BT-Drucksache 16/1767

Gefährdung der Menschen- und Bürgerrechte von Lesben und Schwulen in Polen

Vom 6. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1767
16. Wahlperiode 06. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Thilo Hoppe,
Ute Koczy, Renate Künast, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gefährdung der Menschen- und Bürgerrechte von Lesben
und Schwulen in Polen

Medienberichten zufolge hat der Vizevorsitzende der polnischen Regierungs-
partei Liga Polnischer Familien (LPR), Wojciech Wierzejski, dazu aufgerufen,
Menschen mit Gewalt daran zu hindern, an der für den 11. Juni 2006 in War-
schau geplanten Gleichheitsparade teilzunehmen. Mit der Parade soll auf die
Diskriminierung von Lesben und Schwulen hingewiesen und für Toleranz ge-
worben werden. In den Jahren 2004 und 2005 hatte der damalige Warschauer
Bürgermeister und heutige Staatspräsident Polens, Lech Kaczyn´ski, die Parade
verboten.

In einem Kommentar in der polnischen Tageszeitung „Zycie Warszawy“ forderte
Wojciech Wierzejski, der auch designierter Vize-Bildungsminister ist, nicht nur
ein erneutes Verbot der Parade, da sie seiner Auffassung nach zur Verbreitung
von Perversion beitrage. Er sagte zudem: „Wenn die Abartigen demonstrieren,
brauchen sie den Knüppel.“ Zur angekündigten Teilnahme deutscher Parlamen-
tarierinnen und Parlamentarier an der geplanten Gleichheitsparade erklärte
Wojciech Wierzejski: „Wenn die eine Tracht Prügel erhalten, werden sie ein
zweites Mal nicht mehr kommen“ (Der Standard vom 18. Mai 2006).

Der neue polnische Bildungsminister und Vorsitzender der Regierungspartei
LPR, Roman Giertych, ist ebenfalls vielfach mit Hetzreden gegen Homosexuelle
in Erscheinung getreten. Es gibt zudem zahlreiche Berichte aus Polen, wonach
die von Roman Giertych aufgebaute „Allpolnische Jugend“, offizielle Jugend-
organisation der LPR, immer wieder mit gewaltsamen Übergriffen auf Homo-
sexuelle in Erscheinung tritt und bei ihren Aufmärschen Parolen wie „Schwule
ins Gas“ skandiert (vgl. z. B. WELT am SONNTAG vom 14. Mai 2005).

Insbesondere mit Blick auf Polen hat das Europäische Parlament am 18. Januar
2006 eine Entschließung zu Homophobie in Europa gefasst. Darin fordert das
Europäische Parlament unter anderem „die Mitgliedstaaten und die Kommission
auf, das Schüren von Hass gegen Homosexuelle bzw. die Aufstachelung zu Hass
und Gewalt nachdrücklich zu verurteilen und dafür zu sorgen, dass die Demons-

trationsfreiheit, die in allen Menschenrechtsvereinbarungen garantiert wird, in
der Praxis gewährleistet ist“.

Drucksache 16/1767 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Form und mit welchen Inhalten wird die Bundesregierung gegen-
über der polnischen Regierung zu diesen Aussagen des Vizevorsitzenden der
Regierungspartei Liga Polnischer Familien (LPR) Stellung beziehen?

2. Erklärt die Bundesregierung weiterhin ihr „Vertrauen … in die neue polni-
sche Regierung mit Blick auf die Wahrung der Menschen- und Bürger-
rechte“, wie sie dies ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN zur Bürgerrechtssituation von Lesben und Schwulen in
Polen (Bundestagsdrucksache 16/280 vom 15. Dezember 2005) zum Aus-
druck gebracht hatte?

3. In welcher Form und bei welchen Gelegenheiten hat die Bundesregierung
bislang gegenüber der polnischen Regierung und im Rahmen der Euro-
päischen Union die Bedrohung von Lesben und Schwulen in Polen durch Ge-
walt sowie die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte von Lesben und
Schwulen in Polen angesprochen?

4. In welcher Weise wird sich die Bundesregierung zukünftig gegenüber der
polnischen Regierung und im Rahmen der Europäischen Union gegen die
Bedrohung von Lesben und Schwulen in Polen durch Gewalt sowie für die
Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte von Lesben und Schwulen in
Polen einsetzen?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein erneutes Verbot der
Gleichheitsparade in Warschau einen Verstoß gegen die Europäische Men-
schenrechtskonvention darstellen würde?

6. Teilt die Bundesregierung die in der Entschließung des Europäischen Parla-
ments zu Homophobie in Europa vom 18. Januar 2006 enthaltenen Forderun-
gen?

7. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dieser Entschließung
für ihre Politik hinsichtlich der Menschen- und Bürgerrechte von Lesben und
Schwulen in Polen?

Berlin, den 6. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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