BT-Drucksache 16/1768

Vorbereitungsstand der Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland

Vom 6. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1768
16. Wahlperiode 06. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), Hans-Josef Fell, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorbereitungsstand der Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland

Die Ostseepipeline ist ein gemeinsames Projekt des russischen Gaskonzerns Gaz-
prom sowie der deutschen Partner E.ON (Ruhrgas) und Wintershall AG (BASF).
Sie soll vom russischen Wyborg bei St. Petersburg nach Greifswald führen. Die
Pipeline soll ab 2010 durch eine erste Röhre 27,5 Mrd. Kubikmeter Erdgas von
Russland nach Deutschland befördern. Eine zweite Röhre soll die Kapazität spä-
ter auf 55 Mrd. Kubikmeter erhöhen. Die beiden Röhren sollen allerdings nicht
gleichzeitig, sondern in einem Abstand von zwei Jahren eingerichtet werden. Der
Startschuss für den Bau der Landpipeline, die die Gasleitung aus den sibirischen
Erdgasfeldern mit der geplanten Ostseepipeline verbinden soll, fiel bereits am
9. Dezember 2005. Die Arbeiten an dem etwa 1 200 Kilometer langen Abschnitt
durch die Ostsee sollen im Jahr 2008 erfolgen. Zum Zeitpunkt der Antwort der
Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/344) vom 5. Januar 2006 auf die
Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Auswirkungen der
Ostseegaspipeline auf die Bundesrepublik Deutschland“ lagen jedoch weder ein
Antrag für ein Planfeststellungsverfahren, Informationen über die genaue Tras-
senführung noch konkrete Aussagen zu Sicherheitsvorkehrungen hinsichtlich der
Rüstungsaltlasten auf dem Grund der Ostsee vor.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sieht die Bundesregierung negative politische Folgen für die Beziehungen
zwischen der Bundesrepublik Deutschland einerseits und Polen sowie den
baltischen Staaten andererseits durch den Entscheidungsprozess für den Tras-
senverlauf durch die Ostsee bzw. für den Betrieb der zukünftigen Pipeline?

Wenn ja, welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine Entspan-
nung der Beziehungen im Zusammenhang mit der Ostseepipeline?

2. Ist die in der Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/344)
vom 5. Januar 2006 erwähnte vereinbarte deutsch-polnische Arbeitsgruppe
bereits eingerichtet worden, und

a) wenn ja, welche Ergebnisse hat sie erzielt,

b) wenn nein, was hat der Einrichtung bisher entgegengestanden und wann

wird sie eingerichtet werden?

3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage von EU-Energiekommissar
Andris Piebalgs, der die Lieferfähigkeit Russlands in Frage stellt (FINAN-
CIAL TIMES DEUTSCHLAND, 18. Mai 2006), bezüglich der geplanten
Ostseepipeline, die zwar einen zusätzlichen Transportweg für Gas von Russ-
land nach Europa ermöglichen, jedoch keine neuen Erdgasquellen erschlie-
ßen wird?

Drucksache 16/1768 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wann der ebenfalls im russi-
schen Wyborg bei St. Petersburg geplante LNG-Terminal (LNG: Liquefied
Natural Gas) fertig gestellt werden wird?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Konsequenzen dieses LNG-Termi-
nals auf die Auslastung der Ostseepipeline angesichts der rückläufigen Gas-
fördermengen in Russland?

6. Welche Folgen hat die künftig eingeschränkte Lieferfähigkeit Russlands auf
die Diversifizierung der deutschen Energieversorgung?

7. Liegt mittlerweile ein Antrag für ein Planfeststellungsverfahren für die Ost-
seegaspipeline vor, und wenn ja, wie sieht dieser Antrag aus, und wenn nein,
wann wird dieser Antrag eingereicht werden?

8. Liegen der Bundesregierung mittlerweile Informationen zum genauen Tras-
senverlauf der Ostseegaspipeline vor, und wenn ja, wie soll die Trasse ver-
laufen, und wenn nein, wann werden diese Informationen erwartet?

9. Hat die Bundesregierung erwogen, Einfluss auf den Trassenverlauf zu neh-
men mit dem Ziel, Polen und den baltischen Staaten den Bezug von Erdgas
aus Abzweigungen der Pipeline zu ermöglichen, und wenn nein, warum
nicht?

10. Wurden die von der Bundesregierung angekündigten detaillierten geolo-
gischen und geotechnischen Untersuchungen der Trasse bereits vorgelegt,
und

a) wenn ja, zu welchen Ergebnissen führen diese Untersuchungen,

b) wenn nein, wann werden diese Untersuchungen vorgelegt werden?

11. Liegen bereits Anträge für das Vorhaben für den deutschen Bereich (aus-
schließliche Wirtschaftszone, Festlandsockel, Küstenmeer) bei den Behör-
den Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie und Bergamt Stralsund
vor, und wenn ja, wie sehen diese Anträge aus?

12. Wird die Bundesregierung auf die Durchführung eines Raumordnungsver-
fahrens für die Pipelinetrasse im deutschen Zuständigkeitsbereich bestehen,
und wenn nein, warum nicht?

13. Sind die Fragen der technischen Sicherheit wie z. B. die rechtzeitige Entde-
ckung eines Lecks in der Unterwasserleitung mit den zuständigen Auf-
sichtsbehörden bereits geklärt, und wenn ja, wie wurden diese Fragen ge-
klärt, und wenn nein, wann werden sie geklärt werden?

14. Hält die Bundesregierung den für 2008 angestrebten Baubeginn für die Ost-
seepipeline für einhaltbar, und wenn ja, wie wird sichergestellt, dass bis da-
hin die umfangreichen deutschen und europäischen Umweltstandards ein-
gehalten werden, und wenn nein, welchen Termin hält die Bundesregierung
für realistisch?

15. Wird die Bundesregierung darauf bestehen, dass die deutschen Standards
auf den gesamten Verlauf der Pipeline angewendet werden, und wenn ja,
welche Schritte hat Deutschland unternommen, um eine international abge-
stimmte Umweltprüfung sicherzustellen, und wenn nein, warum nicht?

16. Welchen Stand haben die Planungen zur Strategischen Umweltprüfung bzw.
Umweltverträglichkeitsuntersuchung, und welche Ergebnisse liegen hierzu
vor?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1768

17. Plant die Bundesregierung für Leitungstrassen im Meer ein standardisiertes
Untersuchungsverfahren zur Durchführung der Umweltuntersuchungen
nach dem Muster des Standarduntersuchungsprogramms für Offshore-
Windparks zu entwickeln und verbindlich vorzuschreiben, und

a) wenn ja, bis wann werden die Untersuchungsstandards festgelegt,

b) wenn nein, aus welchen Grünen lehnt die Bundesregierung ein solches
Untersuchungsverfahren ab?

18. Welche Sicherheitsstrategien werden bei der Routenführung hinsichtlich
der sich in der Ostsee befindenden Munitionsaltlasten aus dem Zweiten
Weltkrieg entwickelt, und falls noch keine entwickelt wurden, wann werden
diese entwickelt werden?

19. Welche Entsorgungsstrategien gibt es nach Information der Bundesregie-
rung hinsichtlich der Munitionsaltlasten, die sich auf der geplanten Trasse
befinden könnten?

20. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über Biogaspotenziale in
Polen, der Ukraine, Weißrussland, Tschechien, Ungarn und Russland vor,
und welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, die Biogas-
potenziale und deren Nutzung in den genannten Ländern zu forcieren?

21. Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, in Zukunft auch Biogas über Erd-
gaspipelines zu importieren?

Berlin, den 6. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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