BT-Drucksache 16/1704

zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/940- Zwischenbilanz für Integrationskurse des Jahres 2005 vorlegen

Vom 1. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1704
16. Wahlperiode 01. 06. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Britta
Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/940 –

Zwischenbilanz für Integrationskurse des Jahres 2005 vorlegen

A. Problem

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweist in ihrem Antrag darauf,
dass ein Kernanliegen des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungs-
gesetzes die signifikante Verbesserung von Integrationsmöglichkeiten sowohl
für Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer als auch für bereits in Deutschland
lebende Ausländerinnen und Ausländer gewesen sei. So seien für die Sprach-
kurse des Zuwanderungsgesetzes im Bundeshaushalt für das letzte Jahr 208 Mio.
Euro eingestellt worden. Die Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN hätten in Kleinen Anfragen versucht, von der Bundesregierung
erste Ergebnisse über die Umsetzungspraxis der Integrationskurse des Zuwan-
derungsgesetzes im Jahr 2005 zu ermitteln. Viele Fragen seien jedoch unbeant-
wortet geblieben, so dass die Vorlage eines Zwischenberichts zur Evaluierung
der Integrationskurse notwendig geworden sei.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.
D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/1704 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/940 abzulehnen.

Berlin, den 18. Mai 2006

Der Innenausschuss

Sebastian Edathy
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Dr. Michael Bürsch
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal- sehenen Haushaltsansätze möglich ist.

tung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. abgelehnt.

Zuvor hat der Innenausschuss den Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 16(4)63
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD

3. Der Innenausschuss geht ferner davon aus, dass die im
Lichte des tatsächlichen Bedarfes (Antragslage bzw. Teil-
nehmeranzahl) und der gewollten Optimierung des Kurs-
angebotes notwendigen erhöhten Haushaltsmittel bereits
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1704

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Dr. Michael Bürsch, Dr. Max Stadler,
Ulla Jelpke und Josef Philip Winkler

I. Zum Verfahren

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/940 wurde in der 25. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 16. März 2006 an den Innen-
ausschuss federführend und an den Haushaltsausschuss, den
Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Ausschuss für
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mit-
beratung überwiesen.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 19. Sitzung am
18. Mai 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Frak-
tion der FDP die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 17. Sit-
zung am 10. Mai 2006 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag ab-
zulehnen. Der Ausschuss hat weiterhin mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den
Antrag auf Ausschussdrucksache 16(4)59 abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat in seiner 10. Sitzung am 10. Mai 2006 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP die
Ablehnung des Antrags empfohlen. Der Ausschuss hat fer-
ner den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Ausschussdrucksache 16(4)63 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
angenommen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner 10. Sitzung am 10. Mai 2006
auf die Abgabe eines Votums verzichtet.

3. Beratungen im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat den Antrag in seiner 12. Sitzung am
10. Mai 2006 abschließend beraten und ihn mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen

Der Antrag hat folgenden Wortlaut:

1. Im Bundeshaushalt 2006 sind die Ansätze im Bereich der
Durchführung von Integrationskursen ausschließlich aus
Gründen der Haushaltswahrheit bzw. Haushaltswirk-
samkeit an den tatsächlich zu erwartenden Mittelbedarf
angepasst worden.

Das bedeutet in der Sache, dass das Bundesamt für Mig-
ration und Flüchtlinge im Jahre 2006 keinen Antrag
eines Ausländers auf Zulassung zu einem Integrations-
kurs mit der Begründung nicht verfügbarer Haushalts-
mittel wird ablehnen müssen und dass alle tatsächlich
benötigten Kurse abgehalten werden können.

2. Die derzeit laufende Evaluation der Integrationskurse
hat zum Ziel, ihre Durchführung zu optimieren. Gegen-
stand der Evaluation sind die Verfahrensabläufe, die
Finanzierung und das methodisch-didaktische Vorgehen
der Kursträger. Erkannter Verbesserungsbedarf wird
unmittelbar umgesetzt. Gleichwohl ist bereits heute er-
kennbar (vergleiche auch die Erörterungen in der vom
BMI durchgeführten Praktikeranhörung am 30. und
31. März 2006 sowie die Expertenanhörung in der Innen-
ausschusssitzung am 5. April 2006), dass in verschie-
denen Punkten Verbesserungsbedarf gegeben ist. Dies
betrifft zum Beispiel die Frage einer noch besseren Diffe-
renzierung der Kurse und längerer Kursdauer, die Siche-
rung der Qualität der Kursträger durch ein verbessertes
Honorar, eine verpflichtende Vernetzung des Angebots
der Kursträger auf regionaler Ebene, die Erreichbarkeit
der Kurse in räumlicher Hinsicht, die Organisation von
kursbegleitenden Praktika, die Kinderbetreuung sowie
die Frage der Zumutbarkeit der Eigenbeteiligung bei
Geringverdienern. Der Innenausschuss begrüßt aus-
drücklich die von der Beauftragten der Bundesregierung
für Migration, Flüchtlinge und Integration Frau Staats-
ministerin Prof. Böhmer vorgelegten Eckpunkte zur qua-
litativen Verbesserung der Integrationskurse gem. Presse-
mitteilung vom 3. Mai 2006 als eine gute Diskussions-
grundlage dafür, schon jetzt erste Schritte zu ihrer
Optimierung einzuleiten.

In diesem Zusammenhang begrüßt der Innenausschuss,
dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schon
von sich aus (z. B. durch die Gewährung einer zusätz-
lichen Vergütung von 7 Euro pro Teilnehmer an die Kurs-
träger für den erhöhten Verwaltungsaufwand) erste prak-
tische Konsequenzen zieht.

Der Innenausschuss geht davon aus, dass die Umsetzung
weiterer Schritte bei der Optimierung der Integrations-
kurse auch noch im Jahre 2006 im Rahmen der vorge-
gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN angenommen.

bei der Erstellung des Haushaltentwurfes 2007 vorge-
sehen werden.

Drucksache 16/1704 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Innenausschuss hat ferner den Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschussdrucksache
16(4)59 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und
DIE LINKE. abgelehnt.

Dieser Antrag hat folgenden Wortlaut:

Im Jahr 2005 haben rund 215 Tausend Ausländer und Spät-
aussiedler eine Teilnahmeberechtigung für einen Integra-
tionskurs nach Zuwanderungsgesetz erhalten; 115 Tausend
haben einen Kurs begonnen oder bereits abgeschlossen. Be-
sonders groß ist die Nachfrage nach den Kursen bei bereits
länger in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Aus-
ländern: Mit knapp 60 Prozent der Kursteilnehmer stellten
sie die größte Teilnehmergruppe; die meisten nahmen frei-
willig an den Kursen teil. Auf starkes Interesse stieß das An-
gebot bei den Migrantinnen: Sie stellten 2005 fast 2/3 der
Kursteilnehmer.

Auch wenn die Evaluation des Kursangebots erst 2007 ab-
geschlossen sein wird, zeigen die Erfahrungen des ersten
Jahres, dass bereits jetzt Handlungsbedarf hinsichtlich eines
qualitativ besseren und bedarfsgerechteren Angebots be-
steht. Dies belegen nicht zuletzt die Zahlen zu den erfolg-
reichen Kursabschlüssen: Nur rund 40 Prozent der Kurs-
absolventen haben 2005 die Abschlussprüfung erfolgreich
bestanden und damit das Sprachniveau erreicht, das die
Kurse gewährleisten sollen (B 1-Niveau des Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmens).

Entscheidend wird es sein, das Angebot so auszugestalten,
dass Neuzuwandernde möglichst schnell einen Kurs be-
suchen können und möglichst vielen Kursteilnehmern der
erfolgreiche Kursabschluss ermöglicht wird. Zudem müssen
auch weiterhin ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um
die freiwillige Nachfrage von bereits länger in Deutschland
lebenden Ausländerinnen und Ausländern befriedigen zu
können.

Deshalb wird angeregt:

I. Bedarfsgerechte Differenzierung des Kursangebotes

In der Anlaufphase der Integrationskurse hat sich gezeigt,
dass das Angebot vielerorts nicht ausreichend differenziert ist.
Die Kurse sind oft sehr heterogen zusammengesetzt, akade-
misch vorgebildete sitzen neben bildungsungewohnten Teil-
nehmern und Analphabeten. Die bisherige Modularisierung
des Angebots kann dieses Problem nicht beheben. In den all-
gemeinen Kursen würden sich mit homogeneren Lerngruppen
bessere Lernerfolge erzielen lassen. Die bisher erst ansatz-
weise entwickelten Angebote für die Zielgruppen Jugendliche
und Frauen/Eltern sollten möglichst passgenau auf die jewei-
lige Lebenssituation zugeschnitten werden. Analphabeten
oder auch Menschen, die in einer anderen Schriftsprache al-
phabetisiert wurden, brauchen besondere Vorschaltangebote,
um sie überhaupt zum Deutschspracherwerb zu befähigen.
Aber auch „Schnelllerner“ und erfolgreiche Kursabsolventen
sollten gezielter gefördert und insbesondere auf den Eintritt in
den Arbeitsmarkt vorbereitet werden.

1. Kursangebot nach Leistungsfähigkeit der Teilnehmer
differenzieren

auf unterschiedlichen Leistungsniveaus bzw. für unterschied-
liche Lerntempi erreichen. Kursteilnehmern, die das an sich
als Kursziel festgesetzte Sprachniveau in weniger als 600
Stunden erreichen, sollte die Möglichkeit gegeben werden,
die verbleibenden Stunden für weitergehenden Spracherwerb
zu nutzen. Eine solche bedarfsgerechte Angebotsdifferenzie-
rung ist vor Ort allerdings nur zu gewährleisten, wenn die
lokalen Sprachkursträger ihre Angebote abstimmen.

2. Angebotsabstimmung der Träger verbessern

Durch die Einführung einer Kooperationsverpflichtung für
die Träger als Kriterium für die Trägerzulassung könnte
sichergestellt werden, dass die Kursträger vor Ort ihre je-
weiligen Angebote abstimmen und Kursinteressierte gezielt
untereinander verteilen, um so leistungsdifferenzierte Kurse
und Zielgruppenangebote zeitnah zu ermöglichen. Beispiele
für solche erfolgreichen Trägerkooperationen gibt es bereits
in einigen Regionen. Ziel sollte die möglichst flächendecken-
de Einführung von lokalen Trägerkooperationen sein.

3. Erreichte Leistungen verbindlich zertifizieren

Jeder Integrationskurs sollte mit einer verbindlichen Prü-
fung abgeschlossen werden, mit der den Teilnehmern das je-
weils erreichte Leistungsniveau auch zertifiziert wird. Die
bisherigen Erfahrungen zeigen, dass ein erheblicher Teil der
Kursteilnehmer in 600 Unterrichtsstunden das Zielsprach-
niveau nicht erreichen kann und deshalb erst gar nicht zur
Abschlussprüfung angemeldet wird. Zurzeit wird die Ent-
wicklung eines skalierten Sprachtests vorbereitet, der Lern-
erfolge differenziert erfassen soll; die Testentwicklung wird
jedoch voraussichtlich 2 bis 3 Jahre in Anspruch nehmen.
Bis dahin sollten übergangsweise auf bereits vorhandene
Sprachfeststellungen bzw. niveaubezogene Testverfahren/
Zertifikatsprüfungen zurückgegriffen werden.

4. Integrationskursangebot und berufsbezogene Sprach-
förderung verzahnen

Nicht nur Kursteilnehmer mit Lernschwierigkeiten, auch
Schnelllerner brauchen gezielte Förderung. So sollten be-
sonders erfolgreiche Kursabsolventen durch berufsbezogene
Aufbauförderungen gezielt für den Eintritt in den Arbeits-
markt qualifiziert werden. Anknüpfungspunkt für eine Ange-
botsverzahnung könnte die berufsbezogene Sprachförderung
im Rahmen des Europäischen Sozialfonds-Bundesagentur
für Arbeit-Programms (ESF-BA) sein, das voraussichtlich
ab 2007 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
übernommen wird. Bereits geplant ist die stärkere Verzah-
nung von Integrationskursen und Sprachfördermaßnahmen
nach SGB II/SGB III. Zusammen mit der Bundesagentur für
Arbeit bereitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
zurzeit eine entsprechende Handlungsempfehlung zunächst
für den Bereich der jugendspezifischen Angebote vor; eine
weitere für frauenspezifische Angebote soll folgen. Vorge-
sehen werden sollten auch Berufspraktika.

5. Integrierte Jugendangebote ausbauen

Gerade bei Integrationsangeboten für Jugendliche ist es
unerlässlich, die unterschiedlichen Förderkomponenten
(Sprachangebote, sozialpädagogische Begleitung, Berufsvor-
Eine homogenere Zusammensetzung der Teilnehmer in den
allgemeinen Kursen ließe sich durch ein Angebot von Kursen

bereitung, Nachqualifizierung) in hohem Maße aufeinander
abzustimmen und zu vernetzen. Insbesondere die differen-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1704

zierte sozialpädagogische Begleitung sollte bei Jugendlichen
integraler Kursbestandteil sein. Hier haben die Jugend-
migrationsdienste, die für diese Angebote verantwortlich sind,
eine besondere Kooperationsverpflichtung mit den lokalen
Kursanbietern.

6. In den Jugendkursen gezielter auf Ausbildung und Beruf
vorbereiten

Gerade Migrantenjugendliche haben besondere Probleme
im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Nach Integrationskurs-
verordnung sollen die Jugendintegrationskurse auf den Be-
such einer weiterführenden Schule oder Hochschule oder
eine andere Ausbildung vorbereiten. Um diesem Anspruch
gerecht zu werden, müssen in das noch zu entwickelnde Rah-
menkonzept für diese Zielgruppenkurse in hohem Maße be-
rufs- und ausbildungsvorbereitende Elemente, z. B. Berufs-
praktika als regelmäßiger Kursbestandteil, aufgenommen
werden.

7. In Eltern- und Frauenkursen familien- und
frauenspezifische Themen aufgreifen

Eltern- und Frauenkurse bieten Gelegenheit, in besonderem
Maße familien- und frauenspezifische Themen aufzugreifen
und auf Bildungsfragen einzugehen. Das Rahmenkonzept für
diese Kurse sollte darauf gerichtet sein, Erziehungskompe-
tenz und Empowerment zu stärken. Da gerade Mütter von
schulpflichtigen Kindern ein erhöhtes Interesse am Erlernen
der deutschen Sprache haben, bietet sich eine Anbindung
dieser Zielgruppenkurse z. B. an Schulen oder Nachbar-
schaftszentren an.

8. Angebote zur Alphabetisierung und Umalphabetisierung
vorschalten

Wer bisher nicht oder in einer anderen Schriftsprache alpha-
betisiert wurde, hat – auch bei leistungsdifferenzierten Ange-
boten – wenig Aussicht, in den allgemeinen Sprachkursen zu
reüssieren. Deshalb sollte für diese Zielgruppe ein zusätz-
liches Angebot vorgeschaltet werden, an das sich dann der
allgemeine Sprachkurs oder ein Zielgruppenkurs anschlie-
ßen kann.

9. Lokale Integrationsnetzwerke ausbauen

Integrationsförderung vor Ort kann nur gelingen, wenn alle
beteiligten Akteure – Sprachkursträger, und Ausländerbehör-
den, Jobcenter, Migrationserstberatungsstellen und Jugend-
migrationsdienste und die Regionalkoordinatoren des Bun-
desamtes für Migration und Flüchtlinge – in hohem Maße
zusammenarbeiten. Vorgeschlagen wird deshalb die Einrich-
tung von Runden Tischen oder anderen Netzwerkstrukturen,
die lokale Bedarfsprofile erarbeiten und die Angebote
entsprechend ausrichten. Auch Schulen und Migranten-
organisationen und insbesondere die Elternvereine sollten in
diese Netzwerke einbezogen werden.

II. Verbesserung der Rahmenbedingungen für die
Kursqualität

Eine Differenzierung des Kursangebots wird nur zu realisie-
ren sein, wenn die Rahmenbedingen für die Träger entspre-

1. Nachholende Integration ermöglichen

Insgesamt sollte sichergestellt sein, dass im Bundeshaushalt
auch künftig ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um
die freiwillige Kursnachfrage von bereits länger in Deutsch-
land lebenden Ausländerinnen und Ausländern decken zu
können. Gerade mit Blick auf die besonderen Probleme der
2. und 3. Migrantengeneration im Ausbildungs- und Arbeits-
markt sind Angebote zur „nachholenden Integration“ unver-
zichtbar.

2. Finanzausstattung der Kurse verbessern

Der den Sprachkursträgern bisher gewährte Stundensatz
(2,05 Euro) ist angesichts der hohen bürokratischen Anfor-
derungen an die Träger und der aus diesem Satz zu decken-
den Personal- und Sachkosten zu knapp bemessen. Auch die
vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits ein-
geführte einmalige Verwaltungspauschale (7 Euro je Teil-
nehmer) kann dies nicht kompensieren. Um den Trägern ein
kostendeckendes Arbeiten zu ermöglichen, sollte der Stun-
densatz pro Teilnehmer auf mindestens 3 Euro angehoben
werden. Für die Alphabetisierungsangebote ist darüber
hinaus eine erhöhte Finanzausstattung vorzusehen.

3. Kleinere Lerngruppen ermöglichen

Die bisherigen engen finanziellen Rahmenbedingungen füh-
ren dazu, dass die Kursträger unter Wirtschaftlichkeitsge-
sichtspunkten mit möglichst großen Lerngruppen arbeiten
müssen. Dies ist Lernerfolgen abträglich. Die Reduzierung
der zulässigen Teilnehmerzahl auf maximal 18 Personen pro
Kurs wäre ein wesentlicher Beitrag für eine bessere Kurs-
qualität. Bei den Alphabetisierungsangeboten sollte die
Höchstteilnehmerzahl auf 10 Personen festgesetzt werden.

4. Lernzeiten, insbesondere bei zielgruppenspezifischen
Kursen, verlängern

Insbesondere bei den Zielgruppenangeboten für Jugend-
liche, Frauen/Eltern und Analphabeten reichen 600 Stunden
Deutschunterricht i. d. R. nicht aus, um ausreichende
Deutschkenntnisse zu vermitteln. Deshalb ist für diese Ange-
bote eine Aufstockung des Stundenkontingents auf mindes-
tens 900 Stunden unerlässlich.

5. Hohe Qualität der Lehrkräfte sicherstellen

Die Qualifizierung und Motivation der Lehrkräfte ist von
entscheidender Bedeutung für die Qualität der Kurse. Des-
halb müssen auch langfristig die Rahmenbedingungen für
eine kontinuierliche Lehrerfortbildung sichergestellt wer-
den. Zudem sollte ein angemessenes Mindesthonorar für die
Lehrkräfte der Integrationskurse (in Anlehnung an die Rege-
lung des ehemaligen Sprachverbandes) eingeführt werden,
da derzeit aufgrund der niedrigen Kostensätze ein dramati-
sches Absinken der Honorare zu beobachten ist.

6. Träger von Verwaltungsaufgaben entlasten

Aufgrund der vielfältigen Rechtsvorgaben müssen die Kurs-
träger einen Großteil der Finanzmittel, die ihnen das Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge für die Kursdurch-
führung zur Verfügung stellt, für Verwaltungsaufgaben
chend verbessert werden. Die Qualität der Kurse hängt in
hohem Maße von ihrer finanziellen Ausstattung ab.

aufwenden. Ein Bürokratieabbau bei den Trägern käme der
Qualität der Kurse zu Gute. Eine Vereinfachung der Abrech-

Drucksache 16/1704 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nungsmodalitäten und Gebührenverfahren und die Über-
nahme von bisher bei den Trägern angesiedelten Verwal-
tungsaufgaben durch das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge könnte den bürokratischen Aufwand erheblich
reduzieren.

III. Verbesserung der Rahmenbedingungen für die
Teilnahme

Oft hängt die Teilnahme am Integrationskurs von einschrän-
kenden Bedingungen, wie etwa fehlenden Kinderbetreuungs-
angeboten oder schlechten Verkehrsverbindungen, ab. Es
sollte im Interesse aller liegen, die Inanspruchnahme der In-
tegrationskurse durch entsprechende Anpassung der teilneh-
merbezogenen Rahmenbedingungen zu steigern.

1. Möglichst zügige Kursteilnahme sicherstellen

Um neuzugewanderten Ausländern und Spätaussiedlern die
Eingewöhnung in Deutschland zu erleichtern, ist eine mög-
lichst zügige Kursteilnahme wünschenswert. Während zur
Teilnahme verpflichtete Neuzuwanderer und „Bestandsaus-
länder“ auch jetzt schon gehalten sind, sich unverzüglich zu
einem Integrationskurs anzumelden, gilt der Anspruch auf
Kursbesuch bei den nicht verpflichteten Neuzuwandernden
2 Jahre (Ausländer) bzw. unbefristet (Spätaussiedler). Vor-
geschlagen wird eine Angleichung der Anspruchsfristen an
die Zulassungsfrist der „Bestandsausländer“, die freiwillig
am Kurs teilnehmen (1 Jahr). Zur Umsetzung dieses Vor-
schlags sind Änderungen des Aufenthalts- und des Bundes-
vertriebenengesetzes erforderlich.

2. Kursbegleitende Kinderbetreuung verbessern

Fehlende Kinderbetreuungsangebote hindern insbesondere
Frauen an der Kursteilnahme. Dies gilt keineswegs nur für
die Zielgruppenkurse, sondern auch für die allgemeinen In-
tegrationskurse. Ergänzend zur bisherigen Regelung zur
Kinderbetreuung sollten die Träger und lokalen Trägerver-
bünde in die Lage versetzt werden, trägerübergreifende Be-
treuungspools für unter 3-Jährige zu bilden. Vor dem Hinter-
grund des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz für
über 3-Jährige wäre zudem in Erwägung zu ziehen, bei Be-
dürftigkeit für die Dauer des Kursbesuchs die Kindergarten-
kosten zu erstatten. Da ursprünglich eine geteilte Finanzver-
antwortung von Bund und Ländern für die Kurse vorgesehen
war, wären hier ggf. die Länder einzubeziehen. Grundsätz-
lich wünschenswert wäre es, die Betreuungsangebote der
Kinder mit Angeboten zur frühkindlichen Sprachförderung
zu verbinden.

3. Auch Geringverdienern Kursteilnahme ermöglichen

Der von allen Nicht-Sozialleistungsbeziehern zu erbringen-
de Eigenbeitrag von 1 Euro pro Kursstunde (630 Euro pro
Kurs) ist für Geringverdiener oft Grund, die Kurse nicht zu
besuchen. Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Familien-
mitglieder an einem Integrationskurs teilnehmen wollen
oder müssen. Entsprechend der Vorgabe des Aufenthalts-
gesetzes, wonach für die Teilnahme Kosten „in angemesse-
nem Umfang unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit
erhoben werden“ sollen, sollten Geringverdiener daher

4. Erreichbarkeit der Kurse sicherstellen

Auch die von Teilnehmern aufzuwendenden Fahrtkosten
können zum Teilnahmehindernis werden. Bislang können
nur teilnahmeverpflichtete „Bestandsausländer“ und Teil-
nehmer der Zielgruppenkurse einen Zuschuss zu den ihnen
entstehenden Fahrtkosten beantragen. Für Spätaussiedler
und ihre Kernfamilie ist eine entsprechende Regelung ge-
plant. Für sonstige Teilnehmergruppen – d. h. neuzugewan-
derte Ausländer und nicht verpflichtete „Bestandsauslän-
der“ in den allgemeinen Sprachkursen – ist dies bisher nicht
vorgesehen. Um Geringverdienern in diesen Teilnehmer-
gruppen die Kursteilnahme zu ermöglichen, sollte auch ih-
nen die Fahrtkostenzuschussgewährung eingeräumt werden.
Hinsichtlich der Zuschussgewährung für Leistungsbezieher
nach dem SGB II bedarf es zudem einer bundesweiten Zu-
ständigkeitsregelung, da die Zuständigkeit zwischen Bun-
desamt für Migration und Flüchtlinge und Arbeitsverwal-
tung bisher unzureichend geklärt ist.

5. Erfolgreiche Kursteilnahme honorieren, Teilnahme-
verweigerung sanktionieren

Zusätzliche Anreize können die Motivation der Kursteilneh-
mer weiter stärken. So sollten bei erfolgreicher Kursteilnah-
me zusätzliche Vergünstigungen bei der Erteilung der Nieder-
lassungserlaubnis (z. B. Verkürzung der Voraufenthaltsfrist
auf 4 Jahre) sowie bei den Einbürgerungsvoraussetzungen
(s. u.) eingeräumt werden. Im Gegenzug wäre bei Verletzung
der Teilnahmepflicht die konsequentere Anwendung der
bestehenden sozialrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten erfor-
derlich.

IV. Orientierungskurse

1. Grundrechte vermitteln, Frauenrechte stärken

Nach Aufenthaltsgesetz dient der Orientierungskurs der Ver-
mittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur
und der Geschichte Deutschlands. Dieser Themenkanon
sollte jedoch möglichst auf die konkrete Lebenssituation der
Kursteilnehmer bezogen sein und deshalb unbedingt auch
Themen wie Menschen- und Frauenrechte umfassen.

2. Orientierungskurs als ersten Schritt zur Einbürgerung
anlegen

Zurzeit wird die Einführung von Einbürgerungskursen zur
Vorbereitung auf Einbürgerungstests diskutiert. Bei entspre-
chender Ausgestaltung des Orientierungskurscurriculums
könnte die erfolgreiche Teilnahme am Orientierungskurs auf
den Einbürgerungskurs angerechnet werden.

II. Zur Begründung

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ihren An-
trag auf Drucksache 16/940 umfassend begründet. Gerade
auch in Anbetracht der im Haushaltsansatz vorgesehenen
Mittelkürzung für die Integrationskurse sei es notwendig, in
einer Zwischenbilanz den Mittelabfluss für das Jahr 2005
darzustellen und mittelfristig eine Prognose der Teilnehmer-
zahlen und Zusammensetzung der Kurse für die Jahre 2006
und 2007 vorzulegen. Mit ihrem Antrag auf Ausschussdruck-
grundsätzlich von der Zahlung des Eigenbeitrags befreit
werden.

sache16(4)59 habe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/1704

Flüchtlinge und Integration vorgeschlagenen Änderungen
aufgegriffen, um so den aktuellen Entwicklungen in der De-
batte um die Integrationskurse Rechnung zu tragen. Den An-
trag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD lehnt die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab, weil in dem Antrag
lediglich die Planung von Verbesserungen gefordert werde,
die dafür notwendige Datenerhebung dagegen nicht vorge-
sehen sei.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnt die Anträge der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Der Ursprungsantrag auf
Drucksache 16/940 sei aufgrund der intensiven Diskussion
um die Integrationskurse mittlerweile überholt. Der Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Ausschuss-
drucksache 16(4)59 gebe ausschließlich das von der Beauf-
tragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration vorgelegte Eckpunktepapier zur qualitativen Ver-
besserung der Integrationskurse wieder. Die Eckpunkte sei-
en zwar eine gute Diskussionsgrundlage. Problematisch sei
jedoch der darin vorgesehene Stundensatz von drei Euro pro
Teilnehmer. Eine konkrete Festlegung zur Finanzausstattung
der Kurse könne erst nach Abschluss der gegenwärtig statt-
findenden Evaluation getroffen werden. Da die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Antrag die An-
regungen der Integrationsbeauftragten lediglich aus politi-
schen Erwägungen heraus vorgelegt habe, hätten die Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD einen eigenen Antrag
gestellt, um deutlich zu machen, dass sie grundsätzlich hinter

gegenwärtig laufenden Evaluation Änderungsbedarf, so
könne dieser umgesetzt werden. Die vorgesehenen Haus-
haltsmittel seien dafür ausreichend, eine Zwischenbilanz
nicht erforderlich. Das Eckpunktepapier der Integrationsbe-
auftragten, das vollinhaltlich in den Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN übernommen worden sei, sei
lediglich eine Diskussionsgrundlage, die nicht vollends
umgesetzt werden könne. So werde u. a. die konsequentere
Umsetzung sozialrechtlicher Sanktionen gefordert. Eine
solche Verschärfung sei aber gerade unter pädagogischen
Aspekten abzulehnen.

Die Fraktion der FDP lehnt die Anträge der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls ab. Zwar sei die
Zielsetzung der Anträge richtig, die Verfahrensweise jedoch
zu kritisieren. Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD sei ebenfalls abzulehnen, da dieser zu ungenau formu-
liert und inhaltlich nicht dezidiert genug sei. Zudem sei der
Antrag nicht hinreichend begründet.

Die Fraktion DIE LINKE. lehnt den Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD auf Ausschussdrucksache 16(4)63
gleichfalls ab, weil dieser zu unkonkret gehalten sei. Bei der
Abstimmung über die Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN enthält sich die Fraktion DIE LINKE. der
Stimme. Sie teile zwar das Grundanliegen der Anträge. Da
sie aber grundsätzlich gegen Sanktionen bei Verweigerung
der Kursteilnahme sei, in dem Antrag auf Ausschussdruck-
der Integrationsbeauftragten stehen.

Auch die Fraktion der SPD lehnt die Anträge der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Ergäbe sich aus der

sache 16(4)59 aber die konsequentere Anwendung der beste-
henden sozialrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten gefordert
werde, könne sie dem Antrag nicht zustimmen.

Berlin, den 18. Mai 2006

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Dr. Michael Bürsch
Berichterstatter

Dr. Max Stadler
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

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