BT-Drucksache 16/1886

Steuerberatung zukunftsfähig machen

Vom 20. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1886
16. Wahlperiode 20. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Dr. Gerhard Schick, Matthias
Berninger, Dr. Thea Dückert, Markus Kurth, Margareta Wolf (Frankfurt) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuerberatung zukunftsfähig machen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine tief greifende Novelle des Steuerberatungsgesetzes ist überfällig. Die
moderne Arbeitswelt ist flexibler und vielgestaltiger geworden: Phasen von
selbständiger und angestellter Tätigkeit wechseln sich ab und Arbeitnehmer
erzielen neben ihren Haupteinkommen zunehmend Einkünfte aus Kapitalver-
mögen, Vermietung und Verpachtung und aus selbständiger Tätigkeit. Die
Tätigkeitsbeschränkung im Steuerberatungsgesetz ist starr auf eine strikte Tren-
nung von selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit ausgelegt. Sie muss an
die Lebenswirklichkeit der Arbeitnehmer angepasst werden, damit diese auch
zukünftig eine kostengünstige Steuerberatung in Anspruch nehmen können.

Das Steuerberatungsgesetz schränkt die Berufsfreiheit von Selbständigen im
Steuer- und Buchhaltungswesen übermäßig stark ein. Dies betrifft selbständige
Buchhalter, Buchführungshelfer, Bilanzbuchhalter, Steuerfachwirte und Lohn-
steuerhilfevereine. Für Gründer und Selbständige in diesem Berufsfeld sind die
vielen Einschränkungen zu einem Hindernis geworden, ihre Geschäftsideen zu
verwirklichen und Arbeitsplätze zu schaffen. Eine tief greifende Modernisie-
rung und Liberalisierung des Berufsrechts der Steuerberater ist deshalb dringend
notwendig. Das Steuerberatungsgesetz muss allen Selbständigen im Steuer- und
Buchhaltungswesen ausreichende Marktchancen einräumen und ihnen faire
Wettbewerbsbedingungen gewähren. Alle Beteiligten müssen ihren Beruf weit-
gehend ungehindert ausüben können.

Der Verbraucher muss aber auch auf die Qualität der angebotenen Leistung ver-
trauen können. Das ist gerade in einem hochkomplexen und sich schnell verän-
dernden Bereich wie dem Steuer- und Buchhaltungswesen besonders wichtig.
Mit der Weiterentwicklung der berufsrechtlichen Rechte und Pflichten sollte
aber nur ein gesetzlicher Rahmen für die Sicherung des Verbraucherschutzes ge-
schaffen werden. Bis ins Kleinste gesetzlich normierte Rechte und Pflichten
würden das Berufsrecht mit Bürokratie überladen und wären letztendlich praxis-

fern. Es ist Aufgabe der Berufsverbände der Selbständigen im Steuer- und Buch-
haltungswesen, die berufsrechtlichen Pflichten mit Leben zu erfüllen und bei-
spielsweise über regelmäßige berufliche Fortbildung und die Vergabe von Qua-
litätssiegeln die Qualität der Berufsausübung zu sichern.

Drucksache 16/1886 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Steuerberatungsgesetzes vorzulegen,
der das Berufsrecht der Steuerberater in den folgenden Punkten modernisiert
und liberalisiert:

Selbständige Buchhalter, Buchführungshelfer, Bilanzbuchhalter sowie Steuer-
fachwirte sollen die gesetzliche Befugnis erhalten, die Buchhaltung einzurichten,
vorbereitende Abschlussarbeiten in der Finanzbuchhaltung zu erledigen, die Lohn-
buchhaltung abzuschließen und die Umsatzsteuer-Voranmeldung zu erstellen.

Es soll ein Absicherungs- und Kontrollsystem für diese Berufsgruppen instal-
liert werden, das einen ausreichenden Verbraucherschutz gewährleistet. Dies
bedeutet insbesondere die Einführung einer Pflicht zum Abschluss einer Berufs-
haftpflichtversicherung und die Schaffung einer Berufsaufsicht auch für die-
jenigen Berufe, denen Tätigkeitsfelder eröffnet werden, die bislang den Steuer-
beratern vorbehalten waren.

Die Beratungsgrenze, bis zu der Lohnsteuerhilfevereine auch bei anderen Ein-
kunftsarten beraten dürfen, soll auf einheitlich 25 000 Euro pro veranlagter Per-
son erhöht werden, um sie an die Entwicklung bei typischen Arbeitnehmerne-
beneinkünften seit der letzten Novelle des Steuerberatungsgesetzes anzupassen.
Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die nebenberuflich erzielt werden, wie
z. B. Vortragshonorare, sind in diese Grenze einzubeziehen.

Entsprechend ihrem tatsächlichen Tätigkeitsfeld sollen die heutigen Lohnsteu-
erhilfevereine zukünftig die Bezeichnung: „Steuerhilfeverein für Arbeitnehmer
und Rentner“ führen dürfen.

Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten und Steuerberatungsgesellschaften soll
es möglich sein, Kooperationen mit allen freien Berufen sowie mit selbständigen
Buchhaltern, Buchführungshelfern, geprüften Bilanzbuchhaltern, Steuerfach-
wirten oder Lohnsteuerhilfevereinen einzugehen, was auch die Bildung von
Bürogemeinschaften einschließt. Berufsrechtliche Rechte und Pflichten, vor
allem Verschwiegenheitspflicht, Gewissenhaftigkeit, Auskunftsverweigerungs-
recht, Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot, sind entspre-
chend anzupassen.

Steuerberater sollen während einer Anstellung ihren Titel „Steuerberater“ weiter
führen und auch als solcher tätig sein dürfen, wenn der Arbeitsvertrag dies nicht
verbietet.

Die Werberegelung soll praktikabel ausgestaltet werden. Selbständige Buchhalter,
Buchführungshelfer und geprüfte Bilanzbuchhalter sollen mit der Bezeichnung
„Buchhalter“ bzw. „Buchhaltungsbüro“ ohne weitere Zusätze werben dürfen.

Berlin, den 20. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Entscheidende Bereiche der Buchhaltung sind immer noch den Steuerberatern
vorbehalten. Damit ist die Berufsfreiheit der selbständigen Buchhalter, Buch-
führungshelfer, Bilanzbuchhalter sowie Steuerfachwirte stark eingeschränkt.
Die freie Wahl des Berufs hat Verfassungsrang. Eine Einschränkung kommt nur

in Betracht, wenn sie für den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter notwenig ist.
Das ist aber hier nicht der Fall. Die genannten Selbständigen müssen nach dem

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1886

Steuerberatungsgesetz schon heute eine abgeschlossene kaufmännische Aus-
bildung und 3-jährige einschlägige Berufserfahrung vorweisen. Diese Quali-
fikation ist ausreichend, um die Buchhaltung einzurichten, vorbereitende Ab-
schlussarbeiten in der Finanzbuchhaltung zu erledigen, die Lohnbuchhaltung
abzuschließen und die Umsatzsteuer-Voranmeldung zu erstellen. Denn diese
Arbeiten gehören zum normalen Massengeschäft in der Buchhaltung. Darüber
hinaus dürfen Personen und Vereinigungen mit Sitz in anderen EU-Ländern oder
der Schweiz, die dort befugt sind, geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen zu leis-
ten, dies auch in Deutschland tun, und zwar unbeschränkt. Selbständige Buch-
halter, Buchführungshelfer, Bilanzbuchhalter sowie Steuerfachwirte mit Sitz im
Inland sind deshalb durch die Tätigkeitsbeschränkung diskriminiert. Das muss
schnellstens beendet werden, damit selbständige Buchhalter, Buchführungs-
helfer, Bilanzbuchhalter sowie Steuerfachwirte für ihre typische Klientel von
Klein- und Kleinstbetrieben eine komplette und kostengünstige Buchhaltung
anbieten können.

Mit der Ausweitung der Beratungsbefugnisse für die selbständigen Buchhalter,
Buchführungshelfer, Bilanzbuchhalter sowie Steuerfachwirte, Abschlussarbei-
ten in der Finanzbuchhaltung zu erledigen, die Lohnbuchhaltung abzuschließen
und die Umsatzsteuer-Voranmeldung zu erstellen, soll auch der Schutz der Ver-
braucher verbreitert werden. Für die selbständigen Buchhalter, Buchführungs-
helfer, Bilanzbuchhalter sowie Steuerfachwirte soll der Abschluss einer Berufs-
haftpflichtversicherung verbindlich sein, damit der Verbraucher gegen einen
Vermögensschaden aus einer Falschberatung abgesichert ist. Darüber hinaus
soll es eine Berufsaufsicht geben. Verschiedene Verbände der Selbständigen im
Buchhaltungswesen haben bereits öffentlich erklärt, dass sie bereit sind, eigene
Versicherungspflichten und weitere Aufsichtspflichten anzuerkennen. Der
Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat sich bereit erklärt,
diese Aufsichtspflichten zu übernehmen und den Abschluss von Versicherungen
zu überprüfen.

Die Verhältnisse der Arbeitnehmer haben sich in den letzten Jahren verändert,
wie auch das gesamte Wirtschaftsleben. Das Steuerberatungsgesetz muss diese
Entwicklungen mitgehen, wenn die steuerliche Beratung der Arbeitnehmer wei-
terhin zu günstigen Konditionen möglich sein soll. Dies ist vor allem notwendig,
weil die Lohnsteuerhilfevereine ihre Mandate nicht teilen dürfen. Wenn also ein
Arbeitnehmerhaushalt die niedrigen Beratungsgrenzen nur geringfügig über-
schreitet, müsste er komplett zu einem Steuerberater wechseln. Das ist eine un-
verhältnismäßige Mehrbelastung für die betroffenen Arbeitnehmer. Die Begren-
zung der Nebeneinkünfte sollte deshalb auf 25 000 Euro angehoben werden.
Außerdem soll diese Grenze zukünftig pro veranlagte Person gelten. Damit wird
auch in diesem Bereich der Übergang zur Individualveranlagung gefördert und
damit den Anforderungen an eine moderne Besteuerung von Ehe und Familie
besser entsprochen.

Die moderne Arbeitswelt verlangt von vielen Arbeitnehmern deutlich mehr
Flexibilität. Neben ihrem Anstellungsverhältnis sind viele Arbeitnehmer zuneh-
mend auch selbständig tätig. Diese Flexibilisierung der Arbeitswelt soll für die
Arbeitnehmer möglichst erleichtert und unkompliziert ausgestaltet werden. Ein
Arbeitnehmer, der nebenberuflich Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit z. B.
aus Gutachtertätigkeit erzielt, darf derzeit nicht von einem Lohnsteuerhilfever-
ein beraten werden, unabhängig von der Höhe der Einnahmen. Solange diese
Einnahmen ein Nebeneinkommen darstellen, also unterhalb der neuen Bera-
tungsgrenze für die anderen Einnahmen liegen, sollten die Lohnsteuerhilfever-
eine auch diese Arbeitnehmer weiter beraten dürfen. Mit der Beratungsgrenze
existiert weiterhin eine klare Trennung zum Tätigkeitsbereich der Steuerberater.

Drucksache 16/1886 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Mit der Bezeichnung „Steuerhilfeverein für Arbeitnehmer und Rentner“ wird
das tatsächliche Tätigkeitsfeld der heutigen Lohnsteuerhilfevereine zutreffender
und damit für die Bürgerinnen und Bürger transparenter bezeichnet.

Flexible Kooperationsmöglichkeiten bis hin zur Bürogemeinschaft der Steuer-
berater mit anderen Freien Berufen und mit den selbständigen Buchhaltern,
Buchführungshelfern, geprüften Bilanzbuchhaltern und Lohnsteuerhilfever-
einen sind im Sinne der Verbraucher. So kann den Bürgerinnen und Bürgern im
Schnittfeld der Tätigkeiten ein optimales und kostengünstiges Leistungsspek-
trum angeboten werden. Auch hier muss der notwendige Verbraucherschutz
gewahrt werden. Berufsrechtliche Rechte und Pflichten, vor allem Verschwie-
genheitspflicht, Gewissenhaftigkeit, Auskunftsverweigerungsrecht, Zeugnis-
verweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot, sind deshalb entsprechend an-
zupassen.

Im Zuge der Liberalisierung des Steuerberatungsgesetzes soll Steuerberatern die
Möglichkeit eingeräumt werden, auch während eines Anstellungsverhältnisses
ihren Titel „Steuerberater“ weiter zu führen. Damit soll eine größere Durchläs-
sigkeit zwischen Selbständigkeit und Angestelltenverhältnis erreicht werden.
Die Pflicht zur Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung entspre-
chend ihrem Arbeitslohn soll aber weiterhin vollen Bestand haben, wie bei allen
anderen Angestellten auch.

Die derzeitige Werberegelung ist praxisfern und streitanfällig, was durch eine
Vielzahl von Abmahnverfahren belegt ist. Diese Verfahren behindern die selb-
ständige Tätigkeit der selbständigen Buchhalter, Buchführungshelfer und ge-
prüften Bilanzbuchhalter. Die derzeitige Abmahnproblematik muss praxis-
gerecht gelöst werden, um ihnen zu ermöglichen, über ihre Tätigkeit zu infor-
mieren und wirksam für sich zu werben.

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