BT-Drucksache 16/1826

Änderungen an der Dienstleistungsrichtlinie im Rat für Wettbewerbsfähigkeit am 29./30. Mai 2006

Vom 14. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1826
16. Wahlperiode 14. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Änderungen an der Dienstleistungsrichtlinie im Rat für Wettbewerbsfähigkeit
am 29./30. Mai 2006

Die Dienstleistungsrichtlinie befindet sich im Rahmen des Mitentscheidungs-
verfahrens (Artikel 251 EG) im Stadium der ersten Lesung, nach Abgabe der
Stellungnahme des Europäischen Parlaments. Im zuständigen Ministerrat für
Wettbewerbsfähigkeit haben die Mitgliedstaaten am 30. Mai 2006 eine poli-
tische Einigung über Änderungen am Kommissionsvorschlag – einen sog. Ge-
meinsamen Standpunkt – erreicht. Die Kommission hatte im Vorfeld von ihrem
Recht Gebrauch gemacht, einen geänderten Vorschlag vorzulegen, der sich
weitgehend an die Änderungswünsche des Parlaments hält. Die Bundesregie-
rung hat am 6. März 2006 eine Verhandlungsposition festgelegt und veröffent-
licht, die noch nicht auf den neuen Vorschlag Bezug nimmt. Nach der Rats-
sitzung ging die Bundesregierung davon aus, dass damit „eine fein austarierte
Balance zwischen Marktöffnung und Sozial- und Umweltschutz erreicht“
wurde (Parlamentarischer Staatssekretär Peter Hintze, Plenarprotokoll 16/37).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist es zutreffend, dass mehrere Mitgliedsländer im Rat einen Ausgleich für
den Verzicht auf das „Herkunftslandsprinzip“ gefordert haben?

2. Wenn ja, welche Zugeständnisse sind ihnen dafür gemacht worden, und
welche Konsequenzen haben diese aus Sicht der Bundesregierung?

3. Inwiefern wurde erreicht (insbesondere im neuen Erwägungsgrund 39c),
dass das „Arbeitsrecht … endgültig aus der Richtlinie ausgenommen wurde“
(Parlamentarischer Staatssekretär Peter Hintze, Plenarprotokoll 16/37) und
nicht nur die Beschäftigungsbedingungen (Artikel 16)?

4. Welche Begründung hat es in der Sitzung des Wettbewerbsrates gegeben,
einen neuen Erwägungsgrund (39c) einzuführen, der beinhaltet dass Ein-
schränkungen in Bezug auf Beschäftigungsbedingungen nichtdiskriminie-
rend, notwendig und angemessen sein müssen?

5. Welche Konsequenzen hat dieser Erwägungsgrund 39c aus Sicht der Bun-

desregierung?

6. Welche Begründung hat es in der Sitzung des Wettbewerbsrates gegeben,
den wichtigen Bezug zur Grundrechtecharta in Artikel 1 Nr. 7 zu streichen
und welche Konsequenzen hat dies aus Sicht der Bundesregierung?

Drucksache 16/1826 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
7. Wie interpretiert und beurteilt die Bundesregierung die vom Rat vorge-
schlagene Änderung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richt-
linie (Artikel 2), wenn jetzt nicht mehr ‚Dienstleistungen von allgemeinem
Interesse‘ ausgenommen werden sollen, sondern nur noch ‚nichtwirtschaft-
liche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse‘?

8. Wie und auf welcher Rechtsgrundlage ist dieser Bereich der nichtwirt-
schaftlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse definiert?

9. Welche Bereiche der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse fallen
damit unter den Geltungsbereich der Richtlinie und welche nicht?

10. Mit welcher konkreten Korrektur im Text der Richtlinie insbesondere im
Erwägungsgrund 14 und in Artikel 2 wurde erreicht, dass entsprechend der
Entschließung des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 325/06) zukünftig
Pflege- und Rehabilitationsleistungen komplett aus dem Anwendungs-
bereich der Richtlinie ausgenommen wurden, da es dort bisher noch miss-
verständlich hieß, dass der Dienstleistungsbegriff auch „häusliche Dienste,
wie die Pflege älterer Menschen“ umfasst, sofern sie nicht aus dem Anwen-
dungsbereich der Richtlinie ausgenommen wurden?

11. Mit welcher konkreten Korrektur im Text der Richtlinie (z. B. Artikel 2)
wurde erreicht, dass Einschränkungen der Ausnahme von sozialen Dienst-
leistungen auf Sozialwohnungen, Kinderbetreuung und Unterstützung
bedürftiger Personen „im Sinne des Wunsches des Bundesrates geregelt“
(Parlamentarischer Staatssekretär Peter Hintze, Plenarprotokoll 16/37)
wurden, der gefordert hatte, die sozialen Dienste vollumfänglich vom Gel-
tungsbereich auszunehmen und nicht zuletzt das Kriterium der Bedürftig-
keit als nicht sachgemäß bezeichnet hatte?

12. Welchen „Beitrag zur Entbürokratisierung“ (Parlamentarischer Staatssek-
retär Peter Hintze, Plenarprotokoll 16/37) sieht die Bundesregierung in der
Tatsache, dass neben der bisher vorgesehenen nationalen Berichtspflicht
zur Niederlassungsfreiheit nun auch eine Berichtspflicht zur Dienstleis-
tungsfreiheit in den Artikel 41 aufgenommen wurde?

13. Inwieweit unterscheidet sich in der Praxis eine Begründungspflicht von
einer Notifizierungspflicht?

14. Welche Konsequenzen hat aus Sicht der Bundesregierung die Verschärfung
der Review Clause (Artikel 43) nach der es nun für die Kommission mög-
lich ist, die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen für Bereiche, die aus
dem Geltungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind, in Betracht zu
ziehen („to consider the need for additional measures for matters excluded
from the scope of application of the Directive“) und damit die erreichten
Ausnahmen vom Geltungsbereich der Richtlinie beständig zur Disposition
stehen?

Berlin, den 14. Juni 2006

Ulla Lötzer
Dr. Barbara Höll
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Sabine Zimmermann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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