in Norduganda

Vom 28. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1976
16. Wahlperiode 28. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, Dr. Diether Dehm,
Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, Dr. Hakki Keskin, Katrin Kunert, Michael Leutert,
Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln), Dr. Kirsten Tackmann, Alexander Ulrich,
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Für ein Ende der Gewalt in Norduganda

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit 20 Jahren terrorisiert die vornehmlich kriminelle so genannte Lord’s
Resistance Army (LRA) den Norden Ugandas. Unter ihrer beispiellosen Gewalt
und den Auseinandersetzungen mit der ugandischen Armee, der Uganda Peo-
ple’s Defence Force (UPDF) leidet vor allem die Zivilbevölkerung. Dörfer und
Felder werden nach wie vor niedergebrannt, Menschen misshandelt, Frauen und
Mädchen vergewaltigt und Kinder entführt.

Allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren haben die Rebellen mehr als
10 000 Kinder verschleppt und sie als Kindersoldaten eingesetzt. Diese Kinder
kehren traumatisiert in ihre Dörfer zurück und werden mitunter von ihren Fami-
lien als Mörder und ehemalige Rebellen verstoßen.

Mehr als 1,6 Millionen Menschen wurden durch den Krieg entwurzelt, aus ihren
Dörfern vertrieben und in Flüchtlingslager zwangsinterniert. Weit über eine Mil-
lion Acholi, die Volksgruppe, die ursprünglich im Krisengebiet, in den Distrik-
ten Gulu, Kitgum und Pader und im südlichen Sudan angesiedelt war, leben in
mehr als 60 so genannten Schutzlagern im Norden Ugandas. Ursprünglich von
der ugandischen Regierung als Schutzmaßnahme gegen Überfälle der LRA ge-
rechtfertigt, sind die Lager zu leichten Angriffszielen der Rebellen geworden.
Die UPDF gewährleistet keinen effektiven Schutz und hat sich ihrerseits eben-
falls schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu Schulden kommen las-
sen. Über zehn Jahre Lagerleben in unmenschlichen Verhältnissen haben die
Menschen traumatisiert, die Anzahl der mit HIV/AIDS-Infizierten drastisch an-
steigen lassen und eine humanitäre Dauerkatastrophe geschaffen, die die Ent-
wicklung in der Region behindert.

Die ugandische Regierung trägt die Verantwortung dafür, dass die ugandische
Bevölkerung in Frieden und Freiheit leben kann. Sie muss sie vor jeglicher Form

von unrechtmäßiger Gewalt insbesondere der LRA aber auch der eigenen
Sicherheitskräfte schützen. Korruption, vor allem auf Seiten des ugandischen
Militärs, mindert jedoch das Interesse, den Konflikt zu beenden. Bislang sind
auch alle Bemühungen gescheitert, mit der LRA zu einer Verhandlungslösung
zu kommen.

Die internationale Gemeinschaft muss die ugandische Regierung bei ihren legi-
timen Bemühungen zur Bewältigung des Konfliktes und zum Schutz der Zivil-

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bevölkerung unterstützen. Ein wichtiger Schritt war es, dass der Internationale
Strafgerichtshof (IStGH) im Oktober 2005 Haftbefehle gegen die fünf wichtigs-
ten Rädelsführer der LRA erlassen hat. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass
Anfang April 2006 ein Joint Monitoring Committee for Northern Uganda An-
fang April eingesetzt worden ist, in dem vorerst die Vereinten Nationen (VN),
die Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Norwegen, die Nieder-
lande und Uganda an einer umfassenden Strategie für Norduganda arbeiten kön-
nen.

Die Auseinandersetzung mit der LRA hat sich längst auf Südsudan und Ost-
kongo ausgeweitet. Ende 2005 wurden wiederholt südsudanesische Dörfer von
der LRA überfallen. Im Januar 2006 wurden acht Soldaten der UN-Friedens-
truppe MONUC im Kongo von der LRA ermordet. Der Erfolg der Friedenspro-
zesse und der diese unterstützenden VN-Missionen hängt auch von einer Bewäl-
tigung des Konflikts in Norduganda ab. Aus diesem Grund und wegen der
humanitären Katastrophe muss die internationale Gemeinschaft ein verstärktes
Interesse an einer nachhaltigen Lösung haben.

Da Uganda ein Schwerpunktland der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
mit der Bundesrepublik Deutschland in Afrika ist, sollte Deutschland seinen
politischen Einfluss verstärkt nutzen, um den nordugandischen Konflikt zu be-
enden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit den europäischen Partnern die wirtschaftlichen und politi-
schen Beziehungen zu Uganda zu nutzen, um die ugandische Regierung zu
einer rechtsstaatlichen Bewältigung des Konfliktes mit der LRA zu drängen,
sie dabei zu unterstützen und einen wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung
in dem Konflikt mit der LRA und vor Übergriffen der eigenen Sicherheits-
kräfte einzufordern;

2. die Ernsthaftigkeit der ugandischen Regierung an Waffenstillstands- und
Friedensverhandlungen dringend anzumahnen und im europäischen Verbund
unter Einbeziehung der Afrikanischen Union (AU) sich dafür einzusetzen,
dass das neue Joint Monitoring Committee for Northern Uganda eine „Road
Map for Peace“ ausarbeitet und umsetzt. An den Vorgaben der Road Map
wird die ugandische Regierung dann gemessen werden;

3. sich für die Auflösung der Lager der ugandischen Flüchtlinge im Norden
Ugandas einzusetzen, gemeinsam mit der AU und den europäischen sowie
internationalen Geberländern bei der ugandischen Regierung auf eine über-
prüfbare Wiederansiedlung der Flüchtlinge in ihren Heimatgebieten zu drän-
gen und die vollständige Rückgabe ihrer Äcker und Felder zu fordern;

4. sich dafür einzusetzen, dass die Regierungen Ugandas, der DR Kongo und
Sudans noch stärker als bisher bei der Bewältigung des Konfliktes mit der
LRA zusammenarbeiten;

5. sich gegenüber allen Verantwortlichen in der Region dafür einzusetzen, dass
die fünf führenden Rädelsführer der LRA, gegen die der IStGH Haftbefehle
erlassen hat, auch tatsächlich verhaftet werden;

6. sich dafür einzusetzen, dass Uganda glaubhafte und ernsthafte Anstrengun-
gen unternimmt, Verbrechen der ugandischen Sicherheitskräfte, insbeson-
dere der UPDF strafrechtlich zu verfolgen, und – falls dies nicht geschieht –
dass der IStGH diese Untersuchungen einleitet;

7. die mit sieben weiteren Gebern (u. a. Weltbank und Afrikanische Entwick-
lungsbank) vereinbarte Geber-Strategie für Uganda (Uganda Joint Assistance

Strategy) umzusetzen, die klare Vorgaben für die Umsetzung von demokra-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1976

tischen und rechtsstaatlichen Strukturen, für die Wahrung der Menschen-
rechte, die Sicherheit und Reintegration der Flüchtlinge und für konstruktive
Friedensverhandlungen enthält;

8. Projekte und Initiativen, die sich für die Demobilisierung von Kindersolda-
ten, die Aufarbeitung ihrer Traumata und ihre Wiedereingliederung in die
Gesellschaft einsetzen, mit Nachdruck zu unterstützen.

Berlin, den 28. Juni 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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