BT-Drucksache 16/1943

Politische Konsequenzen aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum staatlichen Monopol für Sportwetten vor dem Hintergrund des europäischen Rechts der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt sowie Wettangeboten im Internet

Vom 23. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1943
16. Wahlperiode 23. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard Schick, Matthias
Berninger, Dr. Thea Dückert, Irmingard Schewe-Gerigk, Margareta Wolf (Frankfurt)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Politische Konsequenzen aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum
staatlichen Monopol für Sportwetten vor dem Hintergrund des europäischen
Rechts der Dienstleistungsfreiheit im europäischen Binnenmarkt sowie
Wettangeboten im Internet

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum staatlichen Sportwett-
monopol festgestellt, dass das in Bayern bestehende staatliche Wettmonopol für
Sportwetten mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar ist, weil es in
einer Art und Weise ausgestaltet ist, die eine effektive Suchtbekämpfung, die
den Ausschluss privater Veranstalter rechtfertigen könnte, nicht sicherstellt.

Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich gehalten, den Bereich der Sportwetten
bis zum 31. Dezember 2007 neu zu regeln. Ein verfassungsrechtlicher Zustand
kann sowohl durch eine konsequente Ausgestaltung des Wettmonopols erreicht
werden, die sicherstellt, dass es wirklich der Suchtbekämpfung dient, als auch
durch eine gesetzlich normierte und kontrollierte Zulassung gewerblicher Ver-
anstaltungen durch private Wettunternehmen. Eine Neuregelung kommt dabei
grundsätzlich sowohl durch den Bundes- wie den Landesgesetzgeber in Betracht
(vgl. Pressemitteilung Nr. 25/2006 vom 28. März 2006 des Bundesverfassungs-
gerichts).

Will der Gesetzgeber an einem staatlichen Wettmonopol festhalten, muss er die-
ses konsequent am Ziel der Bekämpfung der Wettsucht und der Begrenzung der
Wettleidenschaft ausrichten. Die konsequente Ausgestaltung eines nationalen
staatlichen Sportwettmonopols im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsurteils
stößt sich allerdings an der Realität, dass es längst europäischen Wettbewerb
über das Internet und Fernsehwerbung für Sportwetten außerhalb des normier-
ten Wettmonopols gibt.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts öffnet mit der Möglichkeit
der normierten und kontrollierten Zulassung gewerblicher Veranstaltungen
durch private Wettunternehmen den Weg zu einer europarechtskonformen Aus-
gestaltung im europäischen Binnenmarkt.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Setzt die Bundesregierung wie offensichtlich viele Bundesländer auf die
langfristige Aufrechterhaltung des staatlichen Monopols für Sportwetten?

2. Hält die Bundesregierung die Schließungsverfügungen gegen private Wett-
büros durch mehrere Bundesländer infolge des Bundesverfassungsgerichts-
urteils für den ersten richtigen Schritt?

Drucksache 16/1943 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass vor Schließungsverfügun-
gen, die in der Konsequenz mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten verbun-
den sein können, über die Ausgestaltung der zukünftigen gesetzlichen Rah-
menbedingungen für Sportwetten befunden werden sollte?

4. Welche Steuern müssen von den privaten Wettbüros gezahlt werden?

5. Wie wird die Erfüllung der Steuerpflichten durch die Wettbüros von den
Finanzbehörden kontrolliert?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten, ein auf den nationalen
Markt konsequent ausgerichtetes Monopol für Sportwetten so auszugestal-
ten, dass es wirklich der Suchtbekämpfung im Sinne des Bundesverfas-
sungsgerichtsurteils dient, insbesondere auch unter Beachtung europäischen
Rechts der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit im Rahmen des
europäischen Binnenmarkts?

7. Welche Konsequenzen ergeben sich für den Markt der Sportwetten aus der
Einigung der EU-Staaten über die EU-Dienstleistungsrichtlinie?

8. Sieht die Bundesregierung – angesichts der rechtlichen Rahmenbedingun-
gen des europäischen Binnenmarkts – die Notwendigkeit, das Monopol des
staatlichen Wettanbieters Oddset, welches bereits durch vier DDR-Lizenzen
eingeschränkt und in ein Oligopol umgewandelt ist, durch ein international
offenes, aber normiertes und kontrolliertes Vergabeverfahren von Lizenzen
für Sportwetten zu ersetzen?

9. Welche Regulierungsmöglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Gestal-
tung des Marktes von Sportwetten, unter der Maßgabe des Bundesverfas-
sungsgerichtsurteils das Suchtpotential von Sportwetten zu begrenzen?

10. Welche Hindernisse zur Marktregulierung bestehen angesichts der Tat-
sache, dass Sportwetten im Internet bereits ungehindert angeboten und
genutzt werden können?

11. Wie will die Bundesregierung erreichen, dass Sportwetten, die über das
Internet vermittelt werden, auch einer Besteuerung unterworfen werden?

12. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, zur Begrenzung der Spiel-
und Wettsucht die Vertriebswege und Werbestrategien auszuwählen und
zu begrenzen, um dem Spieler- und Jugendschutz besser gerecht zu wer-
den?

13. Kann der notwendige Spieler- und Jugendschutz auch im Rahmen eines
regulierten Vergabeverfahrens von Lizenzen für Sportwetten gewährleistet
und ordnungsrechtlich durchgesetzt werden?

14. Wie kann im Rahmen einer europarechtskonformen Ausgestaltung des Ver-
gabeverfahrens und der Besteuerung von Sportwetten die Finanzierung des
Breitensports sichergestellt werden?

15. Welche ordnungsrechtlichen und steuerlichen Lösungen gibt es für Sport-
wetten in anderen europäischen Ländern, und will die Bundesregierung ver-
gleichbare Lösungen in Deutschland anwenden?

16. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig, um Beste-
chung, Korruption, Geldwäsche und Betrug im Bereich der Sportwetten zu
vermeiden?

17. Welcher administrative Aufwand (Personalstellen, Personal- und Sachkos-
ten) fällt derzeit im Bereich der Rennwett- und Lotteriesteuer jährlich diffe-
renziert nach Bund und Ländern an?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1943

18. Erkennt die Bundesregierung die wirtschaftspolitische Parallele zwischen
der Öffnung der Fernsehmärkte von öffentlich-rechtlichem Fernsehen und
Privatfernsehen sowie dem öffentlich regulierten Wettmonopol für Sport-
wetten und den Privatanbietern von Sportwetten, um so die Ansiedlung pri-
vater Firmen in Deutschland anstatt im Ausland zu fördern und das damit
verbundene Steueraufkommen zu sichern?

19. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Umsatzzuwachs bei Sportwetten
durch die Fußballweltmeisterschaft und dem daraus resultierenden Zuwachs
an Steueraufkommen ein?

Berlin, den 22. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.