BT-Drucksache 16/1898

Berichte über Diskriminierungen von Arbeitsuchenden in der Arbeitsverwaltung

Vom 20. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1898
16. Wahlperiode 20. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus,
Sevim Dagdelen und der Fraktion DIE LINKE.

Berichte über Diskriminierungen von Arbeitsuchenden in der
Arbeitsverwaltung

In einem offenen Brief an das Bundesministerium des Innern, an die Beauf-
tragte der Bundesregierung für Migration, Integration und Flüchtlinge, Maria
Böhmer, und an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 15. De-
zember 2005 berichtet ein Arbeitsuchender mit Migrationshintergrund von
diskriminierenden Erlebnissen in der Arbeitsagentur Aachen und seinen weit-
gehend vergeblichen und mühsamen Versuchen, sich hiergegen zur Wehr zu
setzen, sich zu beschweren bzw. überhaupt eine Stelle oder Person ausfindig zu
machen, die für die Entgegennahme solcher Beschwerden und für wirksame
Gegenmaßnahmen zuständig wäre. Im Ergebnis hätten sich weder Mitarbeiter
der Agentur, noch der Bürgerbeauftragte und die Ausländerbeauftragte der
Stadt Aachen oder die Bundesbeauftragte für Migration und Integration und
auch keine der angeschriebenen Ministerien für zuständig erachtet.

In dem offenen Brief schildert der Arbeitsuchende unter anderem, dass er im
Berufsinformationszentrum (BIZ) aufgefordert worden sei, seinen Personalaus-
weis vorzuzeigen (die öffentlichen Regeln des BIZ würden allerdings die Mög-
lichkeit der anonymen Nutzung ausweisen) und dass er darauf hingewiesen
worden sei, dass es nicht akzeptabel sei, Englisch zu sprechen, da die offizielle
Sprache in Deutschland deutsch sei.

Zudem habe sich ein Mitarbeiter des BIZ bei einem Telefonat hinter den Be-
troffenen gestellt und versucht, seine Ausdrucke einzusehen und das Gespräch
mitzubekommen. Der Arbeitsuchende sei darauf hingewiesen worden, den
Internet-Service in unangemessener Weise genutzt zu haben, da er in der vorhe-
rigen Woche eine Website des FBI und der chinesischen Botschaft in Deutsch-
land besucht habe.

Des Weiteren sei ihm die Nutzung der öffentlichen Telefone im BIZ untersagt
worden. Und nachdem ihm lediglich einer der vorhandenen Computer zur Nut-
zung zur Verfügung gestellt worden sei, der allerdings defekt gewesen sei, habe
man ihn, als er sich trotzdem vor diesen setzte, des BIZ verwiesen.

Ungeachtet der Richtigkeit der Darstellung im Detail, bietet der offene Brief

Anlass zu folgenden grundsätzlichen Fragen.

Drucksache 16/1898 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Integration und
Flüchtlinge, Maria Böhmer, den im offenen Brief erhobenen Vorwürfen
nachgegangen?

Wenn nein, warum nicht?

Fällt der geschilderte Fall nicht in den Zuständigkeitsbereich der Beauftrag-
ten für Migration, Integration und Flüchtlinge?

Wenn nein, warum nicht?

2. Wie haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundes-
ministerium des Innern auf den offenen Brief reagiert?

Wurde das Anliegen zumindest an die zuständigen Stellen weitergeleitet
oder dem Betroffenen zuständige Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpart-
ner genannt?

Wenn nein, warum nicht?

3. An wen können sich Menschen, die den Eindruck haben, bei der Arbeitsver-
mittlung diskriminiert oder eingeschüchtert zu werden, wenden?

Was wird in solchen Fällen unternommen?

Gibt es darüber hinaus eine übergeordnete Beschwerdeinstanz, die über-
prüft, ob das Vorgehen angemessen war?

4. Sind der Bundesregierung weitere Fälle von Diskriminierungen, Einschüch-
terungsversuchen oder Ungleichbehandlungen in den Arbeitsagenturen oder
Arbeitsgemeinschaften bekannt, über die sich Arbeitsuchende beschwert
haben?

Wenn ja, wie viele (bitte nach Geschlecht und Menschen mit Migrationshin-
tergrund differenzieren)?

Wenn der Bundesregierung keine Zahlen vorliegen, plant sie diesbezügliche
Erhebungen?

Wenn sie keine Erhebungen plant, warum nicht?

5. Gibt es weitere Personen, die sich mit gleichen oder ähnlichen Anliegen
(Diskriminierung, Einschüchterungsversuchen, Ungleichbehandlungen in der
Arbeitsverwaltung) an die Bundesregierung oder die Beauftragte für Migra-
tion, Integration und Flüchtlinge gewandt haben?

Wenn ja, wie viele, und was wurde in diesen Fällen unternommen?

6. Was haben die Bundesregierung und die Beauftragte für Migration, Integra-
tion und Flüchtlinge bisher unternommen, um Diskriminierungen auf dem
Arbeitsmarkt und in der Arbeitsverwaltung zu bekämpfen?

7. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um zu verhindern, dass in der
Arbeitsverwaltung (Agenturen für Arbeit, Arbeitsgemeinschaften) Arbeit-
suchende diskriminiert, eingeschüchtert oder ungleich behandelt werden?

Wenn sie diesbezüglich keine Planungen macht, warum nicht?

8. Entspricht es der geltenden Rechtslage, dass die Arbeitsagenturen selbst ent-
scheiden können, wer ihre Dienste nutzen darf und wer nicht, worauf nach
Angaben des Betroffenen ein Mitarbeiter im Bundesministerium für Arbeit
und Soziales verwies (bitte begründen)?

Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit des willkür-
lichen Umgangs mit Erwerbslosen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1898

Welche Rechte haben Erwerbslose gegenüber den Arbeitsagenturen und
Arbeitsgemeinschaften?

9. Entspricht es der geltenden Rechtslage, dass es verboten ist, auf nichtdeut-
schen Websites nach Arbeitsplätzen zu suchen, worauf nach Angaben des
Betroffenen ein Mitarbeiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales
verwies (bitte begründen)?

Wenn ja, warum ist dies verboten?

Berlin, 19. Juni 2006

Dr. Axel Troost
Dr. Barbara Höll
Werner Dreibus
Sevim Dagdelen
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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